Welt Zitate (Seite 70)
Auf die liderlichen Versverderber
Ihr ungestimmten Flöten
Verhungerter Poeten,
Pfeift für ein Maß verdorbnes Bier
Der Welt verwegne Possen für!
Geht ungefähr dem Dorf ein Richter ab,
Wie foltert ihr den Kopf durch tiefes Sinnen
Und seid bemüht bei dessen Grab
Durch einen Reim ein Taglohn zu gewinnen.
Für kleines Geld verkauft man große Lügen,
Die Stein und Eisen überwiegen.
Schlaf aus, du träumender Poet!
Suchst du die Toten aufzuwecken,
So mußt du selbst nach Geist und Leben schmecken!
Georg List (auch Lystenius)
Zahn um Zahn
Du kommst zur Welt mit leerem Mund,
dann wächst dir ein Gebiss,
schon bald geht dieses vor den Hund,
doch zweites ist gewiss.
Du nagst dich durch so manchen Dreck,
kaust auch an harten Brocken,
da fällt Gebeiße wieder weg,
du schluckst und bist erschrocken.
Den kahlen Mund ziert bald darauf,
was nachts im Glase schwimmt,
und zähneknirschend fällt dir auf,
bist zahnlos, doch nicht Kind.
Moral:
Ein steiler Zahn warst du dereinst
Mit strahlend weißer Fülle,
egal, wie du auch bleckst...
Ruth W. Lingenfelser
Die Wehmut
Ich hab' einen Haß, einen grimmigen Haß
Und weiß doch selbst nicht recht auf was.
Ich bin so elend, so träge und faul
Wie 'n abgeschundner Ackergaul.
Ich hab' einen bösen Zug im Gesicht.
Mir ist niemand Freund, ich will es auch nicht.
Ich hab' eine Wut auf die ganze Welt.
In der mir nicht mal mehr das Laster gefällt.
Und schimpfe und fluche, ich oller Tor
Und komme mir sehr dämonisch vor.
Alfred Lichtenstein
Aschermittwoch
Gestern noch ging ich gepudert und süchtig
In der vielbunten tönenden Welt.
Heute ist alles schon lange ersoffen.
Hier ist ein Ding.
Dort ist ein Ding.
Etwas sieht so aus.
Etwas sieht anders aus.
Wie leicht pustet einer die ganze
Blühende Erde aus.
Der Himmel ist kalt und blau.
Oder der Mond ist gelb und platt.
Ein Wald hat viele einzelne Bäume.
Ist nichts mehr zum Weinen.
Ist nichts mehr zum Schreien.
Wo bin ich –
Alfred Lichtenstein
Greift zum Becher und laßt das Schelten!
Die Welt ist blind.
Sie frägt, was die Menschen gelten,
Nicht, was sie sind!
Uns aber laßt zechen und krönen
Mit Laubgewind
Die Stirnen, die noch dem Schönen
Ergeben sind!
Und bei den Posaunenstößen,
Die eitel Wind,
Laßt uns lachen über Größen,
Die keine sind!
Heinrich Leuthold
In der Maienfrühe
Lang seufzt ich vergebens,
es war mir im Drang
und Unmut des Lebens
verstummt der Gesang.
Nun bauen die Sänger
des Waldes ihr Nest,
nun halten mich länger
die Sorgen nicht fest.
Die Sorge, die eisig,
das Herz mir umschnürt,
hat alle der Zeisig
und Buchfink entführt.
Welch üppiges Blühen
in Wald und Geheg!
Die Qualen und Mühen,
nun jauchz' ich sie weg.
Früh auf aus dem Bette,
durch Wald und Gesträuch…
Ich pfeif um die Wette,
ihr Vögel, mit eich!
Ich singe und pfeife,
so wie...
Heinrich Leuthold
Der Sonderling
So bald der Mensch sich kennt,
Sieht er, er sei ein Narr;
Und gleichwohl zürnt der Narr,
Wenn man ihn also nennt.
So bald der Mensch sich kennt,
Sieht er, er sei nicht klug;
Doch ist's ihm lieb genug,
Wenn man ihn weise nennt.
Ein jeder, der mich kennt,
Spricht: welcher Sonderling!
Nur diesem ist's ein Ding,
Wie ihn die Welt auch nennt.
Gotthold Ephraim Lessing
Die Namen
Ich fragte meine Schöne:
Wie soll mein Lied dich nennen?
Soll dich als Dorimene,
Als Galathee, als Chloris,
Als Lesbia, als Doris
Die Welt der Enkel kennen?
Ach! Namen sind nur Töne:
Sprach meine holde Schöne.
Wähl' selbst. Du kannst mich Doris
Und Galathee und Chloris
Und – wie du willst, mich nennen;
Nur nenne mich die Deine.
Gotthold Ephraim Lessing
Das Muster der Ehen
Ein rares Beispiel will ich singen,
Wobei die Welt erstaunen wird.
Daß alle Ehen Zwietracht bringen,
Glaubt jeder, aber jeder irrt.
Ich sah das Muster aller Ehen,
Still, wie die stillste Sommernacht.
Oh! daß sie keiner möge sehen,
Der mich zum frechen Lügner macht!
Und gleichwohl war die Frau kein Engel,
Und der Gemahl kein Heiliger;
Es hatte jedes seine Mängel.
Denn niemand ist von allen leer.
Doch sollte mich ein Spötter fragen,
Wie diese Wunder möglich...
Gotthold Ephraim Lessing
Pygmalion
An diesen Lippen, diesen Augen
Die Welt vergessend, hinzuhangen
Und aus den rosenroten Wangen
Des Lebens Überfluß zu saugen
An dieses Busens reiner Fülle
Die Schmerzen meiner Brust zu wiegen
Und auf des Schoßes Fried und Stille
Mit tränenmüdem Haupt zu liegen
Das war mein Wunsch – das ist mein Grämen –
Und soll mir doch kein Schicksal nehmen.
Jakob Michael Reinhold Lenz
Wer ist ein wahrhaft armer Mann?
Ist's der in hoffnungsloser Kerkernacht?
Wer bei der sterbenden Geliebten wacht?
Wer auf dem Balken treibt im Ocean?
Ist's, wer von Zweifeln ewig wird zerrissen?
Wer eine Schuld beherbergt im Gewissen?
Wem seine Tochter rohe Krieger schänden?
Wer auf dem Hochgericht den Sohn sieht enden?
Nein! wer den Jammer trinkt bis auf die Neige
Und wahrhaft elend, ist allein der Feige;
Ein Feiger, hoch vom Schicksal hingestellt
Und ausgesetzt den Blicken einer Welt,
Die...
Nikolaus Lenau