Zitate
Geh nach Hause, armer Knabe,
Leg dich nieder, weh verliebt.
Träume von der Himmelsgabe,
Die der Himmel dir nicht gibt.
Träume von den blonden Flechten,
Die du nur als Schnecken siehst.
Hadre mit dem ungerechten
Schicksal, dem kein Glück entsprießt.
Irgendwo ziehn weiche Glieder,
Lippen, süß zum Kuß und rund,
Irgendwen in Liebe nieder. –
Träum den Leib und träum den Mund!
Träumend darfst du dich vergeuden.
Träum in üppiger Phantasie
Deiner Liebe letzte Freuden. –
Träume, Freund, enttäuschen nie.
Erich Mühsam
Wem kann ich klagen,
Der mit mir fühlt?
Wem kann ich sagen,
Was in mir wühlt?
Jedem frißt sein eigenes
Leid in den Säften.
Manche verschweigen es.
Einige zeigen es.
Aber die Menge vergißt's in Geschäften.
Nur wer uns liebt,
Wird mit uns teilen.
Liebe vergibt,
Liebe kann heilen.
Ich schaue zurück:
Einst durfte ich lieben.
Doch all mein Glück
Ist Stück für Stück
Am Wege geblieben.
Erich Mühsam
Dies ist der Erde Nacht,
Und Regen fällt hernieder.
Ich habe meine Lieder
Und Taten nicht vollbracht.
Die Welt ist voll Verdruß.
Kein Stern scheint meinem Wege.
Wenn ich mich niederlege,
Erwartet mit kein Kuß.
Rings schlafen weit im Kreis
Die Menschen frei von Qualen.
Die ersten Sonnenstrahlen
Erwecken Not und Schweiß.
Vielleicht zeigt mir ein Traum
Mein Glück und das der Erde.
Ob er je Wahrheit werde, –
Ich wag's zu hoffen kaum.
Erich Mühsam
Ich wollt das Lied des Herzens nicht verschweigen
Ich wollt das Lied des Herzens nicht verschweigen.
Ich wollt es jubelnd zu den Menschen schmettern,
die bleich am Baume der Erkenntnis klettern,
das Glück vermutend in den kahlen Zweigen.
Ich wollt sie rufen zu den breiten Küsten,
an die des Meeres Wellen silbern schlagen.
Ich wollt sie lehren leichte Schultern tragen
und freien Sinn in übermüt'gen Brüsten.
Ich stoß ins Horn. Noch einmal. – Doch ich staune:
die Menschen lachen, die ich wecken...
Erich Mühsam
In der trüben Einsamkeit
Späh ich nach der Spur
Jener kurzen, süßen Zeit,
Da ich Glück erfuhr.
Ja, die Wege weiß ich noch,
Und die Spur ist nah.
Aber Schnee liegt spannenhoch,
Wo mein Glück geschah.
Meine Tränen fallen drauf,
Wärmen rings den Ort.
Und der Schnee taut langsam auf,
Und der Schnee schmilzt fort.
Erich Mühsam
Sei's in Jahren, sei's schon morgen,
Daß das Glück sich wende:
Einmal nehmen Leid und Sorgen
Sicherlich ein Ende.
Mensch, vertraue deinem Wollen,
Wirk es aus zu Taten!
Ströme fließen, Wolken rollen,
Frucht entkeimt den Saaten.
Über Nöten und Gefahren
Wird die Freude thronen –
Sei's schon morgen, sei's in Jahren
Oder in Äonen.
Erich Mühsam
Was ist der Mensch? Ein Magen, zwei Arme,
Ein kleines Hirn und ein großer Mund,
Und eine Seele – daß Gott erbarme! –
Was muß der Mensch? Muß schlafen und denken,
Muß essen und feilschen und Karren lenken,
Muß wuchern mit seinem halben Pfund.
Muß beten und lieben und fluchen und hassen,
Muß hoffen und muß sein Glück verpaßen
Und leiden wie ein geschundener Hund.
Erich Mühsam