Wahre Zitate (Seite 26)
Warnung
Die Lober meide!
Sie führen ein Stückchen Kreide
Und schreiben damit aufs Kerbholz an,
Was sie dir Süßes angetan.
Gib acht, gib acht!
Kaum gedacht,
Bricht ihre wahre Natur heraus,
In welcher die Scham nicht eben zu Haus;
Aus dem Pfötchen schlüpfet die Kralle,
Und noch im besten Falle
Sind sie für so viel Lob
Recht grob.
Friedrich Theodor von Vischer
Gefangen
Als einst in jenes Laubdachs Dunkelhelle
Voll Inbrunst meine Arme dich umschlangen,
Als Haupt an Haupt und Wang' an Wange drangen,
Du schlankes Reh, schwarzäugige Gazelle,
Da traf ein Mücklein auf die holde Stelle,
Und zwischen unsern angeschmiegten Wangen
Hat es in irrem Taumel sich gefangen,
Es surrt und zappelt, will entfliehen schnelle.
Nicht wahr, du Schelm, das hat dir nicht geträumet,
Es warte dein so wunderlich Verhängniß?
So bleibe nur und werde nicht so bange!
Ein...
Friedrich Theodor von Vischer
Die liebe Not
Warum die Not wird lieb genannt,
Das war mir lange unbekannt,
Bis ich's von einer Frau erfahren.
Es war umringt von Kindern sie,
Die all noch hilfsbedürftig waren,
Und einer meinte viele Müh'
Müßt' sie doch haben mit der kleinen Schar.
"Ja", sagte sie, und die Mienen
Erhellten sich, "ja, es ist wahr,
Ich habe meine liebe Not mit ihnen."
Johannes Trojan
Träume
Träume kommen und gehen,
mal sind sie fern, mal nah,
nicht immer deutlich zu sehen,
doch oft bewußt und klar.
Ich möchte so vieles noch machen,
viel Schönes erleben und sehen,
will nicht mehr weinen – nur lachen,
und auf der Sonnenseite stehen.
Doch dunkle Wolken hüllen
oft meine Träume ein.
Was wird sich noch erfüllen,
was wird noch möglich sein?
Träume kommen und gehen,
doch meistens sind sie ganz klar,
ich kann sie deutlich sehen,
und hoffe, sie werden wahr.
Edith Tries
Das Schöne bewundern,
Das Wahre behüten,
Das Edle verehren,
Das Gute beschließen;
Es führet den Menschen,
Im Leben zu Zielen,
Im Handeln zum Rechten,
Im Fühlen zum Frieden,
Im Denken zum Lichte;
Und lehret ihn vertrauen
Auf göttliches Walten
In allem, was ist:
Im Weltenall,
Im Seelengrund.
Rudolf Steiner
Ein Bach war, und ein Blitzstrahl fiel.
Kochte die Flut? Die Flut blieb kühl.
Bis auf den Grund Durchbohrter du:
nimmst es nicht wahr, lauschst immerzu.
Und der Herabgefallene, er:
kein Strahl mehr und kein Feuer mehr.
Ein Weg war, einer, und nicht zwei ...
Sieh, ich verzeihe. So verzeih.
Konstantin Slutschweskij
In deiner Seele klarem Leben
Da ruht mein wahres Glück allein,
Die Ferne kann mir Freude geben,
Mit Dir nur kann ich selig sein.
In Deines Geistes raschen Flügen
Trägt leicht das schwere Leben sich –
Das Andre kann mir wohl genügen –
Du nur allein befriedigst mich!
Aus Deiner Liebe tiefen Quellen
Strömt eine Kraft, die mich erhebt,
Auf deren lichtumsäumten Wellen
Mein Lebensschiff vorüberschwebt !
Luise Adelaide Lavinia, genannt Adele Schopenhauer
Ihr meint, ich trüge meine Stirne
Ihr meint, ich trüge meine Stirne
Etwas zu hoch vor Tatendrang –
Wahr ist's, es lodert mir im Hirne
Zu wild für euren Schneckengang.
