Wenn Leben Zitate (Seite 62)
Was ist ein Weib? Die Mutter allen Lebens,
Ein Rosenstrauch, der tausend Knospen trägt,
Der Aufblick jenes edlen kühlen Strebens,
Ein Blumenbeet, das tausend Keime hegt;
Ein stiller See, aus dem die zweite Sonne
So hell, wie die vom Dom des Himmels, grüßt;
Ein lieblich Tal, das zweier Seelen Wonne
Mit seines Friedens süßem Traum umschließt;
Ein milder Sommerhauch in Herbstes Tagen;
Im Winterfrost ein warmer Frühlingsstrahl;
Ein lichter Trost, wenn traurig und zerschlagen
Die Seele ringt in...
Otto Schlapp
Ein' festen Sitz hab' ich veracht't,
Fuhr unstät durch's Revier,
Da fand ich sonder Vorbedacht
Ein lobesam Quartier.
Doch wie ich in der Ruhe Schoß
Sänftlich zu sitzen wäh'n,
Da bricht ein Donnerwetter los!
Muß wieder wandern geh'n.
All' Jahr wächst eine and're Pflanz'
Im Garten, als vorher!
Das Leben wär' ein Narrentanz!
Wenn's nicht so ernsthaft wär'!
Joseph Victor von Scheffel
Nacht, wie bist du lang und bange,
Wenn sich auf den müden Mann nicht
Mit dem Schatten auch der Schlummer
Und der Traum herniedersenkt.
Rastlos graben die Gedanken
In dem Schutte des vergangnen,
Alten Lebens Trümmer wühlen
Sie hervor, doch nirgends fröhlich
Haftet drauf der Blick, er schaut nur
Dunkle, trübgespenst'ge Bilder,
Ihnen fehlt des Tages Sonnlicht.
Unerquickt dann in die Ferne
Schweift der Geist dess', dem der Schlaf fehlt,
Schmiedet Pläne, faßt Entschlüsse,
Baut sich...
Joseph Victor von Scheffel
Am Morgen
Vögel wecken mich mit ihrem Gezwitscher
und singen mir ihr Lied vom Leben:
"Wach auf, wach auf,
erheb dich in die Lüfte und flieg davon!
Laß dich tragen und schwebe.
Wenn dir danach ist, so laß dich nieder,
um dich immer wieder empor zu schwingen
und dein Lied zu singen."
Helga Schäferling
Wie wenn im frost'gen Windhauch tödlich
des Sommers letzte Blüte krankt,
und hie und da nur, gelb und rötlich,
ein einzeln Blatt im Windhauch schwankt,
so schaudert über meinem Leben
ein nächtig trüber kalter Tag,
warum noch vor dem Tode beben,
o Herz, o Herz, mit deinem ew'gen Schlag!
Sieh rings entblättert das Gestäude!
Was spielst du, wie der Wind am Strauch,
noch mit der letzten welken Freude?
Gib dich zur Ruh, bald stirbt sie auch.
Adolf Friedrich Graf von Schack
Reinheit
Schelte man doch nicht den Dichter,
Wenn auch er zuweilen sinkt,
Und wie anderes Gelichter
Aus des Lebens Pfütze trinkt.
Reiner nur in Gegensätzen,
Heller tönt empor sein Lied;
Nimmer weiß das Licht zu schätzen,
Wer das Dunkel stets vermied.
Wie ihn auch sein Wipfel kröne,
Wurzelt doch in Nacht und Stamm –
Und der Lilie keusche Schöne
Blühet aus des Teiches Schlamm!
Ferdinand von Saar
Wie mit ungehemmtem Schritt
Wechseln Tag und Leben,
Nimmt der Wechsel dich auch mit,
Wandelt sich dein Streben.
Holde Züge, Melodie'n
Zaubrisch einst ergreifend,
Läßt du kühl vorüber ziehn,
Kaum die Seele streifend.
Was dein Wesen einst berückt,
Was dein Herz bereute,
Blüthen sind's, im Lenz gepflückt,
Die der Wind zerstreute.
Wenn zu lächeln dir...
Otto Roquette
An meinen Lehrer
Ich war nicht einer deiner guten Jungen.
An meinem Jugendtrotz ist mancher Rat
Und manches wohlgedachte Wort zersprungen.
Nun sieht der Mann, was einst der Knabe tat.
Doch hast du, alter Meister, nicht vergebens
An meinem Bau geformt und dich gemüht.
Du hast die besten Werte meines Lebens
Mit heißen Worten mir ins Herz geglüht.
Verzeih, wenn ich das Alte nicht bereue.
Ich will mich heut wie einst vor dir nicht bücken.
Doch möcht ich dir für deine Lehrertreue
nur einmal...
Joachim Ringelnatz
Eros
Masken! Masken! Daß man Eros blende.
Wer erträgt sein strahlendes Gesicht,
Wenn er wie die Sommersonnenwende
Frühlingliches Vorspiel unterbricht.
Wie es unversehens im Geplauder
Anders wird und ernsthaft… Etwas schrie…
Und er wirft den namenlosen Schauder
Wie ein Tempelinnres über sie.
O verloren, plötzlich, o verloren!
Göttliche umarmen schnell.
Leben wand sich, Schicksal ward geboren.
Und im Innern weint ein Quell.
Rainer Maria Rilke
Das waren Tage Michelangelo's,
von denen ich in fremden Büchern las.
Das war der Mann, der über einem Maß,
gigantengroß,
die Unermeßlichkeit vergaß.
Das war der Mann, der immer wiederkehrt,
wenn eine Zeit noch einmal ihren Wert,
da sie sich enden will, zusammenfaßt.
Da hebt noch einer ihre ganze Last
und wirft sie in den Abgrund seiner Brust.
Die vor ihm hatten Leid und Lust;
er aber fühlt nur noch des Lebens Masse
und daß er Alles wie ein</em> Ding umfasse, –
nur Gott bleibt über seinen...
Rainer Maria Rilke
Der Apfelgarten
Borgeby-Gård
Komm gleich nach dem Sonnenuntergange,
sieh das Abendgrün des Rasengrunds;
ist es nicht, als hätten wir es lange
angesammelt und erspart in uns,
um es jetzt aus Fühlen und Erinnern,
neuer Hoffnung, halbvergessnem Freun,
noch vermischt mit Dunkel aus dem Innern,
in Gedanken vor uns hinzustreun
unter Bäume wie von Dürer, die
das Gewicht von hundert Arbeitstagen
in den überfüllten Früchten tragen,
dienend, voll Geduld, versuchend, wie
das, was alle Maße...
Rainer Maria Rilke