Tugend Zitate (Seite 11)
Trost
Schwer hängen an der Welt-Uhr die Gewichte
Und treiben sie doch langsam nur zum Gange,
So manche Tugend geht bei uns im Schwange,
Doch stehn wir, Freund, uns selber oft im Lichte.
Die Menschheit schreitet fort und manchem Wichte
Wird bei den vielen Widersprüchen bange,
Fast jeder fragt, wohin er denn gelange,
Und zweifelt immerdar an dem Berichte.
Doch lache nur ob diesen ernsten Possen,
Laß nur den Wagen unbekümmert fahren,
Und glaub', er werde wo die Fracht abladen.
Noch werden wir...
Ludwig Tieck
Du aber,
der du die Schönheit
mit unergründlicher Liebenswürdigkeit,
Gnade und Form,
Wort mit Klang,
edles Geschlecht mit Tugend,
Reichtum mit Kraft,
innere Freiheit und äußere Klarheit
miteinander vereinst,
du besitzest noch etwas,
was ich in diesem Leben nie fand:
einen gerechten
zufriedenstellenden Ausgleich dem Können,
dem Vermögen
und dem sehnenden Verlangen
eines recht liebenden Herzens.
Heinrich Seuse
Dichterlos
Wer einmal nur in Versen sprach,
Dem folgt das Unglück ewig nach,
Denn was er auch in Zukunft spricht,
Der Welt dünkt alles ein Gedicht.
Wenn warm sein Herz für Tugend glüht,
Ein göttlich Feuer aus ihm sprüht,
Singt er von Gott, von Recht und Pflicht,
Der Welt dünkt alles ein Gedicht.
Und gibt sein liebeheißer Mund
Die seligsten Gefühle kund,
Ich liebe Dich! – Man glaubt ihm nicht,
Hält seine Liebe für Gedicht.
Und foltert ihn der Sehnsucht Pein,
So klagt und weint er ganz...
Berthold Sengschmitt
Vergänglichkeit
Menschlichem Elend wäre es eine Linderung,
Sänken die Dinge wie sie stiegen,
Langsam; doch oft begräbt ein schneller Umsturz
Hohe Gebäude.
Lange beglückt stand nichts; der Städt' und Menschen
Schickungen stiegen immer auf und nieder;
Jahre bedarf ein Königreich zu steigen,
Stunden zu fallen.
Du, der du selbst des Todes Opfer sein wirst,
Nenne darum nicht, weil die Zeit im Stillen
Menschen und Menschenwohnungen zerstöret,
Grausam die Götter.
Die dich zum Leben rufte, jene...
Matthäus Casimir Sarbiewsky oder Sarbievius
Was ist Leidenschaft? nichts als starke Triebe
Zu Neigung oder Haß, verknüpft mit Eigenliebe;
Sie wird durch den Begriff von einem Gut erregt,
Es sei falsch oder wahr, und gleich darauf bewegt.
Wenn ihre Wirkung nur nicht aus den Grenzen weichet;
Zu unser'm Wohl und nicht zu and'rer Weh gereichet,
So nimmt sie die Vernunft als etwas eignes an,
Und sorgt, wie sie dadurch uns weiter nützen kann.
Doch wenn die Leidenschaft den Mut zu heftig blähet,
Und so verblendet hat, daß sich der Mensch...
Alexander Pope
Wieder zieh man einen Pfaffen
mangelhafter Sittlichkeit.
Denn er machte sich zu schaffen
mit der jungen Weiblichkeit.
Ja, es ist das Los der Frommen,
daß im Dienst der Liebe meist
sie vom rechten Wege kommen,
den ihr Amt sie wandeln heißt.
Liebe, sagen sie, sei Tugend –
doch sei Lieb auch Unmoral –
und liebt einer dann die Jugend,
gibt es vor Gericht Skandal.
Schwer fürwahr ist zu entwirren
dieses Zwiespalts Labyrinth;
und wenn schon die Hirten irren,
bleibt die Herde vollends blind.
Seltsam!...
Erich Mühsam
Hätt ich geahnt, als ich zuerst Dich schaute
daß mich die warme Sonne Deiner Blicke
verjüngen würde und mit dem Geschicke
feuriger Glut im Alter noch betraute.
Ich wäre, wie der Hirsch, der Luchs, der Panther
entflohen jeder schnöden Schicksalstücke
und wäre hingeeilt zu meinem Glücke.
Längst wären wir begegnet dann einander!
Doch warum gräm ich mich, wo ich nun finde
in Deinen Engelsaugen meinen Frieden,
all meine Ruhe und mein ganzes Heil?
Vielleicht wär damals mir dies Angebinde
noch nicht...
Michelangelo
Von denen, die dazu ersehen,
Des Himmels Segen zu erflehen,
War selten einer ernstgelehrt,
Viel öfter hitzig und verkehrt.
Doch glückt's den meisten zu verhüllen,
Wie Stolz und Habgier sie erfüllen.
Wenn nur das Mindeste geschah,
Worin man eine Schädigung sah,
Sogleich erhob man ein Gezeter:
"Wo ist die Tugend hin, ihr Götter!"
Merkur ergötzte dieser Streit,
Die andern nannten's Albernheit.
Bernard de Mandeville
Die Tochter
Mama, daß Sie mich sorglich hüten,
das darf und kann ich nicht verbieten.
Stets zittert Ihre Zärtlichkeit,
ist die Gefahr gleich noch so weit.
Doch, nehm' ich mich nicht selbst in acht,
werd' ich vergeblich nur bewacht.
Ich weiß, daß ich als Kind begehrte,
was man mir allzu scharf verwehrte.
Frei, geb' ich mich der Tugend hin,
doch Fesseln brech' ich, sie zu fliehn:
Drum, nehm' ich mich nicht selbst in acht,
werd' ich vergeblich nur bewacht.
Abraham Gotthelf Kästner
Amanda, liebstes Kind,
Du Brustlatz kalter Herzen,
Der Liebe Feuerzeug,
Goldschachtel edler Zier,
Der Seufzer Blasebalg,
Des Trauerns Löschpapier,
Sandbüchse meiner Pein,
Und Baumöl meiner Schmerzen,
Die Speise meiner Lust,
Du Flamme meiner Herzen.
Nachtstülchen meiner Ruh
Der Poesie Clystier
Des mundes Alicant
Der Augen Lustrevier
Der Complimenten sitz
Du Meisterin zu schertzen
Der tugend Quodlibet
Calender meiner Zeit
Du Andachts-fackelchen
Du quell der Fröligkeit
Du tieffer abgrund du
Voll...
Christian Hofmann von Hofmannswaldau
Geist der Jugend
Dir aber, Geist der Jugend, darf ich sagen,
Was knospend mir das junge Herz beschert!
Du weißt es, wie in thatenlosen Tagen
Im eignen Glühn die Seele sich verzehrt:
Und welchen Sang dürft' ich vor dir nicht wagen
Wenn ihn der Schönheit reiner Blick verklärt?
Im Reich der Dichtung ist die Schönheit Tugend –
Und Priesterin der Schönheit ist die Jugend.
Wilhelm Hertz