Schwarze Zitate (Seite 6)
In den Wipfeln des Walds,
Die starr und schwarz
In den fahlen Dämmerhimmel
Gespenstern,
Hängt eine große
Glänzende Seifenblase.
Langsam löst sie sich
Aus dem Geäst,
Und schwebt hinauf
In den Äther.
Da treibt sie schimmernd,
Vom Winde getragen,
Über die Lande.
Immer höher steigt
Die zerbrechliche Kugel.
Pan aber blickt
Mit klopfendem Herzen
Verhaltenen Atems
Ihr nach.
Christian Morgenstern
Die toten Freunde
Das Boot stößt ab von den Leuchten des Gestad's.
Durch rollende Wellen dreht sich der Schwung des Rads.
Schwarz qualmt des Rohres Rauch ... Heut hab ich schlecht,
das heißt mit lauter jungem Volke gezecht. –
Du, der gestürzt ist mit zerschossener Stirn
und du, verschwunden auf einem Gletscherfirn,
und du, verlodert wie schwüler Blitzesschein,
meine toten Freunde, saget, gedenkt ihr mein?
Wogen zischen um Bott und Räderschlag.
Dazwischen jubelt ein dumpfes Zechgelag.
In den...
Conrad Ferdinand Meyer
Ein Morgen im Juli
Die Sonne ist aufgegangen.
Prächtig, herrschend
und übernatürlich schön
steht sie am Himmel.
Die Luft ist noch kühl,
und das Gras vom Tau bedeckt.
In meinen Augen besteht er
aus Millionen von winzigen
Kristallen.
Und weit hinten,
wo der schwarze Wald steht wie
ein dunkles Flammenmeer,
kriecht der Nebel die Wiesen entlang.
Claudia Malzahn
Mußt du mich lieben,
Wirst du mich lieben,
Ward schwarz auch mein weißes Angesicht –
Zur Schönheit wurde gar mancher getrieben
Und kannte die wahre Liebe nicht.
Mußt du mich küssen,
Wirst du mich küssen,
Wenn bleich auch die Lippen, mit langem Kuß –
Es mag die roten wohl keiner missen,
Die bleichen küßt nur der Liebe Muß.
Bist du mein eigen,
Bleibst du mein eigen,
Was mir das Leben auch bringen mag –
Soll deiner Liebe Sonne sich zeigen,
Muß sie sich zeigen am dunklen Tag.
Thekla Lingen
Impressionen auf einer Insel
Moosige Steine zerklüften schwarze Massen
Aus grauem Himmel hängen Schneehügel
Wir und sonst niemand – sagen sie...
Die Insel allein im weiten Meer
Seemöwen zertrennen kalte Nebel
Noch wächst kein Abend aus diesem Lande
Zwei vermummte Alte schlurfen die steile Gasse hinunter
Und deuten auf ein Schiff
Lebloses Sein
Im trüben Schatten vergessener Pioniere
Weitab von tropfender Zeit –
Bloß an den Schneekuppen vom Firmament geflossen
Heinz Körber
Dies Kind hat deine Augen nicht,
Geliebte!
Dein Aug' ist blau und froh und licht,
Und meins ist braun und heiß, und flammt –
Doch des Kindes Augen sind schwarz wie Sammt,
Wie die Nacht, so tief und lind –
Geliebte,
Von wem hat die das Kind?
Die Mutter sieht in den Schoß und lacht
Und flüstert schelmisch: So war es ja,
So war's, wie ich deine Auge sah,
Geliebter,
Im Dämmerschein der Nacht.
Johann Gottfried Kinkel
Im Schnee
Wie naht das finster türmende
Gewölk so schwarz und schwer!
Wie jagt der Wind, der stürmende,
Das Schneegestöber her!
Verschwunden ist die blühende
Und grüne Weltgestalt;
Es eilt der Fuss, der fliehende,
Im Schneefeld nass und kalt.
Wohl dem, der nun zufrieden ist
Und innerlich sich kennt!
Dem warm ein Herz beschieden ist,
Das heimlich loht und brennt!
Wo, traulich sich dran schmiegend, es
Die wache Seele schürt,
Ein perlend, nie versiegendes
Gedankenbrauwerk rührt!
Gottfried Keller
Winternacht
Nicht ein Flügelschlag ging durch die Welt,
Still und blendend lag der weiße Schnee,
Nicht ein Wölklein hing am Sternenzelt,
Keine Welle schlug im starren See.
Aus der Tiefe stieg der Seebaum auf,
Bis sein Wipfel in dem Eis gefror;
An den Ästen klomm die Nix' herauf,
Schaute durch das grüne Eis empor.
Auf dem dünnen Glase stand ich da,
Das die schwarze Tiefe von mir schied;
Dicht ich unter meinen Füßen sah
Ihre weiße Schönheit Glied um Glied.
Mit ersticktem Jammer tastet' sie
An...
Gottfried Keller
Wortspiel der Liebe
Ich hab mich nicht verschossen,
ich hab ins Schwarze getroffen,
ich trage keine rose Brille,
ich sehe klarer denn je.
Du hast mir nicht mein Herz gestohlen,
du füllst es,
du raubst mir nicht die Sinne,
du bereicherst sie.
Du nimmst mir nicht den Verstand,
du verstehst,
du nimmst mich nicht,
du gibst dich.
Die Liebe zu dir macht nicht blind,
sie öffnet Augen,
Ich hab mich nicht verliebt,
ich liebe ganz bewußt.
Claudia Horn