Sterben Zitate (Seite 8)
Grabschrift
War's dir nicht möglich, Ewiger,
des Lebens und des Sterbens Herr,
mein Flehen zu erhören,
da ich im Staube vor dir rang
und da mein Weinen aufwärts drang
zu deinen Jubelchören?
Was jubelt wohl die Engelschar,
wozu schlägt man die Harfen gar,
als um das große Stöhnen,
das Schreien dieser armen Welt,
den Jammer unterm Himmelszelt
mit List zu übertönen?
Mein Stöhnen war dir nur ein Spott,
du nahmst ihn mir, o Herre Gott,
behalt ihn denn zum Raube;
nun siehe, was dein Zorn mir...
Hermann Sudermann
Goldherbst
Goldherbst,
so lange du es bist,
der Blätter färbt,
sei mir willkommen!
Streu bunte Zettel
auf die Welt
mit deiner Botschaft,
streich zärtlich über Wälder hin,
laß mich mit dir
zur Schönheit fliehn,
zum großen Farbengarten!
Noch gibt es Leben
auf den Feldern,
noch wärmt die Sonne
mein Gesicht.
Noch will ich wandern,
horchen, staunen;
nur sterben – nein,
will ich noch nicht.
Ingrid Streicher
Du willst es nicht in Worten sagen,
Doch legst dus brennend Mund auf Mund,
Und deiner Pulse tiefes Schlagen
Tut liebliches Geheimnis kund.
Du fliehst vor mir, du scheue Taube,
Und drückst dich fest an meine Brust,
Du bist der Liebe schon zum Raube
Und bist dir kaum des Worts bewußt.
Du biegst den schlanken Leib mir ferne,
Indes dein roter Mund mich küßt;
Behalten möchtest du dich gerne,
Da du doch ganz verloren bist.
Du fühlst, wir können nicht verzichten;
Warum zu geben scheust du noch?
Du...
Theodor Storm
Mehr in der Töne Schwellen
Neigt sich die Seele dir;
Höher schlagen die Wellen,
Fluten die Pulse mir.
Fliehen und Wiederfinden,
Wechselnde Melodie!
Laß du die Seele schwinden,
Sterben in Harmonle.
Hörst du den Ruf erklingen,
Rührend dein träumend Ohr?
Weiße blendende Schwingen
Tragen dich wehend empor.
Selig, im Lichte zu schweben
Über den Wolken hoch!
Ließt du das süße Leben,
Kennst du die Erde noch?
Aber zum stillen Grunde
Zieht es hernieder schon;
Heimlich von Mund zu Munde
Wechselt ein...
Theodor Storm
Begrabenes Glück
Mitunter weicht von meiner Brust,
Was sie bedrückt seit deinem Sterben;
Es drängt mich, wie in Jugendlust,
Noch einmal um das Glück zu werben.
Doch frag' ich dann: was ist das Glück?
So kann ich keine Antwort geben,
Als die, daß du mir kämst zurück,
Um so wie einst mit mir zu leben.
Dann seh' ich jenen Morgenschein,
Da wir dich hin zur Gruft getragen;
Und lautlos schlafen die Wünsche ein,
Und nicht mehr will ich das Glück erjagen.
Theodor Storm
Liebe Frau
Sie sagen,
meine Texte wären
nicht schlecht
etwas unreif noch …
Es käme nur einmal Gott vor
und kaum Sterben und Tod.
Es sei halt alles noch etwas seicht
und man würde halt merken,
daß ich in meinem jungen Leben
noch nichts erlebt hätte!
Na danke!
Mir reichts!
Liebe Frau,
lassen Sie mich ihre Gedichte lesen,
die da handeln von fallendem Herbstlaub
und sterbenden Astern.
Nicht schlecht!
werde ich sagen …
aber man merkt das Alter.
Das Leben ist halt schon
eine ganze Weile her.
Ute Maria Seemann
Mutterahnung
O Frühlingsmorgen voll Duft und voll Tau,
Voll Vogelgezwitscher und Himmelblau,
Voll herziger Veilchen im schattigen Grün,
Voll süßer Verheißung, voll frohem Erblühn.
Was jauchzest, mein Herz, du so fröhlich drein?
Es kann dieser Frühling dein letzter sein;
Wenn wieder auf Erden es keimen will,
Wohl liegest du unter der Erde still.
Du bist eine Muschel, gering und klein, –
Doch schließest vielleicht eine Perle ein,
Und ruft sie ans Licht ein göttlicher Kuß,
Wer weiß, ob die...
Clotilde von Schwartzkoppen
Ich will da sein, wenn du mich brauchst
Ich will reden, wenn du verstummst
Ich will wachen, wenn du träumst
Ich will trösten, wenn du leidest
Ich will glauben, wenn du zweifelst
Ich will kämpfen, wenn du verlierst
Ich will rudern, wenn du untergehst
Ich will atmen, wenn du erstickst
Ich will weinen, wenn du trauerst
Ich will tanzen, wenn du lachst
Ich will wärmen, wenn du erstarrst
Ich will reparieren, wenn du zerstörst
Ich will erinnern, wenn du vergißt
Ich will vergeben, wenn du...
Jutta Schulte
Steh auf, wenn du am Boden liegst
Ich sah in die tiefsten Tiefen und erreichte schwindelnde Höhen.
Ich spürte Ignoranz und jemand schenkte mir Beachtung.
Ich erfuhr Enttäuschung und jemand machte mir Mut.
Ich erfuhr schlimmste Demütigungen und jemand schenkte mir aufrichtiges Lob.
Ich erlitt Verlust und jemand versuchte den Ausgleich.
Ich empfand große Leere und mein Becher wurde gefüllt.
Ich bekam schmerzhafte Verletzungen und jemand versorgte meine Wunden.
Ich vergoß Tränen und jemand...
Jutta Schulte
Du kannst es!
Du kannst leiden und doch nicht klagen.
Du kannst die Antwort kennen und doch hinterfragen.
Du kannst schüchtern sein und dennoch offen.
Du kannst verzweifelt sein und dennoch hoffen.
Du kannst erstarrt sein und doch nicht erfrieren.
Du kannst bezweifeln und doch tolerieren.
Du kannst unbekannt sein und doch anerkannt werden.
Du kannst verwundet sein und doch nicht sterben.
Du kannst blind sein und doch erkennen.
Du kannst glühen und doch nicht verbrennen.
Du kannst betrübt sein...
Jutta Schulte
Das Epheu spricht:
Mein Blüh'n wird nicht
Vom Farbenschmuck verklärt,
Bin zäh und schlicht
Und halt' mich dicht
Zum Stamm, der mich ernährt.
Doch Sommers grün
Und Winters grün
Und grün in's späte Alter,
Freut mehr denn glüh'n,
Buntfarbig sprüh'n
Und sterben mit dem Falter.
Joseph Victor von Scheffel
Du siehst mich ruhig dir vorübergehen
Und nennst vielleicht gefühllos diese Brust, –
Doch hast auf ihren Grund du nie gesehen,
Und daß um meinen Frieden es geschehen,
Du hast es nicht gewußt!
Ein trübes Loos! doch möcht' ich's nicht vertauschen
Um Liebesglück an einer Andern Brust;
Als hört' ich Sphärenmelodien rauschen,
So jubl' ich auf, darf ich von fern dir lauschen; –
Du hast es nicht gewußt!
Du süße Maid! Und nie sollst du erfahren,
Daß deine Lieblichkeit gesenkt in diese Brust
So tiefes...
Karl Hermann Schauenburg