Zitate
Elegie im Kriege
Lieder sing ich, seit ich denke,
weil mein Herz empfindsam ist
und den Spender der Geschenke
im Genießen nicht vergißt.
Doch sie haben mich vergessen,
denen ich mein Lied beschert.
Niemand lebt auf Erden, dessen
Seele meines Sangs noch wert.
Heldentaten zu vollbringen,
ist kein Lob in dieser Zeit:
Disziplin heißt sie vollbringen,
Angst gebiert die Tapferkeit.
Liebe, die das Herz beseligt,
zupft an keiner Leier mehr.
Haß ersetzt sie. Haß befehligt.
Haß ist Heil und Pflicht und...
Erich Mühsam
Liebesweh
Zähre rieselt mir um Zähre
in des Betts zerwühltes Laken.
Bange Angstgedanken haken
sich in meiner Seele Schwere.
Schmerzgekrümmt sind meine Beine;
traurig triefend hängt der Bart
von den Tränen, die ich weine -
und die Nase trieft apart ...
Ach, es ist der Traum der Liebe,
den ich durch die Seele siebe.
Ach, es ist der Liebe Weh,
die mich zwickt vom Kopf zum Zeh. -
Armes Herz! Die Träume wittern
fernen Trost. Ich spann' die Ohren -
und durch meiner Seele Zittern,...
Erich Mühsam
Was ist der Mensch? Ein Magen, zwei Arme,
Ein kleines Hirn und ein großer Mund,
Und eine Seele – daß Gott erbarme! –
Was muß der Mensch? Muß schlafen und denken,
Muß essen und feilschen und Karren lenken,
Muß wuchern mit seinem halben Pfund.
Muß beten und lieben und fluchen und hassen,
Muß hoffen und muß sein Glück verpaßen
Und leiden wie ein geschundener Hund.
Erich Mühsam
Hinter den Häusern heult ein Hund.
Denn die Schatten der Nacht sind bleich und lang;
und des Meeres Herz ist vom Weinen wund;
und der Mond wühlt lüstern im Tang.
Durch Morgennebel streicht hastig ein Boot,
die Segel schwarz, wie vom Tod geküßt.
Die Flut faucht salzig näher und droht ...
Bang knarrt der Seele morsches Gerüst.
Erich Mühsam
Der Tag, der keine Sonne sah, verbleicht;
Der Weg versinkt in abendschwerem Regen.
Der müde Fuß, den weicher Schlamm umschleicht,
Steigt Schritt vor Schritt der Dunkelheit entgegen.
Zu beiden Seiten kriechen niedre Hecken,
Den Fuß belauernd, hin am Wegesrand.
Gekappter Bäume kahle Äste recken
Sich hoch wie Finger einer Totenhand. –
Und schwärzer wird die Nacht – und endlos dehnt
Die Straße sich – und schmutziger Regen tropft. –
Nie hat die Seele sich so heiß gesehnt; –
Nie hat das Herz so...
Erich Mühsam