Stille Zitate (Seite 8)
Ruhe auch du!
Sabbathliche Stille, alles pflegt der Ruh',
Pochend Herz, nun ruhe, ruh' auch du!
Laß die Leidenschaften schweigen auch einmal;
Flieh', was um den Frieden dich bestahl!
Einkehr bei dir selber halt' für dich allein;
Laß die tausend Sorgen nicht herein!
All' die wilden Wünsche weise streng zur Ruh';
Sei am Feierabend still auch du!
Karl Stelter
Winter
Nun hüllt in stille Wintertrauer
Die Erde sich mit ihrer Lust
Und nimmt zum Schutz vor kaltem Schauer
Die müden Kinder an die Brust.
Auf all die schlummernden Gestalten,
Daß sie kein eis'ger Hauch mehr schreckt,
Und um dem Lenz sie zu erhalten,
Hat Gott ein wärmend Kleid gedeckt.
Da liegen sie in holden Träumen
Am Herzen ihrer Mutter still,
Bis sie ein Ruf zu neuem Keimen,
Zu schönerm Los sie wecken will.
Franz Xaver Seidl
Erinnerung
Wie war die schöne Sommernacht
So dunkel, mild und warm, –
Wie schrittest du so still und sacht
Gelehnt auf meinen Arm. –
Von Ferne klang, man hört' es kaum,
Musik mit leisem Schall,
Im blüthenduftgen Gartenraum
Sang eine Nachtigall.
Ein holdes schweigendes Verstehn
War zwischen mir und dir,
Ein selig Beieinandergehn,
Und glücklich waren wir.
Die schöne Zeit, sie liegt so weit –
Verweht wie eitel Schaum.
Sie liegt so weit die schöne Zeit
Versunken wie ein Traum.
Wie schrittest du...
Heinrich Seidel
Weltlauf
Man denkt wohl hin und her.
Manches könnt' besser sein; –
Dies zu leicht – das zu schwer –
Groß oder klein.
Manchmal zu still die Welt,
manchmal zu toll –
Nichts geht wie's soll.
Durst und kein Tropfen Wein –
Käs' und kein Brod –
Zahnschmerz und Liebespein –
Überdruß – Noth!
Dieser wird wild darob,
Strampelt und schreit –
Wird wie ein Wüthrich grob –
Schafft sich nur Leid.
Jener, der winselt drum,
Jammer und acht
Weint viele Thränen drum,
Seufzt Tag und Nacht.
Und die Welt, wie sie...
Heinrich Seidel
Schlaf und Traum
Schlaf ist eine dunkle Reise
In ein frührothelles Land,
Wandrer Traum gesellt sich leise,
Reicht uns seine Spielmannshand.
Nacht ist still gewordner Wille,
Der gebietet, der vollzieht,
Wenn die Königin der Stille
In uns singt ihr Zauberlied.
Alles muß sich dann erfüllen,
Was die dunkle Sehnsucht bringt,
Das Begehrte zu enthüllen,
Fessel springt und Schleier sinkt.
Denn dem Traum hat ihre Schwingen
Bunte Wirklichkeit geliehn:
Alle Himmel zu durchdringen,
Alle Höllen zu...
Carl Ludwig Schleich
Breite und Tiefe
Es glänzen viele in der Welt,
Sie wissen von allem zu sagen,
Und wo was reizet und wo was gefällt,
Man kann es bei ihnen erfragen,
Man dächte, hört man sie reden laut,
Sie hätten wirklich erobert die Braut.
Doch gehn sie aus der Welt ganz still,
Ihr Leben war verloren,
Wer etwas Treffliches leisten will,
Hätt gern was Großes geboren,
Der sammle still und unerschlafft
Im kleinsten Punkte die höchste Kraft.
Der Stamm erhebt sich in die Luft
Mit üppig prangenden Zweigen,
Die...
Johann Christoph Friedrich von Schiller
Einsam wandle deine Bahnen,
Stilles Herz, und unverzagt!
Viel erkennen, vieles ahnen
Wirst du, was dir keiner sagt.
Wo in stürmischem Gedränge
Kleines Volk um Kleines schreit,
Da erlauschest du Gesänge,
Siehst die Welt du groß und weit.
Andern laß den Staub der Straße,
Deinen Geist halt frisch und blank,
Spiegel sei er wie die Meerflut,
Drin die Sonne niedersank.
Einsam aus des Tages Lärmen
Adler in die Höhen schweift,
Storch und Kranich fliegt in Schwärmen,
Doch ihr Flug die Erde...
Joseph Victor von Scheffel
Nie stille steht die Zeit, der Augenblick entschwebt,
Und den du nicht benutzt, den hast du nicht gelebt.
