Wille Zitate (Seite 54)
Beginn des Endes
Ein Punkt nur ist es, kaum ein Schmerz,
Nur ein Gefühl, empfunden eben;
Und dennoch spricht es stets darein,
Und dennoch stört es dich zu leben.
Wenn du es andern klagen willst,
so kannst du's nicht in Worte fassen.
Du sagst dir selber: »Es ist nichts!«
Und dennoch will es dich nicht lassen.
So seltsam fremd wird dir die Welt,
Und leis verläßt dich alles Hoffen,
Bis du es endlich, endlich weißt,
Daß dich des Todes Pfeil getroffen.
Theodor Storm
Schon ins Land der Pyramiden
Flohn die Störche übers Meer;
Schwalbenflug ist längst geschieden,
Auch die Lerche singt nicht mehr.
Seufzend in geheimer Klage
Streift der Wind das letzte Grün;
Und die süßen Sommertage,
Ach, sie sind dahin, dahin!
Nebel hat den Wald verschlungen,
Der dein stillstes Glück gesehn;
Ganz in Duft und Dämmerungen
Will die schöne Welt vergehn.
Nur noch einmal bricht die Sonne
Unaufhaltsam durch den Duft,
Und ein Strahl der alten Wonne
Rieselt über Tal und Kluft.
Und es...
Theodor Storm
Begrabenes Glück
Mitunter weicht von meiner Brust,
Was sie bedrückt seit deinem Sterben;
Es drängt mich, wie in Jugendlust,
Noch einmal um das Glück zu werben.
Doch frag' ich dann: was ist das Glück?
So kann ich keine Antwort geben,
Als die, daß du mir kämst zurück,
Um so wie einst mit mir zu leben.
Dann seh' ich jenen Morgenschein,
Da wir dich hin zur Gruft getragen;
Und lautlos schlafen die Wünsche ein,
Und nicht mehr will ich das Glück erjagen.
Theodor Storm
Geflüster der Nacht
Es ist ein Flüstern in der Nacht,
Es hat mich ganz um den Schlaf gebracht;
Ich fühl's, es will sich was verkünden
Und kann den Weg nicht zu mir finden.
Sind's Liebesworte, vertrauet dem Wind,
Die unterwegs verwehet sind?
Oder ist's Unheil aus künftigen Tagen,
Das emsig drängt sich anzusagen?
Theodor Storm
Die Wacht am Rhei, – merr hat kää Ruh,
Merr heert se alsfort brille.
Mer wille's ja, zum Deiwel zu,
Un ääch um Gotteswille.
Heint Nacht um Zwelf erscht schlaf ich ei,
Da stolpern Zwää voriwwer
Und brille laut die Wacht am Rhei,
So daß ich uffwach driwwer.
Ich haw en ääch mein Dank gezollt:
Ihr Männer ihr, Ihre brave!
Wacht ihr am Rhei, so viel derr wollt,
In Frankfort laßt mich schlafe!
Friedrich Stoltze
An die Natur
Süße, heilige Natur,
Laß mich geh'n auf deiner Spur,
Leite mich an deiner Hand
Wie ein Kind am Gängelband!
Wenn ich dann ermüdet bin,
Sink' ich dir am Busen hin,
Atme süße Himmelslust
Hangend an der Mutterbrust.
Ach! wie wohl ist mir bei dir!
Will dich lieben für und für;
Laß mich geh'n auf deiner Spur,
Süße, heilige Natur!
Friedrich Leopold Graf zu Stolberg-Stolberg
Letztes Lied
Liebte dich, liebte dich
Innig und treu;
Röslein im Tod verblich;
Hin ist der Mai.
Hin ist Hin!
Tot ist tot!
Lebe wohl, lebe wohl!
Mein Mädchen mild.
In meinem Busen soll
Nie verglühn dein Bild.
Hin ist Hin!
Tot ist tot!
Schlummre still, schlummre still,
Ewig hinfür.
Ich auch bald ruhen will,
Ruhen bei dir.
Hin ist Hin!
Tot ist tot!
Adalbert Stifter
Heimliche Liebe
Es ist genug der Hände Drücken
Der Füße Tritt, der Augen Nicken,
Wenn, Liebchen, wir bei Leuten sind.
