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Das Infusorium
War einst ein Infusorium -
Es war das grösste um und um
in seinem Wassertropfen.
Es saß und dacht': "Wer gleichet mir?
Was bin ich für ein riesig Thier!
Ich bin so groß! - So weit man sicht,
Erschaut man meinesgleichen nicht!"
Kam eine Maus an diesen Ort
die hatte Durst und trank sofort
den ganzen Wassertropfen.
Mit sammt den Infusorien all
fünfhunderttausend auf ein Mal.
Gar mancher Mensch ist solch ein Tor,
wie dieser brave Infusor.
Heinrich Seidel
Abendgang
Abendschatten füllt die Weite,
Abendfriede füllt die Welt;
Und ich zieh an deiner Seite
Durch das kühle, grüne Feld.
Wortlos und mit sachtem Schritte,
Deingedenkend, wie du mein,
Ohne Wunsch und ohne Bitte,
Will ich ganz dein eigen sein.
Wellen ziehn mit leisen Tönen,
Vöglein ziehn mit leisem Flug,
Und durch unser Herz zieht Sehnen,
Haben wir nicht Glück genug?
Jugendglück im reifern Innern,
Liedertrost, der selig labt,
Und im Alter dies Erinnern,
Wie wir einst uns lieb gehabt?
Karl Stieler
Wir sollten, glaube ich, die landläufigen Ideen über dies wunderbare Gefühl allmählich reformieren, denn die Liebe ist, besonders auf unserer Halbinsel, dumm und dumpf geworden. Sie ist eine herrliche Quelle menschlicher Lebenskräfte - wie es letzten Endes nicht viele gibt - und sollte freigelegt und von trüben Beimischungen gereinigt werden.
José Ortega y Gasset