Süßes Zitate (Seite 54)
Ach, die Menschenseele gleichet
Nur zu sehr dem armen Meere,
Das nicht weiß, ob's noch am Abend,
Wie am Morgen sanft sich wiegen,
Mond und Sterne widerspiegeln,
Oder, brüllend, grimmig schäumend,
Wider Erd' und Himmel toben
Und sein blau' Gewand an Klippen
Und am Felsen wird zerreißen;
Ach! das weiß es nicht; es eignet
Ja des Sturmes fremder Macht.
Ernst Raupach
Liebe
Was die Liebe kann begehren,
Liebe darf es frei gewähren.
Was von Liebe ward verschuldet,
Gern von Liebe wird's geduldet.
Alles Fehlen, alles Irren,
Liebe weiß es zu entwirren.
Trägt mit seliger Gebärde
Alle Not und Schuld der Erde;
Am Geliebten jeden Flecken
Weiß sie sorgsam zu verdecken;
Ja, ihn völlig freizusprechen,
Lächelnd teilt sie sein Verbrechen.
Robert Eduard Prutz
Erste Liebe
Ja
ich weiß es noch
wie wir
uns bei tagweckendem
Hahnenschrei
in den Armen lagen
am Bahnsteig
wo unsere Züge
sich täglich kreuzten
Diese
süßen Minuten
Herzzerreißen
begafft von verschlissenen
Arbeitern mit
verquollenen Augen
Ja
ich weiß es noch
wie wir
zusammenschmolzen
auf der Parkbank
im Winter
über Zäune stiegen
um schamverborgen
im Schnee
unser Bett zu machen
für wenige Sekunden Glückseligkeit
Manfred Poisel
Laß dich gehn
Wenn es dir mal dreckig geht
und dich keiner mehr versteht
dann laß dich gehn
wenns Wasser in den Augen steht
wein dich aus, so gut es geht
und laß dich gehn:
sei ein Mann
lehn dich an – bei mir!
Wenn der Kummer dich erdrückt
und deine Seele spielt verrückt
dann laß dich gehn
sei nicht tapfer oder stolz
sag dir lieber: Mensch was soll's
und laß dich gehn:
sei ein Mann
lehn dich an – bei mir!
Sei kein Held und sei kein Superman
sei ein guter Egoist
sei mal stark, mal schwach, mal...
Jörn Pfennig
Leben wir nur
zur eigenen Lust?
Oder sollen wir weinen
mit der weinenden Welt?
Wie viele haben
aus anderer Herzen
das Blut gesogen,
ohne Strafe!
Wie viele vergossen
für andre
ihr eigenes Herzblut,
ohne Lohn!
Doch wer sein Leben opfert,
tut's nicht um Lohnes willen;
er opfert es hin
der Menschheit zu nützen.
Nützt es – oder nicht?
Das ist die Frage der Fragen,
nicht "Sein oder Nichtsein"!
Sándor Petöfi
Die Vergangenheit
Mir ist als legten leise
Sich Nebel um mich her,
Vom bunten Menschenkreise
Mich scheidend mehr und mehr.
Erinnerungen sind es,
Aus Lust und Leid gewebt,
Die man, will's ein gelindes
Geschick, mit mir begräbt!
Mir ist, als brauste, grollte
Um mich ein Ocean,
Den ich, wie gern ich wollte
Nicht überbrücken kann.
Dieß Meer, deß banger Klage
Die Seele träumend lauscht,
Es sind die fernen Tage,
Die an mir hingerauscht!
Vereinsamt im Gewühle,
Das rastlos drängt und...
Betty Paoli
Das Wunderbare
Wir alle warten unsre besten Jahre
Aus das, was niemals kommt: das Wunderbare.
In eines Zaubergartens Heimlichkeit
Ist es verborgen und doch stets bereit,
Uns mit dem Lockton himmlischer Gitarren
In einem ewigen Sehnsuchtstraum zu narren.
Doch niemand hat's, solang der Himmel blaut,
In Wirklichkeit erlebt und angeschaut;
Und doch läßt keiner sich den frommen Glauben,
Daß es doch einmal kommen werde, rauben.
Und also voll Gewalt ist sein Gesang,
Daß jedes Menschenherz sein...
Johannes Öhquist
Traumfrauen
Traumfrauen, es
gibt nich viele von
ihnen.
In meinem Leben
waren es zwei.
Sie kamen schnell
und schnell war's
auch vorbei.
Ich hab mich gerade
erst an sie gewöhnt,
da waren sie weg
und haben mich
verhöhnt.
Ich liebte sie, sie
spielten ihr Spiel
und nahmen sich
mein Herz als Ziel.
Doch bei der
nächsten, da paß
ich auf.
Anstelle von
meinem geht ihr
Herz drauf.
Torsten Nöthen
Ein steiler Felsen ist der Ruhm,
Ein Lorbeerbaum wächst darauf.
Viel kraxeln drum und dran herum,
Doch wenig kommen 'nauf;
Darneben ist ein Präzipiß,
's geht kerzengrad hinab,
Da drunnt' ein Holz zu finden is,
Es heißt der Bettelstab.
Wer nicht enorm bei Kräften is,
Soll nicht auf'n Felsen steig'n.
Er rutscht und fallt ins Präzipiß,
Viel Beispiel tun das zeig'n…
Die Mittelstraßen ist ein breiter Raum,
Die Fahrt kommod talab,
Es wachst zwar drauf kein Lorbeerbaum,
Doch auch kein Bettelstab.
Johann Nepomuk Nestroy
Mut!
Fliegt der Schnee mir in's Gesicht,
Schüttl' ich ihn herunter,
Wenn mein Herz im Busen spricht,
Sing' ich hell und munter.
Höre nicht, was es mir sagt,
Habe keine Ohren,
Fühle nicht, was es mir klagt,
Klagen ist für Thoren.
Lustig in die Welt hinein
Gegen Wind und Wetter!
Will kein Gott auf Erden sein,
Sind wir selber Götter.
Wilhelm Müller
Der Wissende
Wer einmal frei
vom großen Wahn
ins leere Aug
der Sphinx geblickt,
vergißt den Ernst
des Irdischen
aus Überernst
und lächelt nur.
Ein Spiel bedünkt
ihn nun die Welt,
ein Spiel er selbst
und all sein Tun.
Wohl läßt er's nicht
und spielt es fort
und treibt es zart
und klug und kühn –
doch lüftet ihr
die Maske ihm:
er blickt euch an
und lächelt nur.
Wer einmal frei
vom großen Wahn
ins leere Aug
der Sphinx geblickt,
verachtet stumm
der Erde Weh,
der Erde Lust,
und lächelt nur.
Christian Morgenstern
Die Tagnachtlampe
Korf erfindet eine Tagnachtlampe,
die, sobald sie angedreht,
selbst den hellsten Tag
in Nacht verwandelt.
Als er sie vor des Kongresses Rampe
demonstriert, vermag
niemand, der sein Fach versteht,
zu verkennen, daß es sich hier handelt -
(Finster wird's am hellerlichten Tag,
und ein Beifallssturm das Haus durchweht.)
(Und man ruft dem Diener Mampe:
"Licht anzünden!") - daß es sich hier handelt
um das Faktum: daß gedachte Lampe,
in der Tat, wenn angedreht,
selbst den...
Christian Morgenstern