Wille Zitate (Seite 71)
Wer aber heuchelnd nur nach Täuschung ringet,
Wer scheinen will, nicht sein, der sucht zu blenden,
Und weil er Wahrheit nie zur Lüge zwinget,
Muß er sich lüstern zur Gemeinheit wenden.
Ja, sie ist feil! Wenn man ihr Opfer bringet,
Wird sie ihr feiles Lob vergänglich spenden;
Doch nichtig bleibt ihr Sinnen und ihr Trachten,
Im eig'nen Herzen muß sie sich verachten.
Karl von Holtei
Lebenslauf
Größeres wolltest auch du, aber die Liebe zwingt
all uns nieder, das Leid beuget gewaltiger,
doch es kehret umsonst nicht
unser Bogen, woher er kommt!
Aufwärts oder hinab! herrschet in heilger Nacht,
wo die stumme Natur werdende Tage sinnt,
herrscht im tiefesten Orkus
nicht ein Grades, ein Recht noch!
Dies erfuhr ich. Denn nie, sterblichen Meistern gleich,
habt ihr Himmlischen, ihr Alleserhaltenden,
daß ich wüßte, mit Vorsicht
mich des ebenen Pfads geführt.
Alles prüfe der Mensch,...
Johann Christian Friedrich Hölderlin
Der Frühling
Es kommt der neue Tag aus fernen Höhn herunter,
Der Morgen der erwacht ist aus den Dämmerungen,
Er lacht die Menschheit an, geschmückt und munter,
von Freuden ist die Menschheit sanft durchdrungen.
Ein neues Leben will der Zukunft sich enthüllen,
Mit Blüten scheint, dem Zeichen froher Tage,
Das große Tal, die Erde sich zu füllen,
Entfernt dagegen ist zur Frühlingszeit die Klage.
Johann Christian Friedrich Hölderlin
Wie dürftig scheint dem Menschen das Gelücke.
Die Dornen pflastern seine Bahn,
er spürt mehr Blitz als Sonnenblicke
und rührt gar selten Rosen an.
Die Wiege blüht nicht ohne heiße Tränen.
die Jugend lernt mit Fallen gehn.
Sie muß sich halb verbrennen, halb versehnen
und zwischen Sturm und wilden Klippen stehn.
Wir betten uns auf Dornen und auf Spitzen
und stören unsre Ruh und Lust.
Läßt uns der Feind gleich sicher sitzen,
so tobt der Feind in unsrer Brust.
Die größte Not wächst uns aus eignen...
Christian Hofmann von Hofmannswaldau
Ich will den Schatten einziger Geschicke
Groß an den Boden der Gedichte legen,
Der jungen Helden ungeheure Blicke
Und andre Götter, die den Sinn bewegen:
Dann sollst du über ihren Rand dich neigen
Und völlig hingegeben jenen Werken
Spät nur dein gleitend Bild darin bemerken
Mit einem wundervoll erschrocknen Schweigen.
Hugo von Hofmannsthal
Mache, daß ich so fest vereinigt werde mit Dir:
Wie ein Siegel mit dem Briefe, daß, wenn man das Siegel
herunterhaben will, man den Brief mit zerreißen muß;
daß, wenn ich von Dir getrennt werden sollte,
man uns eben zerreißen müßte,
daß uns auch kein Todesbann ewiglich mehr trennen kann.
So setze mich einmal auf Dein Herz!
So nimm mich auf Deinen Arm!
Umfasse mich nicht nur, sondern halte mich!
Grabe dich ein! Bleibe hängen!
Laß mich nicht wieder los!
Hugo von Hofmannsthal
Karfreitag
Karfreitags Krone. Heldenkönig! Einsames Haupt.
Verstoßen. Erheben
Die feige Flucht verdammender Hände.
Ein suchender führender Quell.
Wenn ich erhöht sein werde, will ich alle zu mir ziehen.
Und die Welt, die schwere Welt, die leichtsinnschwere Welt,
Fast schon oben, reißt ab, eine Wunde reißt auf,
Der Seele, Wunde des Leibes, Wunde des Todes:
Vater verzeihe ihnen, sie wissen nicht, was sie tun.
Zum schmerzlichen Hohn der Dornenkrone
Fallen kühlende Tropfen fühlender Größe.
Dem...
Peter Hille
Ach, wer versteht sein eigen Herz!
Ein Rätsel ist dir's, in die Brust geschaffen;
Heute schwer wie ein Berg von Erz,
Will es dich in die Tiefe raffen;
Morgen aller Schwere entbunden,
Jauchzend lodert es wolkenwärts,
Und dann in gleichgemessenen Stunden
Gelassen trägt es Lust und Schmerz.
Ach, wer beherrscht sein eigen Herz!
Paul von Heyse
Amor und Psyche
Ein Seufzer, der von Mund zu Munde fliegt,
Wenn Seele sich zur Seele innig schmiegt;
Des Herzens Übergang, da leis' und still
Der süße Wort zum Wort nicht werden will,
Das süße Wort zum Wort nicht werden kann:
Verloren schauen sich zwei Seelen an
Und schöpfen in der Gottheit reinstem Quell
Gedanken, Wünsche, Blicke zart und hell;
Der Hauch, der dann das Leben süß verlängt,
Der Atem, der den Busen aus sich drängt,
Der Augenblick, der Ewigkeit Genuß,
Der Engel reinste Wollust...
Johann Gottfried von Herder
Nenne nicht das Schicksal grausam,
Nenne seinen Schluß nicht Neid;
Sein Gesetz ist ew'ge Wahrheit,
Seine Güte Götterklarheit,
Seine Macht Notwendigkeit.
Blick umher, o Freund, und siehe
Sorgsam, wie der Weise sieht!
Was vergehen muß, vergehet,
Was bestehen kann, bestehet,
Was geschehen will, geschieht!
Johann Gottfried von Herder
Lebensbrot
Gib es nicht den Vielen,
Sie verstehen's selten:
Flug zu feinsten Zielen
Lassen sie nicht gelten.
Plump ins Auge springen
Muß, wozu sie drängen,
An den Außendingen
Bleibt ihr Wille hängen.
Messen alle Gabe
Nach der Gier der Meisten,
Wähnen, alles trabe
Nach gemeinem Leisten.
Mögen's nie erfassen,
Daß die Himmelskronen
Sich erringen lassen
Nur durch Höllenzonen.
Daß ein köstlich Winken,
Süß wie Frauenkosen,
Mild wie Sternenblinken,
Liegt im Absichtslosen.
Daß die tiefen...
Karl Henckell
Im Weitergehn
Was melden deine Lieder nur
Als über dir der Wipfel Wehn
Und deiner Schritte Wanderspur
Im Weitergehn?
Was überraschend dich entzückt,
Und hast es hundertmal gesehn,
Was deine Hand aus Liebe pflückt
Im Weitergehn.
Uralte Lust will sich erneun,
Im Liede staunend auferstehn –
So laß dir goldne Wunder streun
Im Weitergehn!
Karl Henckell