Sterben Zitate (Seite 11)
Der Kranke:
»Oft zu sterben wünscht ich mir…
Und wie dankbar bin ich doch,
daß ich leb und leide noch
im gesetzten Nun und Hier.
Bleibt mir doch damit noch Zeit,
abzubauen manch Gebrest,
komm ich nimmer auch zum Rest,
werd ich besser doch bereit.
Wenn ich jetzt nicht wirken kann,
helf ich also doch dem Mir,
das dereinst nach Nun und Hier
wirken wird im Dort und Dann.«
Christian Morgenstern
Die Schildkrökröte
Ich bin nun tausend Jahre alt
Und werde täglich älter;
Der Gotenkönig Theobald
Erzog mich im Behälter.
Seitdem ist mancherlei geschehn,
Doch weiß ich nichts davon;
Zur Zeit, da läßt für Geld mich sehn
Ein Kaufmann zu Heilbronn.
Ich kenne nicht des Todes Bild
Und nicht des Sterbens Nöte:
Ich bin die Schild ich bin die Schild
Ich bin die Schild krö kröte.
Christian Morgenstern
Die Sonne will sterben. Es trübt sich mein Blick.
Die Seele ahnt sehnend ihr künftig Geschick.
Es taucht hinter Wolken die strahlende Glut
Des sterbenden Lichtes in schlummernde Flut.
Wie schön ist des Glutballs fliegender Tod!
Die dämmernden Höhen in Purpur er taucht,
Die schimmernden Wellen sein Kuß überhaucht…
Da stirbt in den Wassern die schweigende Pracht,
Der Himmel erlischt und bedeckt sich mit Nacht.
Mein Herz ist von bebender Wehmut geschwellt:
Ich sah dort versinken – Die Heimat der...
John Henry Mackay
Fröhlicher Tod
Es ist ein fröhlich Ding um aller Menschen Sterben:
Es freuen sich darauf die gerne-reichen Erben;
Die Priester freuen sich, das Opfer zu genießen;
Die Würmer freuen sich an einem guten Bissen;
Die Engel freuen sich, die Seelen heimzuführen;
Der Teufel freut sich, im Fall sie ihm gebühren.
Friedrich Freiherr von Logau
Immer leiser wird mein Schlummer,
Nur wie Schleier liegt mein Kummer
Zitternd über mir.
Oft im Traume hör ich dich
Rufen drauß vor meiner Tür,
Niemand wacht und öffnet dir,
Ich erwach und weine bitterlich.
Ja, ich werde sterben müssen,
Eine Andre wirst du küssen,
Wenn ich bleich und kalt.
Eh die Maienlüfte wehn,
Eh die Drossel singt im Wald:
Willst du mich noch einmal sehn,
Komm, o komme bald!
Hermann Ritter von Lingg
Einem Greise
Das Haar schneeweiß,
Die Wangen so hohl,
Bald, bald Lebwohl;
Und noch die Stirne so heiß?
Dein Schifflein stoßt
Schon ins Meer, zum Land
Streckst du die Hand
Noch, überhangend, zum Trost;
Zum Trost und Genuß,
Um Hab und Halt,
Und bist schon so alt:
O, daß man sterben muß!
Zieh ein die Hand!
Den Blick hinaus
Ins Meer! nach Haus!
Denk an den ewigen Strand!
Nicht scheide so schwer;
Wenn du rückverlangst
Und überhangst,
So sinkst du hinab ins Meer.
Nikolaus Lenau
Die unten hungern,
weil die oben das ihre fressen,
darum hungern die unten,
die unten sind schwer zu leiten,
weil die oben sie immer ver-leiten,
darum sind die unten so schwer zu leiten,
die unten sterben so leicht,
weil sie so schwer leben,
man soll ihnen das Leben billig geben,
so wird es ihnen teuer werden.
Laotse
Nacht in der Seele
Die Nacht wälzt die Talhänge hinab
und wirft sie in drohendes Dunkel.
Noch zögert ihr Ausgreifen,
doch dann umzieht die Stadt
ein Belagerungsring aus Schatten.
Sie überfällt die Mauern,
läßt alles Leben
ohne Ausweg sterben.
Da blinken an den Höhen Lichterketten auf,
die den verzweifelten Augen
Fluchtwege öffnen.
Noch einmal entkommen,
aus einem tödlichen Schicksal,
sucht sich die Seele neue Hoffnung…
Elmar Kupke
Die Wintersonne an die Südländer
Hängt länger euch, o Kinder,
Nicht an mein goldnes Kleid!
Hab' ja noch andre Kinder
Im Norden, weit, weit, weit!
In ihrem grimmen Winter
Bin ich ihr einz'ger Trost:
Komm' ich nicht auf ein Stündchen,
Sie sterben mir vor Frost.
Auf dumpfer Hütten Schwelle,
Um die ein Eiswall ragt,
Erwarten ungeduldig
Sie mich, sobald es tagt.
Sie grüßen laut aufjauchzend
Mit Schmeichelnamen mich,
Und weinen fast, entfernet
Mein goldner Wagen sich.
Elisabeth Kulmann
Vom Abend sprachen wir, und daß die goldnen Streifen
Am Horizont nun schon so früh verblassen
Und daß die Dämmerungen mit den blassen
Händen so sicher nach dem Lichte greifen.
Daß all das Sommerblühen und das Reifen
Des bunten Ernteherbstes so gelassen
Des Sterbens harrt und daß die alten Gassen
Mit ihren hellen Fenstern und den steifen
Giebeln so traut ausschaun im Abenddämmern
Und rings die Welt erfüllt sei von dem Schönen.
Dies alles sagten wir – und mehr noch, um das Hämmern
Des heißen...
Cornelia Kopp