Was kümmert mich das kleine Schaffen,
Das eurer Seelchen Sehnsucht stillt –
Was das Erlisten, das Erraffen,
Womit ihr euer Leben füllt;
Was kümmert mich das Weltgetriebe,
Sein leerer Gang, sein hohler Schein!
Ein starker Fels ist meine Liebe,
Und über ihr steht Gott allein.
Prinz Emil von Schoenaich-Carolath-Schilden
Kinderglaube?
Ein Engel, hieß es, als wir Kinder waren,
ist unterwegs, der sammelt jeden Schmerz,
den bösen, ungerechten, unduldbaren,
und fliegt hinauf und rührt an Gottes Herz.
Und zu Musik wird einer Schande Name,
es trägt als Duft ihn jeder Wind,
und Traumgespiele, helle, wundersame,
gesellen sich dem Schmerzenskind.
Das plötzlich strahlt. Es sieht: die Himmel rüsten,
dem Qualverstummten Gottes Arm zu leihn…
Ach, wär es wahr, sagt, wieviel Engel müßten
da heute wohl auf allen Wegen sein!
René Schickele
Zeit und Ewigkeit
Du fragst, was ist die Zeit? Und was die Ewigkeit?
Wo hebt sich Ewiges an und hebet auf die Zeit?
Die Zeit, sobald du sie aufhebst, ist aufgehoben,
wo dich das Ewige zu sich erhebt nach oben.
Die Zeit ist nicht, es ist allein die Ewigkeit,
die Ewigkeit allein ist ewig in der Zeit.
Sie ist das in der Zeit sich stets Gebärende,
als wahre Gegenwart die Zeit Durchwährende.
Wo die Vergangenheit und Zukunft ist geschwunden
in Gegenwart, da hast du Ewigkeit empfunden.
Wo du...
Friedrich Rückert
Für Rilke
Dans l'école, Hamburg
Verwunden mein Geist in eintöniger Mattigkeit
So müd' geworden, daß zu enfalten er zu schwach.
Mir ist, als wüßt' ich all das Wahre vor begebener Zeit
Und das Geschehene erst küßt seine Schönheit wach.
Des reinen Geistes ehrbares Gedankengut,
das in allerkleinste Bahnen gezwungen.
Ist's ausgesprochen, des Intellektes Heldenmut
Und jedes dürft'ge Wort dem Herzen abgerungen.
Laßt meine Stäbe nur die Kleinigkeit eines Spaltes trennen
Und hinter jedem...
Christian Röhrs
Natur gehet für die Lehr
Art lässet nicht von Art, die Katze läßt das Mausen,
Der Dieb das Stehlen nicht, die Affen wollen laufen,
Der Garten bringt sein Kraut, der Hirte treibt fürs Thor,
Was ehmals Wasser war, wird Wasser wie zuvor.
Salz komt aus Wasser her, es quillet aus der Erden,
Kan auch mit schlechter Müh' ein Wasser wiedrum werden,
Und weil denn Eis und Schnee aus Wasser ist gemacht,
So wird es auch sehr leicht ins Wasser wieder bracht.
Die Katz' hält zwar das Licht, wann Salomo will...
Johann Rist
Silvester
Daß bald das neue Jahr beginnt,
Spür ich nicht im Geringsten.
Ich merke nur: Die Zeit verrinnt
Genau so wie zu Pfingsten,
Genau wie jährlich tausendmal.
Doch Volk will Griff und Daten.
Ich höre Rührung, Suff, Skandal,
Ich speise Hasenbraten.
Mit Cumberland, und vis-à-vis
Sitzt von den Krankenschwestern
Die sinnlichste. Ich kenne sie
Gut, wenn auch erst seit gestern.
Champagner drängt, lügt und spricht wahr.
Prosit, barmherzige Schwester!
Auf! In mein Bett! Und Prost Neujahr!
Rasch!...
Joachim Ringelnatz