Zitate
Noch immer, Frühling, bist du nicht
Gekommen in mein Tal,
Wo ich dein liebes Angesicht
Begrüß das letzte Mal.
Frühblumen wähnten dich schon hier,
Frost bringt sie um ihr Glück,
Sie sehnten sich hinaus nach dir,
Und können nicht zurück.
Noch stehn die Bäume dürr und bar
Um deinen Weg herum
Und strecken, eine Bettlerschar,
Nach dir die Arme stumm.
Die Schwalbe fliegt bestürzt umher
Und ruft nach dir voll Gram,
Bereut schon, daß sie über's Meer
Zu früh herüber kam.
Nikolaus Lenau
Einsamkeit
Wildverwachs'ne dunkle Fichten,
Leise klagt die Quelle fort;
Herz, das ist der rechte Ort
Für dein schmerzliches Verzichten.
Grauer Vogel in den Zweigen
Einsam deine Klage singt,
Und auf deine Frage bringt
Antwort nicht des Waldes Schweigen.
Wenn's auch immer Schweigen bliebe,
Klage, klage fort; es weht,
Der dich höret und versteht,
Stille hier der Geist der Liebe.
Nicht verloren hier im Moose –
Herz, dein heimlich Weinen geht,
Deine Liebe Gott versteht,
Deine tiefe, hoffnungslose.
Nikolaus Lenau
Jugend und Liebe
Die Jugend folgt, ein Rosenblatt, den Winden;
Wenn, jung getrennt, sich wiedersehn die Alten,
Sie meinen doch, in ihren ernsten Falten
Den Strahl der süßen Jugend noch zu finden.
Des Dauerns Wahn, wer läßt ihn gerne schwinden?
Mag auch ein Herz, das uns geliebt, erkalten,
Wir suchen immer noch den Traum zu halten,
Nur stiller sei geworden sein Empfinden.
Die Jugend folgt, ein Rosenblatt, den Lüften;
Noch leichter als die Jugend flieht die Liebe,
Die nur des Blattes...
Nikolaus Lenau