Wille Zitate (Seite 81)
Gottes Wille
Du hungerst nach Glück, Eva,
und fürchtest dich den Apfel zu pflücken,
den dein Gott dir verboten hat
vor dreitausend Jahren,
du junges Geschöpf!
Jeden Abend seh ich dich,
wie du die magern Händchen
in deinem einsamen Bette
emporringst zu dem Gott der alten Leute:
Gieb ihn, gieb ihn mir!
Du arme Geduld!
Er hat noch nie die Furchtsamen beglückt,
der alte Gott.
Er gab dir deinen Hunger, deine Hände:
Greif zu und iß – dann dulde!
Richard Fedor Leopold Dehmel
Und man erkennt: Verbindlichkeit ist Leben,
und jeder lebt so völlig wie er liebt:
Die Seele will, was sie erfüllt, hingeben,
damit die Welt ihr neue Fülle gibt.
Bei Tag, bei Nacht umschlingt uns wie ein Schatten
im kleinsten Kreis die große Pflicht:
Wir alle leben vom geborgten Licht
und müssen diese Schuld zurückerstatten.
Richard Fedor Leopold Dehmel
Der Stieglitz
Die Sonne blitzt, ein Distelfeld
belebt die stille Mittagswelt;
im starrgezackten Blättermeer
glühn purpurlockig kreuz und quer
die Blütenköpfe.
Und durch den eisengrauen Busch,
ein bunter Vogel, hupp, hupp, husch,
hüpft durch das wilde Staudenheer,
als ob es ohne Stacheln wär:
ein junger Stieglitz.
Wie wirr, wie wunderlich geschweift!
Ein leichtes Lüftchen kommt und greift
von Blütenspeer zu Blütenspeer
und wirft die Schatten hin und her;
weg ist der...
Richard Fedor Leopold Dehmel
Befreit
Du wirst nicht weinen. Leise, leise
Wirst du lächeln, und wie zur Reise
Geb ich dir Blick und Kuß zurück.
Unsre lieben vier Wände! Du hast sie bereitet,
Ich hab sie dir zur Welt geweitet –
O Glück!
Dann wirst du heiß meine Hände fassen
Und wirst mir deine Seele lassen,
Läßt unsern Kindern mich zurück.
Du schenktest mir dein ganzes Leben,
Ich will es ihnen wiedergeben –
O Glück!
Es wird sehr bald sein, wir wissen's beide.
Wir haben einander befreit vom Leide;
So geb' ich dich der...
Richard Fedor Leopold Dehmel
Frühlingsahnung
Die Felder liegen weiß;
wohin ich schau'
ins fahle Nebelgrau,
scheint Schnee und Eis.
Doch da – ein Sonnenstrahl
bricht durch den Flor
und zieht den Blick empor
mit einem Mal,
und von der Erden
ringt jung ein Duft
sich durch die Luft: –
will's Frühling werden?
Richard Fedor Leopold Dehmel
Hoffe, hoffe! daß auch Ich kann hoffen!
Schleicht der Winter schon in unser Leben,
das noch kaum ein Frühlingsstrahl getroffen?
sahen darum wir den Himmel offen,
daß wir nun zu Grabe sollen streben?!
Glaube, glaube! nimm mir nicht den Segen,
daß ich Einen durch mich glücklich wisse!
Oh, es geht sich schwer auf meinen Wegen:
Schnee und Eis starrt von den Höh'n entgegen,
und im Abgrund gähnen Finsternisse!
Nein! von Liebe will ich Nichts dir sagen!
mußt es selber fühlen, ob die Gluten
dir empor...
Richard Fedor Leopold Dehmel
Himmelfahrt
Schwebst du nieder aus den Weiten,
Nacht mit deinem Silberkranz?
Hebt in deine Ewigkeiten
mich des Dunkels milder Glanz?
Als ob Augen liebend winken:
alle Liebe sei enthüllt!
als ob Arme sehnend sinken:
alle Sehnsucht sei erfüllt –
strahlt ein Stern mir aus den Weiten,
alle Ängste fallen ab,
seligste Versunkenheiten,
strahlt und strahlt und will herab.
Und es treiben mich Gewalten
ihm entgegen, und er sinkt –
und ein Quellen, ein Entfalten
seines Scheines nimmt und bringt
und...
Richard Fedor Leopold Dehmel
Der Aphorismus
Wie manchmal ward ich tief empört
In meinem Sinne durch so manchen -ismus,
Doch heut' greif ich, wenn mich was stört,
Getrost zum blanken Aphorismus.
