Stadt Zitate (Seite 4)
Die Post
Von der Straße her ein Posthorn klingt.
Was hat es, daß es so hoch aufspringt,
Mein Herz?
Die Post bringt keinen Brief für dich.
Was drängst du denn so wunderlich,
Mein Herz?
Nun ja, die Post kömmt aus der Stadt,
Wo ich ein liebes Liebchen hatt',
Mein Herz!
Willst wohl einmal hinüberseh'n
Und fragen, wie es dort mag geh'n,
Mein Herz?
Wilhelm Müller
Die Krähe
Eine Krähe war mit mir
Aus der Stadt gezogen,
Ist bis heute für und für
Um mein Haupt geflogen.
Krähe, wunderliches Tier,
Willst mich nicht verlassen?
Meinst wohl, bald als Beute hier
Meinen Leib zu fassen?
Nun, es wird nicht weit mehr geh'n
An dem Wanderstabe.
Krähe, lass mich endlich seh'n,
Treue bis zum Grabe!
Wilhelm Müller
Denk es, o Seele!
Ein Tännlein grünet wo,
Wer weiß, im Walde,
Ein Rosenstrauch, wer sagt,
In welchem Garten?
Sie sind erlesen schon,
Denk es, o Seele,
Auf deinem Grab zu wurzeln
Und zu wachsen.
Zwei schwarze Rößlein weiden
Auf der Wiese,
Sie kehren heim zur Stadt
In muntern Sprüngen.
Sie werden schrittweis gehn
Mit deiner Leiche;
Vielleicht, vielleicht noch eh'
An ihren Hufen
Das Eisen los wird,
Das ich blitzen sehe!
Eduard Mörike
Da steht man nun in fremder Stadt allein
mit dem, was man gefehlt und man getan,
und den man liebt, der will nicht bei dir sein
und wandelt eigenwillig eigne Bahn.
Und einer Liebe wunderreicher Hort
bleibt unerschöpft und ewig unerlebt;
ich stehe einsam hier, du einsam dort,
und sind im Tiefsten doch so ganz verwebt.
Christian Morgenstern
Auf den Technikus
Technikus kann alle Sachen
Andre Leute lehren, selbsten machen,
Reiten kann er, fechten, tanzen,
Bauen kann er Städt' und Schanzen;
Singen kann er, messen rechnen,
Schön und zierlich kann er sprechen;
Stadt und Land kann er regieren,
Recht und Sachen kann er führen;
Alle Krankheit kann er dämpfen,
Für die Wahrheit kann er kämpfen;
Alle Sterne kann er nennen,
Bös' und Gutes kann er kennen,
Gold und Silber kann er suchen,
Brauen kann er, backen, kochen;
Pflanzen kann er, säen...
Friedrich Freiherr von Logau
Sommerabend
Faltenlos sind alle Dinge,
Wie vergessen, leicht und matt.
Heilighoch spült grüner Himmel
Stille Wasser an die Stadt.
Fensterschuster leuchten gläsern.
Bäckerläden warten leer.
Straßenmenschen schreiten staunend
Hinter einem Wunder her.
... Rennt ein kupferroter Kobold
Dächerwärts hinauf, hinab.
Kleine Mädchen fallen schluchzend
Von Laternenstöcken ab.
Alfred Lichtenstein
Der Rauch auf dem Felde
Lene Levi lief am Abend
Trippelnd, mit gerafften Röcken,
Durch die langen, leeren Straßen
Einer Vorstadt.
Und sie sprach verweinte, wehe,
Wirre, wunderliche Worte,
Die der Wind warf, daß sie knallten
Wie die Schoten,
Sich an Bäumen blutig ritzten
Und verfetzt an Häusern hingen
Und in diesen tauben Straßen
Einsam starben.
Lene Levi lief, bis alle
Dächer schiefe Mäuler zogen,
Und die Fenster Fratzen schnitten
Und die Schatten
Ganz betrunkne Späße machten –
Bis die Häuser...
Alfred Lichtenstein
Wo bist du itzt?
Wo bist du itzt, mein unvergeßlich Mädchen?
Wo singst du itzt?
Wo lacht die Flur, wo triumphiert ein Städtchen,
Das dich besitzt?
Seit du entfernt, will keine Sonne scheinen,
Und es vereint,
Der Himmel sich, dir zärtlich nachzuweinen,
Mit deinem Freund.
All unsre Lust ist fort mit dir gegangen,
Still überall
Ist Stadt und Feld. Dir nach ist sie geflogen,
Die Nachtigall.
O komm zurück! Schon rufen Hirt und Herden
Dich bang herbei.
Komm bald zurück! Sonst wird es Winter...
Jakob Michael Reinhold Lenz