Wille Zitate (Seite 15)
Letzte Bitte
Du sagst mir kalt, ich soll dich meiden,
Weil ich zu hoffen nichts mehr habe –
Ich fühl' es längst und will auch scheiden,
Doch bitt' ich noch um eine Gabe.
Gib mir dein Bild! In seine Züge
Will dichten ich ein Herz hinein,
Und durch der Dichtung holde Lüge
Doch in der Ferne glücklich sein.
Karl Zettel
Das Klavier
Süßertönendes Klavier,
Welche Freuden schaffst du mir!
In der Einsamkeit gebricht
Mir es an Ergötzen nicht;
Du bist, was ich selber will,
Bald Erweckung und bald Spiel.
Scherz ich, so ertönet mir
Ein scherzhaftes Lied von dir;
Will ich aber traurig sein,
Klagend stimmst du mit mir ein;
Heb ich fromme Lieder an,
Wie erhaben klingst du dann!
Niemals öffne meine Brust
Sich der Lockung falscher Lust!
Meine Freuden müssen rein,
So wie meine Saiten sein,
Und mein ganzes Leben nie
Ohne...
Christian Felix Weiße
Goldherbst
Goldherbst,
so lange du es bist,
der Blätter färbt,
sei mir willkommen!
Streu bunte Zettel
auf die Welt
mit deiner Botschaft,
streich zärtlich über Wälder hin,
laß mich mit dir
zur Schönheit fliehn,
zum großen Farbengarten!
Noch gibt es Leben
auf den Feldern,
noch wärmt die Sonne
mein Gesicht.
Noch will ich wandern,
horchen, staunen;
nur sterben – nein,
will ich noch nicht.
Ingrid Streicher
Letzte Wonne
Du kennst die letzte Wonne nicht,
O Weib, und wirst sie nie ergründen:
In deinen Augen glüht ein Licht,
Das will nicht wärmen, will nur zünden!
Wohl ist es süß, wenn ohne Laut,
Wenn glutverzehrt von Qual und Hoffen,
Ein Menschenaug' in deines schaut,
Vom Blitzstrahl deines Blicks getroffen;
Doch weißt du nicht, wie süß das ist:
In jener Liebe sich ergeben,
Die liebend ihrer selbst vergißt
Und wähnt, ein Wunder zu erleben !
Die selig sich gestehen kann:
Ich schmied' aus Schönheit...
Karl Stieler
Wenn ich den Tag schon opfre doch
Rein nur Vergnügens Sachen,
So will ich wenigst' abends noch
Ein klein Plaisir mir machen.
Ich bitt' du mußt nun hier vor all'n
Auf jeden Scherz verzichten;
Am Tage nämlich tu ich mal'n,
Und abends tu ich dichten.
Ich dicht' auch emsig jeden Tag,
Nicht ohne ihn zu malen,
Ganz gleich, wenn es zuletzt auch mag
Gar manchem nicht gefallen.
Gehör' zur Zahl der Dutzenddichter
Und will auch für die Zeilen nichts,
Das Honorar in Weis' in schlichter,
Bereits bezahlt...
Carl Spitzweg
Mutterahnung
O Frühlingsmorgen voll Duft und voll Tau,
Voll Vogelgezwitscher und Himmelblau,
Voll herziger Veilchen im schattigen Grün,
Voll süßer Verheißung, voll frohem Erblühn.
Was jauchzest, mein Herz, du so fröhlich drein?
Es kann dieser Frühling dein letzter sein;
Wenn wieder auf Erden es keimen will,
Wohl liegest du unter der Erde still.
Du bist eine Muschel, gering und klein, –
Doch schließest vielleicht eine Perle ein,
Und ruft sie ans Licht ein göttlicher Kuß,
Wer weiß, ob die...
Clotilde von Schwartzkoppen
Entschluß
Und bist du mir auch nicht beschert,
Dein Anschaun sei mir nicht verwehrt.
Ich will's genießen still entsagend,
Kein irdisches Gelüste tragend.
Es sprach zur Sonne einst der Schnee:
»Frau Sonne, laß mich, tust mir weh!«
Sie ging. Doch er ward grau und trübe,
Als fehlte ihm der Strahl der Liebe.
Da rief die Sonne er zurück,
Sie wärmte ihn mit Feuerblick,
Bis daß sein schimmernd Weiß ergraute.
Sie glänzte fort; doch er zertaute.
Du bist die liebe Sonne mir,
Und Wollust ist ein Blick...
Felix Schumann
Stilphysiognomik
Wer nie haut grade Hiebe,
wes Wort' und Sätze schleichen
wie spürend schlaue Diebe,
und immer seitab streichen,
Wer niemals wagt zu sagen:
"so ist es" und: "das soll sein",
wer ausweicht schlichten Fragen,
stets will der Vorsicht voll sein,
Wer spricht: "gewisse Leute",
und: "dürfte, möchte, könnte",
statt daß er sich nicht scheute
und uns Gewißheit gönnte,
Wer nie den Punkt will nennen
stets eingehüllt in Duft ist –
glaubt mir, daß der zu kennen
als Schwachkopf oder Schuft ist.
Friedrich von Sallet
Ultima ratio
Wer mehr, als er verschuldet,
Erlitten und erduldet,
Der ist zuletzt gefeit;
Wie immer er auch wandle,
Wie immer er auch handle:
Geschlichtet ist der Streit.
Denn endlich naht die Stunde,
Wo tief im Herzensgrunde
Die Frage lauter spricht:
Wem ward ein Recht gegeben –
Wer wagt es hier im Leben,
Zu halten ein Gericht?
Ja, was da auch geschehe,
Zum Wohl oder zum Wehe,
Geschieht's nicht, weil es muß?
»Drum will ich siegreich fallen
Mit meinen Wunden allen!«
Ruft dann der Mensch zum...
Ferdinand von Saar
Wiedersehen
Leb' wohl und sehen wir uns wieder,
So schlage du die Augen nieder,
Und gehn will ich an dir vorbei.
Als ob ichs nicht gewesen sei;
Als ob ich nicht es sei gewesen,
Der dir im Aug' einst durfte lesen.
Was würd' ich lesen jetzt darin?
Daß ich dir fremd geworden bin.
Ich wills nicht in dem Auge lesen,
Das einst mein Himmel ist gewesen,
Daß ich daraus verstoßen bin,
Und nie ein Rückweg ist dahin.
Friedrich Rückert
Letzter Schmuck
Ich will, wann ich gestorben werde sein,
Als Blume blühn aus meines Grabes Staube:
Daß, die mich tötet jetzt, mich pflücke fein,
Und Liebe noch einmal mein Leben raube.
Ich will, wann ihre schöne Hand mich pflückt,
Daß sie nicht wisse, wen sie also pflücke;
Daß sie, mit der ich lebend mich geschmückt,
Im Tode doch mit mir einmal sich schmücke.
Friedrich Rückert