Worte Zitate (Seite 40)
Herbst
Nun kommen die letzten klaren Tage
Einer müderen Sonne.
Bunttaumelnde Pracht,
Blatt bei Blatt.
So heimisch raschelt
Der Fuß durchs Laub.
O du liebes, weitstilles Farbenlied!
Du zarte, umrißreine Wonne!
Komm!
Ein letztes Sonnenblickchen
Wärmt unser Heim.
Da wollen wir sitzen,
Still im Stillen,
Und in die müden Abendfarben sehn.
Da wollen wir beieinander sitzen
In Herbstmonddämmer hinein
Und leise
Verlorene Worte plaudern.
Johannes Schlaf
Ein Samariter
Ist noch ein Rest von Lieb' in dir,
So geize nicht und gieb ihn her;
Die reiche, menschenvolle Welt
Ist ja an Liebe gar so leer.
Auf Märkten biete sie nicht feil,
Auch zu Palästen trag' sie nicht;
Doch tritt dereinst an deinen Weg
Ein still verhärmtes Angesicht –
Dem sprich: Bedarfst du wohl des Oels?
Zeig' deine Wunde, hier mein Krug! –
Und in der Herberg pfleg' ich dein,
Wenn diese Gabe nicht genug.
Ob Dank, ob Undank dir vergilt
Du ziehe stillen Gang's davon,
Daß du ein...
Georg Scheurlin
Dienst – im Dienst! o schlimmes Wort,
Das klingt so starr und frostig;
Die Lieb' ist hin, der Lenz ist fort,
Mein Herz, werd' mir nicht rostig.
Trompete sieht mich traurig an,
Mit Flor ist sie umhangen;
Sie haben den lustigen Fiedelmann
In Käfig eingefangen.
Die schwere Zeit, die schwere Not
Sank lastend auf ihn nieder,
Muß spielen um sein täglich Brot –
Verstummt sind seine Lieder.
Der einst, die Zither leicht im Arm,
Sang an des Rheines Welle,
Schlägt jetzt den Takt – daß Gott...
Joseph Victor von Scheffel
Idyll
Wenn wir um unsern rauhen Tisch,
Genossin, ich und du,
Des Abends traut zusammen sind,
Du häkelst, ich schau zu –
Du plauderst drein erinnerungsvoll
Von deinem ersten Schatz:
Ich lausche deiner Stimme nur,
Versteh nicht Wort noch Satz –
Und freue mich im Herzen drin,
Daß ich um dich geworben –
Was morgen kommt, was heute war,
Ist sanft in mir erstorben.
Ludwig Scharf
Das erste Liebeswort
Das war der süßeste der Laute!
Sie sprach's, das erste Liebeswort;
Im Herzen nun trag ich das traute
Tiefselige Geheimnis fort.
Allein, wo berg' ich meine Wonne,
Daß ich sie wohl behüten mag?
Dein Licht verhülle, läst'ge Sonne!
Verstumme, lärmbewegter Tag!
Weltfern sei meines Glückes Fülle
Begraben, wo sie nichts verrät
Und nur durch Nacht und heil'ge Stille
Des süßen Wortes Nachhall weht.
Adolf Friedrich Graf von Schack
Du willst, daß ich in Worte füge,
was flüchtig ist wie Windeswehn,
und meiner Seele Atemzüge,
die leisen, kannst du nicht verstehn?
Die stille Wonne wie die Klage,
die nur in Geistertönen lallt,
bleibt eine unverstandne Sage,
wenn nicht das Herz ihr widerhallt.
Ihr Sinn ist hin, ihr Laut verklungen,
sobald die Lippe sie erst nennt;
nicht eignet sich für Menschenzungen,
was nur der Himmel weiß und kennt.
Adolf Friedrich Graf von Schack
Ungeweinte Tränen
bedeuten nicht:
Härte
Gefühlsarmut
Abgeklärtheit
Distanz
Kühlheit
...
Sie fließen nicht,
wenn andere sie von mir erwarten.
Selten erst dann,
wenn ich die Türe hinter Euch schließe
und mir der Schmerz des Geschehenen
oder
der Worte
eintritt.
Ungeweinte Tränen –
schmerzvoller als Gelebte!
Alexandra Savnik
Stille Gedichte
Es gibt eine Art von stillen Gedichten,
Die nichts erfinden und nichts berichten,
Die wie mit schlanken, blassen, weichen
Fingern über die Stirn dir streichen,
Die wie ein Hauch mit zagem Wehn
Träumend öffnen der Seele Türen
Und schwebend durch deine Seele gehn,
Worte hauchend im Verwehn,
Die dich jählings zu Tränen rühren.
Hugo Salus
Stilphysiognomik
Wer nie haut grade Hiebe,
wes Wort' und Sätze schleichen
wie spürend schlaue Diebe,
und immer seitab streichen,
Wer niemals wagt zu sagen:
"so ist es" und: "das soll sein",
wer ausweicht schlichten Fragen,
stets will der Vorsicht voll sein,
Wer spricht: "gewisse Leute",
und: "dürfte, möchte, könnte",
statt daß er sich nicht scheute
und uns Gewißheit gönnte,
Wer nie den Punkt will nennen
stets eingehüllt in Duft ist –
glaubt mir, daß der zu kennen
als Schwachkopf oder Schuft ist.
Friedrich von Sallet