Hör' auf mit weitern Liebeswerken;
Man will es fast zu deutlich merken,
Daß wir uns lieben, gutes Kind.
Sind wir dann insgeheim beisammen,
So lüste frei die heißen Flammen;
Bin ich doch, Närrchen, allzeit dein.
Dann können wir uns satt ja küssen
Und, was wir je zuweilen missen,
Mit Wucher bringen wieder ein.
Karl Stieler
Das ist wohl eine alte Lehr'
Das ist wohl eine alte Lehr'
Die kommt von langen Tagen her:
Wer Minne will genießen,
Muß Lust mit Leiden büßen.
Und wer die Minne erst erstand,
Der trug wohl vieles Leid ins Land,
Daran die Herzen kranken
Und das sie doch ihm danken.
Denn hätt' ich niemals dich geseh'n
Und müßt' an dir vorübergeh'n
Und dürfte dich nicht lieben –
Wie arm wär' ich geblieben.
Karl Stieler
Abendgang
Abendschatten füllt die Weite,
Abendfriede füllt die Welt;
Und ich zieh an deiner Seite
Durch das kühle, grüne Feld.
Wortlos und mit sachtem Schritte,
Deingedenkend, wie du mein,
Ohne Wunsch und ohne Bitte,
Will ich ganz dein eigen sein.
Wellen ziehn mit leisen Tönen,
Vöglein ziehn mit leisem Flug,
Und durch unser Herz zieht Sehnen,
Haben wir nicht Glück genug?
Jugendglück im reifern Innern,
Liedertrost, der selig labt,
Und im Alter dies Erinnern,
Wie wir einst uns lieb gehabt?
Karl Stieler
Das Leben ach! – O Mutter, bleib am Leben!
Spinn noch dies schöne alte Märchen fort
und teil mit uns, was du uns ja gegeben.
Es ist so traut im alten Lehnstuhl dort,
wenn ich die Hände leg' in deine Hände,
wenn sich dein Herz auf alte Zeiten besinnt;
o sag: Noch ist das Märchen nicht zu Ende –
und ich will lauschen – wie ein selig Kind.
Karl Stieler
Reinigung
Lösche alle deine Tag' und Nächte aus!
Räume alle fremden Bilder fort aus deinem Haus!
Laß Regendunkel über deine Schollen niedergehn!
Lausche: dein Blut will klingend in dir auferstehn! –
Fühlst du:
schon schwemmt die starke Flut dich neu und rein,
Schon bist du selig in dir selbst allein
Und wie mit Auferstehungslicht umhangen –
Hörst du: schon ist die Erde um dich leer und weit
Und deine Seele atemlose Trunkenheit,
Die Morgenstimme deines Gottes zu umfangen.
Ernst Maria Richard Stadler
Ein Weib verschmäht oft, was sie gern erblickt:
Die Neigung wird recht heiß, die anfangs kalt;
Wenn sie erst zürnt, ist's nicht, weil sie euch haßt,
Sie will, daß Lieb' euch tiefer erst erfaßt.
Schickt sie euch fort, das heißt nicht, ihr sollt gehn:
Die Närrchen werden wild, läßt man sie stehn.
Nehmt keinen Korb an, was immer sie sage,
Denn »pack dich« bedeutet sicher »wage«.
Lobt, schmeichelt, preist, vergöttert ihre Mängel;
Wie schwarz sie sei'n, vergleicht sie mit einem Engel.
Ein Mann,...
William Shakespeare
Was Brot dem Leibe, bist du meiner Seele,
was dürrer Saat der Regen, bist du mir,
der ich um deine Ruh mich rastlos quäle
wie es dem Geizhals geht mit seiner Gier.
Bald möcht' ich prahlend meinen Schatz genießen,
bald zittre ich, daß die Zeit ihn bald mir stiehlt;
bald wünsche ich, ganz mit dir mich einzuschließen,
bald, daß mein Glück sich aller Welt empfiehlt.
Bald schwelgt mein Blick in deiner Schönheit Fülle,
um bald nach deinem Blicke zu verschmachten,
und keine andre Lust bleibt Wunsch...
William Shakespeare