Und paßt es diesem oder jenem nicht,
Was ich gebracht aus der Erfahrung Schätzen,
So sag ich ihm gelassen ins Gesicht:
Ich will mich wehren, aber nicht verletzen.
Georg Jacob Friedrich Paulus Hermann Dechent
In der grünen Stille
Nun sind wir draußen in der grünen Stille
Und gehen sonder Wille für uns hin.
Nur Blätter sprechen laut um uns mit Sausen.
Es jagt vor uns des Morgenwindes Brausen,
Und Baum und Blätter wollen mit ihm fliehn.
Er ist ein Reiter, einer von den Kühnen,
Und Schatten winken hinter ihm im Grünen.
Vom Haselstrauch und Eichenlaub umgeben
Sind stille Winkel, wo kein Lufthauch geht;
Wo man sich taub hinlegt vom lauten Leben,
Und wo das Gras voll Sommerwärme steht.
Die Meisen zirpen...
Max (Maximilian Albert) Dauthendey
Ein kahler Stein nackt wie ein Knochen
Liegt grinsend auf des Baches Grund,
Die Wasser ziehn ununterbrochen,
Bereden ihn mit schnellem Mund.
Er wird zum Antlitz blaß und düster,
Sieht zu mir auf von Schmerz gespannt,
Der Wellen unnützes Geflüster
Hat einen Namen mir genannt.
Ein tot Gesicht als Stein noch wartet
Auf das was einst mein Mund versprach;
Das Leben hat mit uns gekartet,
Mein Fleisch war stark, der Wille schwach.
Viel Schritte haben sich verloren,
Der Weg ist lang, der Weg ist...
Max (Maximilian Albert) Dauthendey
Und einmal steht das Herz am Wege still
Häuser und Mauern, welche die Menschen überdauern,
Bäume und Hecken, die sich über viele Menschalter strecken,
Dunkel und Sternenheer, in unendlich geduldiger Wiederkehr,
Kamen mir auf den Hügelwegen in der Sommernacht entgegen.
Nach der Farbe von meinen Haaren, bin ich noch der wie vor Jahren,
Nach meiner Sprache Klang und an meinem Gang
Kennen mich die Gelände und im Hohlweg die Felsenwände.
Viele Wünsche sind vergangen, die wie Sterne unerreichbar...
Max (Maximilian Albert) Dauthendey
Weg
Mit dem Monde will ich wandeln:
Schlangenwege über Berge
Führen Träume, bringen Schritte
Durch den Wald dem Monde zu.
Durch Zypressen staunt er plötzlich,
Daß ich ihm entgegengeh.
Aus dem Ölbaum blaut er lächelnd,
Wenn michs friedlich talwärts zieht.
Schlangenwege durch die Wälder
Bringen mich zum Silbersee:
Nur ein Nachen auf dem Wasser,
Heilig oben unser Mond.
Schlangenwege durch die Wälder
Führen mich zu einem Berg.
Oben steht der Mond und wartet,
Und ich steige leicht empor.
Theodor Däubler
Zorn
Beschüttet mich mir eurem Haß und Spotte
Und scheltet und verdammt: ich trag' es gern;
Doch meiner Seele Heiligtum und ihrem Gotte,
Unfreundliche Bedränger, bleibet fern!
Ja, raubt sie mir, des Lebens schönste Stunden,
Zerstört, was ihr nicht kennt: ein heißes Glück;
Jedoch vor dem, was ich so wahr empfunden,
Verstummt und weicht gesenkten Blicks zurück!
Ich will sie freudig tragen, all die Schrecken,
Die mir gescheh'n nach eures Willen Lauf,
Doch wagt ihr's, lästernd meinen Zorn zu...
Therese Dahn
Lebensdrang
Zerre nicht ferner am bergenden Schleier,
Hüllt sich in Dunkel doch ewiges Sein!
Ladet das Leben zur bunten Feier,
Thörichtes Herz, uns nicht lockend ein?
Heija! erschließen dem werbenden Rausche
Will ich Gedanken und alles, was mein:
Nimm mich dahin im heiligen Tausche,
Schönste Wahrheit ist: Mensch zu sein.
Therese Dahn
Weheschrei
Ich kann nicht mehr! Kann nicht mehr ringen
Mit mir, mit Schicksal, Gott und Welt.
Dies totgequälte Herz will springen:
Zu stark die Sturmflut, die es schwellt.
O hätt' ich einen Freund! nur einen!
Er sollte mir ja helfen nicht:
Möcht' nur an einem Herzen weinen
Noch einmal, eh' das meine bricht.
Felix Dahn