Zitate
Wem kann ich klagen,
Der mit mir fühlt?
Wem kann ich sagen,
Was in mir wühlt?
Jedem frißt sein eigenes
Leid in den Säften.
Manche verschweigen es.
Einige zeigen es.
Aber die Menge vergißt's in Geschäften.
Nur wer uns liebt,
Wird mit uns teilen.
Liebe vergibt,
Liebe kann heilen.
Ich schaue zurück:
Einst durfte ich lieben.
Doch all mein Glück
Ist Stück für Stück
Am Wege geblieben.
Erich Mühsam
Elegie im Kriege
Lieder sing ich, seit ich denke,
weil mein Herz empfindsam ist
und den Spender der Geschenke
im Genießen nicht vergißt.
Doch sie haben mich vergessen,
denen ich mein Lied beschert.
Niemand lebt auf Erden, dessen
Seele meines Sangs noch wert.
Heldentaten zu vollbringen,
ist kein Lob in dieser Zeit:
Disziplin heißt sie vollbringen,
Angst gebiert die Tapferkeit.
Liebe, die das Herz beseligt,
zupft an keiner Leier mehr.
Haß ersetzt sie. Haß befehligt.
Haß ist Heil und Pflicht und...
Erich Mühsam
Mein Gefängnis
Auf dem Meer tanzt die Welle
nach der Freiheit Windmusik.
Raum zum Tanz hat meine Zelle
siebzehn Meter im Kubik.
Aus dem blauen Himmel zittert
Sehnsucht, die die Herzen stillt.
Meine Luke ist vergittert
und ihr dickes Glas gerillt.
Liebe tupft mit bleichen, leisen
Fingern an mein Bett ihr Mal.
Meine Pforte ist aus Eisen,
meine Pritsche hart und schmal.
Tausend Rätsel, tausend Fragen
machen manchen Menschen dumm.
Ich hab eine nur zu tragen:
Warum sitz ich hier?...
Erich Mühsam
Kriecht die Hoffnung aus dem Loche
Kriecht die Hoffnung aus dem Loche
meiner Glücksverlassenheit?
Putzt sich eine Glanzepoche
aus der Trübnis dieser Zeit?
Irgendwo vernahm ich Laute
wie von schüchternem Applaus,
und ich sah ein Licht, das schaute
wie verlegene Liebe aus.
Blitzt' es nicht auch in der Ferne
wie von schimmerndem Metall? –
Zweifellos: es drängen Sterne
durchs Gewölk sich überall …
Andrerseits ist zu erwägen:
Hoffnung hat ein großes Maul,
und des Dichters armem Brägen
deucht ein...
Erich Mühsam
Liebesweh
Zähre rieselt mir um Zähre
in des Betts zerwühltes Laken.
Bange Angstgedanken haken
sich in meiner Seele Schwere.
Schmerzgekrümmt sind meine Beine;
traurig triefend hängt der Bart
von den Tränen, die ich weine -
und die Nase trieft apart ...
Ach, es ist der Traum der Liebe,
den ich durch die Seele siebe.
Ach, es ist der Liebe Weh,
die mich zwickt vom Kopf zum Zeh. -
Armes Herz! Die Träume wittern
fernen Trost. Ich spann' die Ohren -
und durch meiner Seele Zittern,...
Erich Mühsam
Dies ist der Erde Nacht,
Und Regen fällt hernieder.
Ich habe meine Lieder
Und Taten nicht vollbracht.
Die Welt ist voll Verdruß.
Kein Stern scheint meinem Wege.
Wenn ich mich niederlege,
Erwartet mit kein Kuß.
Rings schlafen weit im Kreis
Die Menschen frei von Qualen.
Die ersten Sonnenstrahlen
Erwecken Not und Schweiß.
Vielleicht zeigt mir ein Traum
Mein Glück und das der Erde.
Ob er je Wahrheit werde, –
Ich wag's zu hoffen kaum.
Erich Mühsam
Ich wollt das Lied des Herzens nicht verschweigen
Ich wollt das Lied des Herzens nicht verschweigen.
Ich wollt es jubelnd zu den Menschen schmettern,
die bleich am Baume der Erkenntnis klettern,
das Glück vermutend in den kahlen Zweigen.
Ich wollt sie rufen zu den breiten Küsten,
an die des Meeres Wellen silbern schlagen.
Ich wollt sie lehren leichte Schultern tragen
und freien Sinn in übermüt'gen Brüsten.
Ich stoß ins Horn. Noch einmal. – Doch ich staune:
die Menschen lachen, die ich wecken...
Erich Mühsam
In der trüben Einsamkeit
Späh ich nach der Spur
Jener kurzen, süßen Zeit,
Da ich Glück erfuhr.
Ja, die Wege weiß ich noch,
Und die Spur ist nah.
Aber Schnee liegt spannenhoch,
Wo mein Glück geschah.
Meine Tränen fallen drauf,
Wärmen rings den Ort.
Und der Schnee taut langsam auf,
Und der Schnee schmilzt fort.
Erich Mühsam
Nach all den Nächten, die voll Sternen hingen
Nach all den Nächten, die voll Sternen hingen,
nun diese dumpfe, trübe, nasse Nacht,
als wär die Arbeit aller Zeit vollbracht
und niemals wieder Hoffnung auf Gelingen.
Wohin die Schritte weisen, da das Ziel
ertrank im nebeligen Grau der Wege?
Ich such nur noch, wo ich mich niederlege,
den stillen Platz. Verloren ist das Spiel.
Ich höre vieler Menschen Schritte tasten –
verirrte Menschen, einsam, müd und arm –
und keiner weiß, wie wohl ihm wär und...
Erich Mühsam
Ich will alleine ...
Ich will alleine über die Berge gehn,
und keiner soll von meinen Wegen wissen;
denn wer den Pfad zu meinen Höhn gesehn,
hat mich von meinen Höhn herabgerissen.
Ich will alleine über die Berge gehn,
mein Lied soll ungehört am Fels verklingen,
und meine Klage soll im Wind verwehn; –
nur wer dem eignen Herzen singt, kann singen; –
nur wer dem eigenen Herzen klagt, kann klagen;
nur wer das eigne Herz erkennt, kann sehn. –
Hinauf zu mir! Ich will der Welt entsagen,
und...
Erich Mühsam
Ich bin ein Pilger ...
Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt;
der Feuer sieht und weiß nicht, wo es brennt;
vor dem die Welt in fremde Sonnen rennt.
Ich bin ein Träumer, den ein Lichtschein narrt;
der in dem Sonnenstrahl nach Golde scharrt;
der das Erwachen flieht, auf das er harrt.
Ich bin ein Stern, der seinen Gott erhellt;
der seinen Glanz in dunkle Seelen stellt;
der einst in fahle Ewigkeiten fällt.
Ich bin ein Wasser, das nie mündend fließt;
das tauentströmt in Wolken sich...
Erich Mühsam
Angst packt mich an
Angst packt mich an,
Denn ich ahne, es nahen Tage
voll großer Klage.
Komm du, komm her zu mir! –
Wenn die Blätter im Herbst ersterben
und sich die Flüsse trüber färben
und sich die Wolken ineinander schieben –
dann komm, du, komm!
Schütze mich –
stütze mich –
faß meine Hand an.
Hilf mir lieben!
Erich Mühsam
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