Sonne Zitate (Seite 28)
Oft in tiefer Mitternacht
Faßt mich ein unendlich Bangen
Um die Tage, die vergangen
Und mich nicht ans Ziel gebracht.
Was ich jung umsonst gesucht,
Kann ich's alternd noch erringen?
An die ausgewachsnen Schwingen
Hing sich, ach, des Siechtums Wucht.
– Wirf denn hin den Zauberstab,
Eh' er dir entsinkt mit Schmerzen!
Nimm die letzte Glut im Herzen
Ungesungen mit ins Grab! –
Still, o still! Ich lern' es nie,
Stumme Tage klug zu weben.
Trostlos Darben wär ein Leben
Ohne dich, o Poesie!
Nach dem...
Emanuel Geibel
Vorüber
O darum ist der Lenz so schön
Mit Duft und Strahl und Lied,
Weil singend über Tal und Höh'n
So bald er weiter zieht;
Und darum ist so süß der Traum,
Den erste Liebe webt,
Weil schneller als die Blüt' am Baum
Er hinwelkt und verschwebt.
Und doch! Er läßt so still erwärmt,
So reich das Herz zurück;
Ich hab' geliebt, ich hab' geschwärmt,
Ich preis' auch das als Glück.
Gesogen hab' ich Strahl auf Strahl
Ins Herz den kurzen Tag;
Die schöne Sonne sinkt zu Tal.
Nun komm', was kommen...
Emanuel Geibel
Das ist's
Das ist's, was an der Menschenbrust
Mich oftmals läßt verzagen,
Daß sie den Kummer wie die Lust
Vergißt in wenig Tagen.
Und ist der Schmerz, um den es weint,
Dem Herzen noch so heilig –
Der Vogel singt, die Sonne scheint.
Vergessen ist er eilig.
Und war die Freude noch so süß –
Ein Wölkchen kommt gezogen,
Und vom geträumten Paradies
Ist jede Spur verflogen.
Und fühl ich das, so weiß ich kaum,
Was mir weckt tiefre Schauer,
Daß gar so kurz der Freude Traum,
Oder so kurz die Trauer?
Emanuel Geibel
Vögelein, wohin so schnell?
»Nach Norden, nach Norden!
Dort scheint die Sonne nun so hell,
Dort ist's nun Frühling worden.«
O Vögelein mit den Flügeln bunt,
Und wenn du kommst zum Lindengrund,
Zum Hause meiner Lieben,
Dann sag ihr, daß ich Tag und Nacht
Von ihr geträumt, an sie gedacht,
Und daß ich treu geblieben.
Und die Blumen im Thal
Grüß tausend, tausendmal!
Emanuel Geibel
Durch die wolkige Maiennacht
Geht ein leises Schallen,
Wie im Wald die Tropfen sacht
Auf die Blätter fallen.
Welch ein ahnungsreicher Duft
Quillt aus allen Bäumen!
Dunkel webt es in der Luft
Wie von Zukunftsträumen.
Da, im Hauch, der auf mich sinkt,
Dehnt sich all mein Wesen,
Und die müde Seele trinkt
Schauerndes Genesen.
Müde Seele, hoffe nur!
Morgen kommt die Sonne
Und du blühst mit Wald und Flur
Hell in Frühlingswonne.
Emanuel Geibel
Lieb' und stirb
Durch Erd' und Himmel leise
Hinflutet eine Weise
Wie sanftes Harfenwehn,
Die jedem Dinge kündet,
Wozu es ward gegründet,
Woran es soll vergehn.
Sie spricht zum Adler: Dringe
Zur Sonne, bis die Schwinge
Dir trifft ein Wetterschlag;
Spricht zu den Wolken: Regnet,
Und wenn die Flur gesegnet,
Zerrinnt am goldnen Tag.
Sie spricht zum Schwan: Durchwalle
Die Flut und dann mit Schalle
Ein selig Grab erwirb.
Sie spricht zur Feuernelke:
Im Duft glüh' auf und welke!
Zum Weibe: Lieb' und...
Emanuel Geibel
Es gibt wohl manches, was entzücket,
Es gibt wohl vieles, was gefällt,
Der Mai, der sich mit Blumen schmücket,
Die güldne Sonn' im blauen Zelt.
Doch weiß ich eins, das schafft mehr Wonne,
Als jeder Glanz der Morgensonne,
Als Rosenblüt' und Lilienreis;
Das ist, getreu im tiefsten Sinne
Zu tragen eine fromme Minne,
Davon nur Gott im Himmel weiß.
Emanuel Geibel
Die Liebe saß als Nachtigall
Die Liebe saß als Nachtigall
im Rosenbusch und sang;
es flog der wundersüße Schall
den grünen Wald entlang.
Und wie er klang, da stieg im Kreis
aus tausend Kelchen Duft,
und alle Wipfel rauschten leis',
und leiser ging die Luft;
die Bäche schwiegen, die noch kaum
geplätschert von den Höh'n,
die Rehlein standen wie im Traum
und lauschten dem Getön.
Und hell und immer heller floß
der Sonne Glanz herein,
um Blumen, Wald und Schlucht ergoß
sich goldig roter...
Emanuel Geibel
Krokodilromanze
Ich bin ein altes Krokodil
Und sah schon die Osirisfeier;
Bei Tage sonn ich mich im Nil,
Bei Nacht am Strande leg ich Eier.
Ich weiß mit listgem Wehgekreisch
Mir stets die Mahlzeit zu erwürken;
Gewöhnlich freß ich Mohrenfleisch
Und sonntags manchmal einen Türken.
Und wenn im gelben Mondlicht rings
Der Strand liegt und die Felsenbrüche,
Tanz ich vor einer alten Sphinx,
Und lausch auf ihrer Weisheit Sprüche.
Die Klauen in den Sand gepflanzt,
Tiefsinnig spricht sie:...
Emanuel Geibel
Neujahr
Noch immer sagen Narren wahr:
Es stürmt und schneit im neuen Jahr.
Man stolpert über Steine zwar
und gräbt sich Grab und Gruben gar,
es lauern Krankheit und Gefahr,
doch vieles wird ganz wunderbar.
Man freut sich gern mit Haut und Haar,
liebt sich unsterblich, immerdar,
umringt von Freund und Feind, ja klar.
Man legt sich gute Gründe dar
und weiß grundsätzlich und fürwahr:
Die Sonne scheint auch dieses Jahr!
Brigitte Fuchs