Reue Zitate (Seite 5)
An Dich
Was fruchtet's, daß in schmerzlichen Entwürfen
dir Tag um Tag scheu wie ein Dieb entschleicht!
Aus jedem goldnen Becher sollst du schlürfen
den Trank, den jede goldne Stunde reicht;
denn jede Blüte, die du nicht gebrochen,
und jeder ungehörte Saitenklang
und jedes Glück, das du nicht ausgesprochen,
fällt als ein Tropfen Reue in den Trank.
Und was vergangen ist, das sei vergangen!
Der neue Tag führt neues Licht herauf.
Tot sind die Lieder, die noch gestern klangen.
Was kümmert's dich?...
Walter Calé
Nicht veraltet ist der Alte!
Manche Narbe, manche Falte
Schrieb die Zeit in ihren Grillen,
Wider des Bewohners Willen,
Oft mit schwerer Hand
An die äußre Wand.
In dem Innern stört den Alten
Nicht der Polygraphin Walten!
Keine Reue soll ihm wehren,
Froh den letzten Kelch zu leeren,
Den die Liebe kränzt,
Hoffnung ihm kredenzt!
Joachim Dietrich Brandis
Tangens
Zwei Bahnen gefügt zum flüchtigen Kuß,
Die eine in sich verschlungen,
Die andre, ein jäher, verwegener Schuß,
Ins Unendliche abgesprungen.
Sie trafen zusammen ein einziges Mal.
Der Kreis kehrt in ewiger Neue
Zurück und schaut nach dem flüchtigen Strahl,
Dem Pfeil ohne Umkehr und Reue.
Jakob Boßhart