Weise Zitate (Seite 8)
Trinklied
Der weise Diogenes war
Liebhaber ambrosischer Klarheit,
Und sang in der zechenden Schar:
Trinkt, Brüder! im Wein ist die Wahrheit!
Und kam er betrunken vom Schmaus,
Dann wählte der Alte, so heißt es,
Ein lediges Oxhoft* zum Haus,
Und freute sich atmend des Geistes.
*alter Flüssigkeitsmeßbecher
Johann Heinrich Voß
Vom Tode
In der Jugend heiterem Morgenrot
Denkt kein Mensch an Alter und Tod,
Und dies mit allem Grund und Fug;
Denn an den Tod soll man nicht denken.
Im Alter kostet es Müh' genug,
Die Gedanken von ihm abzulenken.
Memento Mori: hohler Popanz!
Motto für den Totentanz!
Taugt nichts für Junge und nichts für Greise;
Memento vivere sagt der Weise:
Fülle dein Leben tüchtig aus –
Mit dem</em> Rat hält man richtig Haus.
Friedrich Theodor von Vischer
Nähr dich, o Mensch, verständig
Fettbildner sind, das merke:
Fett, Zuckerstoff und Stärke;
Blutbildner sind im ganzen
Die Proteinsubstanzen…
Daß Knochen sich erneuern,
Bedarfst du Alk und Säuren;
D'rum mische klug und weise
Dergleichen in die Speise.
Und also iß und lebe,
Ersetzend dein Gewebe,
Und denk in allen Fällen:
Wie bild ich neue Zellen?
Johannes Trojan
Die Freude fällt uns in die Hände;
Die bloße Kunst nur, sich zu freu'n
Die will geübt, errungen sein!
Wenn sie auch jeder Narr verstände,
Dann wär sie für Weise nicht;
Die Freud'entflieht berauschten Tagen
Mit weggewandtem Angesicht.
Sie fliehet, weil wir nach ihr jagen,
Der Tor erlebt sie, fühlt sie nicht.
Sie liebt die stiller'n Seelenlagen,
Hebt Wehmuth selbst zu sich hinauf
Und sucht uns in bewölkten Tagen
In unser'm eig'nen Herzen auf.
Christoph August Tiedge
Zeit
So wandelt sie, im ewig gleichen Kreise,
Die Zeit nach ihrer alten Weise,
Auf ihrem Wege taub und blind,
Das unbefangne Menschenkind.
Erwartet stets vom nächsten Augenblick
Ein unverhofftes seltsam neues Glück.
Die Sonne geht und kehret wieder,
Kommt Mond und sinkt die Nacht hernieder,
Die Stunden, die Wochen abwärts leiten,
Die Wochen bringen die Jahreszeiten.
Von außen nichts sich je erneut,
In dir trägst du die wechselnde Zeit,
In dir nur Glück und Begebenheit.
Ludwig Tieck
Ruhe auch du!
Sabbathliche Stille, alles pflegt der Ruh',
Pochend Herz, nun ruhe, ruh' auch du!
Laß die Leidenschaften schweigen auch einmal;
Flieh', was um den Frieden dich bestahl!
Einkehr bei dir selber halt' für dich allein;
Laß die tausend Sorgen nicht herein!
All' die wilden Wünsche weise streng zur Ruh';
Sei am Feierabend still auch du!
Karl Stelter
Wer nichts weiß und weiß nicht,
daß er nichts weiß, ist ein Tor – meide ihn.
Wer nichts weiß und weiß,
daß er nichts weiß, ist bescheiden – belehre ihn.
Wer etwas weiß und weiß nicht,
daß er etwas weiß, ist im Schlafe – wecke ihn.
Wer etwas weiß und weiß,
daß er etwas weiß, ist weise – folge ihm.
Sokrates
Es gibt so Leute, deren Angesicht
Sich überzieht gleich einem steh'nden Sumpf,
Und die ein eigensinnig Schweigen halten,
Aus Absicht sich in einen Schein zu kleiden
Von Weisheit, Würdigkeit und tiefem Sinn.
O mein' Antonia, ich kenne derer,
Die man deswegen bloß für Weise hält,
Wei sie nichts sagen: sprächen sie, sie brächten
Die Ohren, die sie hörten, in Verdammnis,
Weil sie die Brüder Narren schelten würden.
William Shakespeare
Es wohnt ein Gott hoch über unserm Kreise,
Ein Gott der Huld, ein starker Gott der Macht.
Er ist allein der Ordnende, der Weise,
Er wohnt im Licht und weiß, was er vollbracht.
Mag wunderbar das dunkle Schicksal walten,
Er wird es hell und freundlich einst entfalten,
Denn er ist Gott, und unten wohnt die Macht.
Ernst Schulze
Liebe
O Liebe, du Morgentraum,
Geboren kaum,
Und weise wie die Ewigkeit,
Im Greisenhaar
Noch mild und klar,
Noch fühlend und spielend
Wie Kindlein in der Weihnachtszeit.
O Liebe, du Zauberwort,
Klingst fort und fort
Wie Wellenschlag der Ewigkeit.
Du Melodie
Und Harmonie
Von Wonnen, zerronnen
In Tönen fließet Raum und Zeit.
O Liebe, von dir empfing
Der Schmetterling
Des Blütenlebens zarten Keim.
O Wonnepreis!
Im Blumenkreis
Zu nippen mit Lippen
Die Küsse gleich dem Honigseim.
O Liebe, du...
Max von Schenkendorf
Das Grab
Das Grab ist tief und stille
Und schauderhaft sein Rand;
Es deckt mit schwarzer Hülle
Ein unbekanntes Land.
Das Lied der Nachtigallen
Tönt nicht in seinem Schoß;
Der Freundschaft Rosen fallen
Nur auf des Hügels Moos.
Verlassne Bräute ringen
Umsonst die Hände wund;
Der Weise Klagen dringen
Nicht in der Tiefen Grund.
Doch sonst an keinem Orte
Wohnt die ersehnte Ruh;
Nur durch die dunkle Pforte
Geht man der Heimat zu.
Das arme Herz hinieden
Von manchem Sturm bewegt,
Erlangt den wahren...
Johann Gaudenz Freiherr von Salis-Seewis
O glaube nicht, daß du nicht seiest mitgezählt;
Die Weltzahl ist nicht voll, wenn deine Ziffer fehlt.
Die große Rechnung zwar ist ohne dich gemacht,
Allein du selber bist in Rechnung mitgebracht.
Ja mitgerechnet ist auf dich in alle Weise;
Dein kleiner Ring greift ein in jene größeren Kreise.
Zum Guten, Schönen will vom mangelhaften Bösen
Die Welt erlöst sein, und sollst sie mit erlösen.
Vom Bösen mache dich, vom Mangelhaften frei;
Zur Güt' und Schöne so der Welten trägst du bei.
Friedrich Rückert