Zitate
Der Instinkt für den richtigen Moment hat ihn auf dem Spielfeld und im Leben bislang nicht verlassen. Fast ein Jahr lang kreisten die Gerüchte um sein viertes, ein uneheliches Kind. Klatschblätter boten 30 000 Mark für ein Foto, Karikaturen zeigten ihn schon mit Babyschnuller, in der Bayern-Kabine wurde er als "der Kindsvater" verspottet.
DIE ZEIT
Anders als Boris Becker hat Beckenbauer nie die Intellektuellen fasziniert; ihm fehlt die Ambivalenz, der Wechsel zwischen Triumph und Absturz, Jungenhaftigkeit und Größenwahn, der selbstzerstörerische Ehrgeiz. Um keinen Job habe er sich gedrängt, aber er könne einfach nicht nein sagen, erzählen gute Freunde.
DIE ZEIT
"Er könnte sogar das einzige PDS-Direktmandat in Bayern gewinnen." Oder, wie ein anderes Bonmot sagt, auch Kanzler oder Papst werden. Nur die Reihenfolge müsse er noch festlegen. Das ist mindestens so unheimlich witzig - weil es die Sehnsucht nicht nur der Fußballfans nach der Auflösung des Politischen im Reich der Anekdote zeigt. Und die Bereitwilligkeit des Landes, einem Charmeur der Macht alles durchgehen zu lassen.
DIE ZEIT
Der einzig feste Grund unter Beckenbauers Autorität ist sein fußballerisches Können. Oder jedenfalls die verklärte Erinnerung daran. Das Aushängeschild des deutschen Fußballs spielte ausgesprochen undeutsch - lässig, elegant, verwegen. Daß er mit dem erhabenen Geschlurfe in knapp bemessenen Hosen heute nicht mal in der vierten Liga 20 Meter weit käme, tut seiner Fama keinen Abbruch. Er füllte nicht einfach die Position aus, auf die er gestellt wurde, sondern erfand für sich eine neue: die des...
DIE ZEIT
Im Konglomerat der Macht ist Franz Beckenbauer die einzige schillernde Figur, der "human factor", ein Zwitter zwischen Pausenclown und Volkstribun. Mächtig, weil alle ihn brauchen, denn allein in seiner Nonchalance lebt die Illusion vom unschuldigen Sport weiter. Ohnmächtig, weil er nicht ist ohne die Ausputzer im Hintergrund.
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Auch der designierte DFB-Präsident sieht seinen Sport nicht im Griff des Kaisers, sondern unter dem Druck der Journaille: "Weil Fußball immer eine Hypothese ist. Sie können immer behaupten: Wäre der da und jener weg, ginge es besser. Beweisen kann man das nie." Gelegentliches bajuwarisches Störfeuer trägt Mayer-Vorfelder mit Fassung.
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Vielleicht entschied sich diese deutsche Karriere am Nachmittag des 21. Juni 1986 in Monterrey, Mexiko. Der Spieler Servin verschießt den entscheidenden Strafstoß, Deutschland gewinnt das "WM-Vierelfinale gegen Mexiko im Elfmeterschießen und wird acht Tage später Vizeweltmeister. Hätte Servin getroffen und sein Team noch gewonnen, wäre die Blutgrätsche der deutschen Presse auch an Franz Beckenbauer nicht vorübergegangen. Das aus im Viertelfinale wäre das Ende des Teamchefs Beckenbauer...
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In Wahrheit gibt es den mächtigsten Mann im deutschen Fußball nicht mehr. Es gibt viele Reiche mit größeren und kleineren Potentaten: den DFB und sein Präsidium, die mittlerweile selbständige Bundesliga unter dem ehemaligen Liga-Sekretär Wilfried Straub, das WM-Organisationskomitee mit Fedor Radmann, das Fernsehen, die Rechtevermarkter, an die mancher klamme Verein seine Zukunft verkauft hat, die Spielervermittler, die Reporter, sogar die Eu-Kommission, die über die Arbeitsbedingungen der...
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Peter Handke mag dem und den Deutschen das geflügelte Wort von der Angst des Tormanns beim Elfmeter geschenkt haben - Beckenbauer kann mehr. Ob "Schau'n mer mal" oder "Jo, is denn heut scho Weihnachten?", ob "Rumpelfußball" oder "vogelwilde Mannschaften", die auf einem Fußballplatz nichts verloren hätten - jeder Stuss ein Treffer.
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Mit dem Gesichtserker von Bayern-Vorstopper Katsche Schwarzenbeck oder der Wampe vom kleinen, dicken Torjäger Gerd Müller hätte er diese Werbekarriere nie gemacht. Aber können dieser Dialekt, diese Zähne, diese Figur, diese randlose Brille lügen? Beckenbauer ist nicht nur telegen, bei ihm wird auf wundersame Weise aus der Sprachmüllkippe eine Fundgrube.
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Wer so viel Geld bewegt, darf in Deutschland Schiedsrichter für alle Lebenslagen sein. Ob Seitensprung oder Abseitsfalle - von der Weisheit des Schweigens hat das Orakel von Kitzbühel noch nie gehört. Der Streit um die Spendenaffäre der CDU? "Kleinkrämerisch, ein Krampf." Europa? "Bei der EU sind Politiker zugange, die in ihrem eigenen Land gescheitert sind. Das kann nicht funktionieren. Ich gebe Europa deshalb keine Chance." Das Olympiastadion in München? "Es wird sich doch hoffentlich ein...
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Allzu viele sind bereit, die geringe Halbwertszeit eines kaiserlichen Gedankens als Folge übergroßer Höflichkeit zu entschuldigen. "Er will halt immer eine konkrete, keine diplomatische Anwort geben", sagt Jörg Wontorra, Beckenbauers Golf- und TV-Gesprächspartner. Außerdem könne er sich bei seinem schnellen Ansichtenwechsel ja auf prominente Vorbilder berufen. Hat nicht sogar Adenauer heute hü und morgen hott gesagt?
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Die Fähigkeit zur spielerischen Grenzüberschreitung verlieh dem Künstler im Land der Fußballmalocher Autorität auch als Trainer. Seine Mannschaften waren nicht erfolgreich, weil Beckenbauer ein genialer Taktiger oder fleißiger Analytiker war. Die Generation Klopper, von Augenthaler bis Kohler, lebte in der begründeten Furcht, daß noch der Rentner Beckenbauer sie auf der Grundfläche einer Telefonzelle ausspielen würde.
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