Zitate
Leitsatz
Fürcht' nicht die Stunde, da du stirbst.
Die Welt, o glaub's nur, kann dich missen.
Kein Stern, um dessen Licht du wirbst,
Wird mit dir in den Tod gerissen.
Solang du lebst, wirst du gebraucht.
Soll dich das Leben nicht vergessen,
Sorg, dass die Tat nicht untertaucht,
An der du deine Kraft gemessen.
Leb, dass du stündlich sterben kannst,
In Pflicht und Freude stark und ehrlich.
Nicht dich – das Werk, das du begannst,
Mach für die Menschheit unentbehrlich!
Erich Mühsam
Das Wasserrohr
Nachts braust ein hohles Rauschen an mein Ohr.
Schrill tönt mein Schritt, der banges Leben kündet.
Tief unterm Erdreich liegt ein Wasserrohr:
Weiß nicht, wo's herkommt, – weiß nicht, wo es mündet.
So tief wie eine Ahnung rollt der Schall,
wie bange Märchen, die wir schaudernd träumen.
Mein Fuß erschrickt – und weiß, daß überall
tief unter meinen Wegen Wasser schäumen.
Erich Mühsam
Ich wollt das Lied des Herzens nicht verschweigen
Ich wollt das Lied des Herzens nicht verschweigen.
Ich wollt es jubelnd zu den Menschen schmettern,
die bleich am Baume der Erkenntnis klettern,
das Glück vermutend in den kahlen Zweigen.
Ich wollt sie rufen zu den breiten Küsten,
an die des Meeres Wellen silbern schlagen.
Ich wollt sie lehren leichte Schultern tragen
und freien Sinn in übermüt'gen Brüsten.
Ich stoß ins Horn. Noch einmal. – Doch ich staune:
die Menschen lachen, die ich wecken...
Erich Mühsam
Fanal
Ihr treibt das Rad, ihr wirkt die Zeit,
das Feuer flammt: Jetzt! und Hier!
Euch mahnt das Feuer, macht euch bereit!
Erkennt eure Kraft! Seid Ihr!
Euch flammt das Feuer! Euch blüht das Land!
Erkennt! Seht! Hört! und Wißt!
Doch ihr verdingt euer Hirn, eure Hand –
und zweifelt, was Euer ist.
Kein Fragen, kein Rechnen befreit den Geist.
Das Feuer flammt: Tat ist Pflicht!
Wenn ihr eure Ketten nicht zerreißt, –
von selber brechen sie nicht!
Erich Mühsam
Ich bin ein Pilger ...
Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt;
der Feuer sieht und weiß nicht, wo es brennt;
vor dem die Welt in fremde Sonnen rennt.
Ich bin ein Träumer, den ein Lichtschein narrt;
der in dem Sonnenstrahl nach Golde scharrt;
der das Erwachen flieht, auf das er harrt.
Ich bin ein Stern, der seinen Gott erhellt;
der seinen Glanz in dunkle Seelen stellt;
der einst in fahle Ewigkeiten fällt.
Ich bin ein Wasser, das nie mündend fließt;
das tauentströmt in Wolken sich...
Erich Mühsam