Wille Zitate (Seite 60)
Das waren Tage Michelangelo's,
von denen ich in fremden Büchern las.
Das war der Mann, der über einem Maß,
gigantengroß,
die Unermeßlichkeit vergaß.
Das war der Mann, der immer wiederkehrt,
wenn eine Zeit noch einmal ihren Wert,
da sie sich enden will, zusammenfaßt.
Da hebt noch einer ihre ganze Last
und wirft sie in den Abgrund seiner Brust.
Die vor ihm hatten Leid und Lust;
er aber fühlt nur noch des Lebens Masse
und daß er Alles wie ein</em> Ding umfasse, –
nur Gott bleibt über seinen...
Rainer Maria Rilke
Das Lied der Bildsäule
Wer ist es, wer mich so liebt, daß er
sein liebes Leben verstößt?
Wenn einer für mich ertrinkt im Meer,
so bin ich vom Steine zur Wiederkehr
ins Leben, ins Leben erlöst.
Ich sehne mich so nach dem rauschenden Blut;
der Stein ist so still.
Ich träume vom Leben: das Leben ist gut.
Hat keiner den Mut,
durch den ich erwachen will?
Und werd ich einmal im Leben sein,
das mir alles Goldenste giebt, –
so werd ich allein
weinen, weinen nach meinem Stein.
Was hilft mir mein Blut,...
Rainer Maria Rilke
Vor lauter Lauschen und Staunen sei still.
Du mein tieftiefes Leben;
Daß du weißt, was der Wind dir will.
Eh noch die Birken beben.
Und wenn dir einmal das Schweigen sprach,
Laß deine Sinne besiegen.
Jedem Hauche gib dich, gib nach,
Er wird dich lieben und wiegen.
Und dann, meine Seele, sei weit, sei weit.
Daß dir das Leben gelinge,
Breite dich wie ein Feierkleid
Über die sinnenden Dinge.
Rainer Maria Rilke
Verblühst du schon?
Du verblühst schon, holde Rose,
weckt dich nicht der Sonne Strahl?
O, du liebe, kleine, lose,
o, erblühe noch einmal!
Einmal öffne noch die Hülle,
sieh, ich will bescheiden sein,
einmal lass mich noch der Fülle
deines Glanzes voll erfreun!
Willst das Köpfchen nicht mehr heben?
Senkst die Blätter welk und fahl?
Ach! es wird ja Lenz im Leben
nur ein einzig, einzig Mal!
Rainer Maria Rilke
Die Nacht holt heimlich durch des Vorhangs Falten
Aus deinem Haar vergeßnen Sonnenschein.
Schau, ich will nichts, als deine Hände halten
und still und gut und voller Frieden sein.
Da wächst die Seele mir, bis sie in Scherben
den Alltag sprengt; sie wird so wunderweit:
An ihren morgenroten Molen sterben
die ersten Wellen der Unendlichkeit.
Rainer Maria Rilke
Der Apfelgarten
Borgeby-Gård
Komm gleich nach dem Sonnenuntergange,
sieh das Abendgrün des Rasengrunds;
ist es nicht, als hätten wir es lange
angesammelt und erspart in uns,
um es jetzt aus Fühlen und Erinnern,
neuer Hoffnung, halbvergessnem Freun,
noch vermischt mit Dunkel aus dem Innern,
in Gedanken vor uns hinzustreun
unter Bäume wie von Dürer, die
das Gewicht von hundert Arbeitstagen
in den überfüllten Früchten tragen,
dienend, voll Geduld, versuchend, wie
das, was alle Maße...
Rainer Maria Rilke
Ich fürchte mich so vor der
Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich
aus:
Und dieses heißt Hund und
jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das
Ende ist dort.
Mich bangt auch ihr Sinn,
ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und
war;
kein Berg ist ihnen mehr
wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade
an Gott.
Ich will immer warnen und
wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so
gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr
und stumm.
Ihr bringt mir alle...
Rainer Maria Rilke
Kerzenlicht
Ein flackernd kleines Kerzenlicht,
das Frieden reflektiert,
im rosaroten Kerzenwachs,
das seine Form verliert,
in Tropfen, die den Tränen gleich
erstarrt in seiner Spur,
erhellt und wärmt es da und dort
für wenig Stunden nur;
verbindet uns in Freud und Leid
ist Trost in vielen Händen
will dir und mir zur rechten Zeit
ein leuchtend Lächeln spenden.
Ingrid Riedl
Gut gekocht.
Schneiden, Hacken, Hobeln, Rühren
bunte Vielfalt - zum Garnieren
und das Würzen mit Gefühl
ist der Countdown - ja das Ziel.
Um die Gäste zu verwöhnen
will der Koch die Speisen krönen,
sie mit Liebe zubereiten,
bis sie auf den Teller gleiten.
Ein Gourmet liebt noble Speisen,
Fleischgerichte gut zum Beißen,
das Gemüse knackig, frisch,
am gedeckten Essenstisch.
Ingrid Riedl
Die letzten Worte des verrückten Dichters:
"Ihr seid die Ameisen. Ich bin der Wille.
Ihr seid die Reisenden. Ich bin die Grille.
Ihr seid die Herrlichen. Ich bin das Eben.
Ihr seid die Lachenden. Ich nur das Schweben.
Ihr habt das Göttliche. Ich bin der Segen.
Für alles wörtliche. Nun – meinetwegen!"
Wolfgang J. Reus
Ostereier
Deko-Künstler Gottlieb Meier
dekoriert heut' Ostereier.
Tönt zunächst den Kalk der Schale,
das er ihn hernach bemale
kräftig oder auch dezent
mit dem Oster-Ornament.
Doch die Kunst ist sehr vergänglich.
Sonntagmorgen schält umfänglich
die Familie von Herrn Meier
all die schönen Ostereier.
Nach dem Fest, wenn man so will:
Schalen samt Dekor im Müll!
Klaus Reißig