Wenn Zitate (Seite 62)
Wenn man dich Engel nennt,
Will's so der Brauch,
Daß du's an Schönheit bist,
Seh' ich wohl auch;
Magst's auch an Güte sein,
Gib und gewähr!
Nur nicht an Heiligkeit
Bitt' ich gar sehr.
Siehst du der Saaten
Wallenden Streif?
Blond sind die Aehren
Und sie sind reif;
Blond wie dein Häuptchen–
's ist an der Zeit,
Schon hält der Schnitter
Die Waffe bereit.
Franz Grillparzer
Wenn aus dem innerst tiefsten Grunde
Du ganz erschüttert alles fühlst,
Was Freud' und Schmerzen jemals dir ergossen,
Im Sturm dein Herz erschwillt,
In Tränen sich erleichtern will
Und seine Glut vermehrt,
Und alles klingt an dir und bebt und zittert,
Und all die Sinne dir vergehn,
Und du dir zu vergehen scheinst
Und sinkst,
Und alles um dich her versinkt in Nacht,
Und du, in inner eigenem Gefühl,
Umfasset eine Welt:
Dann stirbt der Mensch.
Johann Wolfgang von Goethe
Wenn
Ja, hätte mir von Anbeginn
So manches nicht gefehlt,
Und hätt' ich nur mit anderm Sinn
Den andern Weg gewählt,
Und hätt' ich auf dem rechten Pfad
Die rechte Hilf' empfahn
Und so statt dessen, was ich tat,
Das Gegenteil getan,
Und hätt' ich vieles nicht gemußt
Auf höheres Geheiß
Und nur die Hälft' vorher gewußt
Von dem, was heut' ich weiß,
Und hätt' ich ernstlich nur gewollt,
Ja, wollt' ich nur noch jetzt,
Und wäre mir das Glück so hold
Wie manchem, der's nicht schätzt,
Und hätt' ich...
Ludwig Fulda
Wenn Blatt um Blatt herniedertropft
aus fernen Himmeln – leise – leise –
kein Baum und Strauch mehr für sich hofft,
dann naht die letzte, große Reise
aus diesem Land in fremdes Land.
Verstohlen – heimlich in der Nacht
winkt der Gefährte mit der bleichen Hand,
und seines Atems Wehn entführt dich leise.
Carl Peter Fröhling
Wenn ich sterbe
Legt rote Rosen mir um meine Stirne,
Im Festgewande will ich von euch gehn,
Und stoßt die Fenster auf, daß die Gestirne
Mit heiterm Lächeln auf mein Lager sehn.
Und dann Musik! Und während Lieder schallen,
Von Hand zu Hand der Abschiedsbecher blinkt,
Mag mählich über mich der Vorhang fallen,
Wie Sommernacht auf reife Felder sinkt.
Gustav Falke
Wenn eines Menschen Seele du gewonnen
Und in sein Herz hast tief hineingeschaut
Und ihn befunden einen klaren Bronnen,
In dessen reiner Flut der Himmel blaut:
Laß deine Zuversicht dann nichts dir rauben,
Und trage lieber der Enttäuschung Schmerz,
Als daß du grundlos ihm entziehst den Glauben –
Kein größer Glück als ein vertrauend Herz!
Laß adlermutig deine Blicke schweifen
Bis dicht an die Unmöglichkeit heran:
Kannst du des Freundes Thun nicht mehr begreifen,
So fängt der Freundschaft frommer...
Felix Dahn