Süßes Zitate (Seite 69)
Weltlauf
Man denkt wohl hin und her.
Manches könnt' besser sein; –
Dies zu leicht – das zu schwer –
Groß oder klein.
Manchmal zu still die Welt,
manchmal zu toll –
Nichts geht wie's soll.
Durst und kein Tropfen Wein –
Käs' und kein Brod –
Zahnschmerz und Liebespein –
Überdruß – Noth!
Dieser wird wild darob,
Strampelt und schreit –
Wird wie ein Wüthrich grob –
Schafft sich nur Leid.
Jener, der winselt drum,
Jammer und acht
Weint viele Thränen drum,
Seufzt Tag und Nacht.
Und die Welt, wie sie...
Heinrich Seidel
Ein Samariter
Ist noch ein Rest von Lieb' in dir,
So geize nicht und gieb ihn her;
Die reiche, menschenvolle Welt
Ist ja an Liebe gar so leer.
Auf Märkten biete sie nicht feil,
Auch zu Palästen trag' sie nicht;
Doch tritt dereinst an deinen Weg
Ein still verhärmtes Angesicht –
Dem sprich: Bedarfst du wohl des Oels?
Zeig' deine Wunde, hier mein Krug! –
Und in der Herberg pfleg' ich dein,
Wenn diese Gabe nicht genug.
Ob Dank, ob Undank dir vergilt
Du ziehe stillen Gang's davon,
Daß du ein...
Georg Scheurlin
Alt Heidelberg, du feine,
Du Stadt an Ehren reich,
Am Neckar und am Rheine
Kein' andre kommt dir gleich.
Stadt fröhlicher Gesellen,
An Weisheit schwer und Wein,
Klar ziehn des Stromes Wellen,
Blauäuglein blitzen drein.
Und kommt aus lindem Süden
Der Frühling übers Land,
So webt er dir aus Blüten
Ein schimmernd Brautgewand.
Auch mir stehst du geschrieben
Ins Herz gleich einer Braut,
Es klingt wie...
Joseph Victor von Scheffel
Ecce homo
Seht her: mein Herz ist arm, mein Herz ist arm und blutet;
Des Lebens ganzer Harm hat nächtens es durchfluthet.
Ich gab's den Nöthen preis und aller Qual auf Erden,
Und wähnte, daß sein Schweiß euch könnt' zum Glücke werden.
Nun ist ihm alle Kraft und alle Gluth verflogen,
Denn schweren Giftes Saft hat's aus der Qual gesogen.
Wohin mein Auge schaut, verwelkt das Grün der Bäume,
Die Blüthe stirbt der Braut, verdirbt der Duft der Träume.
Was wollt ihr noch von mir? O laßt mich sterben...
Ludwig Scharf
Wiegenlied
Wenn man ab und zu was dichtet,
glaubt man oft, man sei verpflichtet
auch ein Wiegenlied zu schreiben,
um die Vielfalt zu betreiben.
Denn es spiegeln solche Lieder
doch ein Stück der Seele wieder,
darum konnte ich's nicht lassen,
auch ein solches zu verfassen.
Fünfzehn Jahre sind vergangen,
seit ich damit angefangen,
doch das Lied, wie man's auch wendet,
ist bis heute nicht vollendet.
Kaum dass ich so nach Belieben,
ein paar Worte aufgeschrieben,
die mein Schlummerlied...
Edmund Ruhenstroth
Du hast zwei Ohren und einen Mund;
Willst du's beklagen?
Gar vieles sollst du hören und
Wenig darauf sagen.
Du hast zwei Augen und einen Mund;
Mach dir's zu eigen!
Gar manches sollst du sehen und
Manches verschweigen.
Du hast zwei Hände und einen Mund;
Lern' es ermessen!
Zweie sind zur Arbeit und
Einer zum Essen.
Friedrich Rückert
Mein Falke
O Sehnsucht, wilder Falke mein,
Willst du auch müde werden?
Dess' Heimat hoch im Blauen war,
Behagt's dir nun auf Erden?
Wie oft hast du den jungen Sinn
Aus diesen grauen Tagen
Hoch über Sorge, Not und Leid
Getragen.
Bis mir das dunkle Tal entschwand
Im märchenweiter Ferne
Und um mein glühend Haupt sich bog
Das Diadem der Sterne.
Nun beugst auch du die stolze Stirn
Und läßt die Flügel hängen,
Nun hat auch dich die Sorgenfrau
Gefangen.