Und du auch stehst nie still, der gleiche bist du nimmer,
Und wer nicht besser wird, ist schon geworden schlimmer.
Wer einen Tag der Welt nicht nutzt, hat ihr geschadet,
Weil er versäumt, wozu ihn Gott mit Kraft begnadet.
Friedrich Rückert
Mit vierzig Jahren
Mit vierzig Jahren ist der Berg erstiegen,
wir stehen still und schaun zurück.
Dort sehen wir der Kindheit stilles liegen
und dort der Jugend lautes Glück.
Noch einmal schau, und dann gekräftigt weiter
erhebe deinen Wanderstab!
Hindehnt ein Bergesrücken sich, ein breiter,
und hier nicht, drüben gehts hinab.
Nicht atmend aufwärts brauchst du mehr zu steigen,
die Ebne zieht von selbst dich fort;
dann wird sie sich unmerklich mit dir neigen,
und eh du's denkst, bist...
Friedrich Rückert
Gestörter Friede
Was mich still und traurig macht,
Darf ich Keinem sagen,
Einsam denk' ich's Tag und Nacht,
Einsam muß ich's tragen.
Was mir sonst am Herzen lag
Ist dahin genommen,
Seit von drüben Tag für Tag
Schreck und Groll mir kommen.
Ach, wie schlimm die Welt gewußt
Seinen Sinn zu thören!
Ihn zu treiben, mir mit Lust
Glück und Ruh zu stören!
Soll sich Alles, was einst gut,
Uns so schnell verleiden?
Freie Red' und Uebermuth
Will nicht jeden kleiden.
Was mir ganz und gar mißfällt,
Dient...
Otto Roquette
Aufschrei
Blühend sein und doch nicht leben sollen,
Mit der Sehnsucht noch, der heißen, tollen,
Vor der fest verschlossnen Türe stehn –
Durstig sein, und doch nicht trinken, trinken,
Wenn die goldnen Freudenbecher winken,
Jeder Wonne scheu vorübergehn –
Lechzen, ach, nach seligem Genießen,
Und die trunknen Augen doch zu schließen,
Weil des Schicksals harter Spruch es will –
Darben, darben, wenn sich Andre küssen,
Elend sein, und dennoch lachen müssen,
Immer lachen ….
Still, mein Herz, o still!
Anna Ritter
Psst
Träume deine Träume in Ruh
Wenn du niemandem mehr traust
Schließe die Türen zu,
Auch deine Fenster,
Damit du nichts mehr schaust.
Sei still in deiner Stille,
Wie wenn dich niemand sieht.
Auch was dann geschieht,
Ist nicht dein Wille.
Und im dunkelsten Schatten
Lies das Buch ohne Wort.
Was wir haben, was wir hatten,
Was wir…
Eines Morgens ist alles fort.
Joachim Ringelnatz
Die Stille
Hörst du Geliebte, ich hebe die Hände -
hörst du: es rauscht...
Welche Gebärde der Einsamen fände
sich nicht von vielen Dingen belauscht?
Hörst du, Geliebte, ich schließe die Lider
und auch das ist Geräusch bis zu dir.
Hörst du, Geliebte, ich hebe sie wieder......
... aber warum bist du nicht hier.
Der Abdruck meiner kleinsten Bewegung
bleibt in der seidenen Stille sichtbar;
unvernichtbar drückt die geringste Erregung
in den gespannten Vorhang der Ferne sich ein.
Auf...
Rainer Maria Rilke
Das Jahr geht still zu Ende,
Nun sei auch still mein Herz.
In Gottes treue Hände
Leg ich nun Freud und Schmerz.
Wird uns durch Grabeshügel
Der klare Blick verbaut,
Herr, gib der Seele Flügel,
Daß sie hinüberschaut.
Hilf Du uns durch die Zeiten
Und mache fest das Herz.
Geh selber uns zur Seiten
Und führ uns heimatwärts.
Eleonore Fürstin Reuß
Weinende Seele
Es ist still, ich hör nur den Wind,
seh am Himmel ein Wolkenmeer,
und am Weg ein weinendes Kind,
das rennt einem Ball hinterher.
Erinnerung stürzt auf mich ein,
und erweckt die Vergangenheit,
in der ich so hilflos allein,
erlebte viel Kummer und Leid.
Was geschah ist lange schon her,
hat meinen Kindheitstraum zerstört,
doch das Geschehene wiegt schwer,
weil mein Flehen niemand gehört.
Nichts von dem hab ich je erzählt,
es blutet noch heute mein Herz,
weil diese Erinnerung...
Horst Rehmann