Brich deine Fesseln, Wanderfalk,
Und hebe dein...
Anna Ritter
Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß,
Das durch den sonnigen Himmel schreitet.
Und schmücke den Hut, der dich begleitet,
Mit einem grünen Reis.
Verstecke dich faul in der Fülle der Gräser.
Weil's wohltut, weil's frommt.
Und bist du ein Mundharmonikabläser
Und hast eine bei dir, dann spiel, was dir kommt.
Und laß deine Melodien lenken
Von dem freigegebenen Wolkengezupf.
Vergiss dich. Es soll dein Denken
Nicht weiter reichen als ein Grashüpferhupf.
Joachim Ringelnatz
So kann ein Wiedersehen sein ...
So kann ein Wiedersehen sein,
Daß Augenpaare tief einander messen.
»Lang, lang ist's her. Und doch
Hast du micht nicht –
Vergessen.«
Froh war es einst. – Hat wenig sich bewährt. –
Viel starb vom Wenig. – Alte Bäume rauschen
Und neigen sich vornander ernst und lauschen
Wie Kinder einem Märchen, aber abgeklärt.
Denn was geschah, das muß wohl so geschehn sein.
Nun ist's, als rückten wir, ohn' Worte, ohne Tat,
Enger zusammen, wie zu einem Skat,
Aber erlebt,...
Joachim Ringelnatz
Wenn die Kaffeemaschine ...
Wenn die Kaffeemaschine –
Tsch – Zsch – Pff – explodiert,
Verzieht der Gast seine Miene.
Denn dann ist etwas passiert.
Je nachdem, was es ihm tat,
Lacht er, lächelt oder flucht er.
Darauf untersucht er
Ursache und Resultat.
Explosion, dann Diskussion, bis Scherz:
Wie's gepufft und wie's geblitzt hat.
Kaffee, der auf Tischtuch sich verspritzt hat,
Geht nicht mehr aufs Herz.
Joachim Ringelnatz
Die Schnupftabaksdose
Es war eine Schnupftabaksdose,
Die hatte Friedrich der Große
Sich selbst geschnitzelt aus Nußbaumholz.
Und darauf war er natürlich stolz.
Da kam ein Holzwurm gekrochen.
Der hatte Nußbaum gerochen.
Die Dose erzählt ihm lang und breit
Von Friedrich dem Großen und seiner Zeit.
Sie nannte den alten Fritz generös.
Da aber wurde der Holzwurm nervös
Und sagte, indem er zu bohren begann:
»Was geht mit Friedrich der Große an!«
Joachim Ringelnatz
Im Biergarten
Na also! Frühling! Es ist Mai.
Der Ober bringt kein Bier herbei.
Er kratzt sich nur am Oberschenkel
und hält den leeren Krug am Henkel.
Dann ist‘s soweit. Der Stoff rollt an.
Ein jeder säuft, so gut er kann.
Bald fällt man rückwärts vom Gestühle.
Wie denn? Na: endlich Maigefühle!
Worauf man, während alles feiert,
ganz stille in die Büsche reihert.
Wolfgang J. Reus
Tränen
Tränen und Regentropfen,
beide gleichen sich sehr,
zunächst zartes Klopfen,
später rauschendes Meer.
Verletzt wird die Seele,
es blutet das Herz,
die brennende Kehle,
verkündet den Schmerz.
Wolken wachsen zur Mauer,
färben sich bläulich,
im Nu folgt ein Schauer,
kalt und abscheulich.
Regentropfen und Tränen,
wie soll's anders sein,
man braucht's kaum erwähnen,
in beiden steht man allein.
Horst Rehmann
Ernüchterung
Unser Tun ist nicht richtig
wir wissen's genau,
diese Liebe macht süchtig,
doch der Himmel ist grau.
Brücken wird es nicht geben,
das sagt der Verstand,
ein gemeinsames Leben,
wäre Meer ohne Land.
Jeder Schritt wird zur Bürde,
erkaltet die Glut,
auch Vulkane der Erde
holt manchmal die Flut.
Auf ein Wunder zu warten,
macht auch keinen Sinn,
selbst ein Magier mit Karten
übertreibt zu Beginn.
Wir zwei müssen uns fügen,
all dem, was jetzt ist,
dürfen keinen belügen,
weil uns Satan...
Horst Rehmann