Recht Zitate (Seite 33)
Lied eines Verliebten
In aller Früh', ach, lang' vor Tag,
Weckt mich mein Herz, an dich zu denken,
Da doch gesunde Jugend schlafen mag.
Hell ist mein Aug' um Mitternacht,
Heller als frühe Morgenglocken:
Wann hätt'st du je am Tage mein gedacht?
Wär' ich ein Fischer, stünd' ich auf.
Trüge mein Netz hinab zum Flusse,
Trüg' herzlich froh die Fische zum Verkauf.
In der Mühle, bei Licht, der Müllerknecht
Tummelt sich, alle Gänge klappern;
So rüstig Treiben wär' mir eben recht!
Weh, aber...
Eduard Mörike
An die Geliebte
Wenn ich von deinem Anschaun tief gestillt,
mich stumm an deinem heil'gen Wert vergnüge,
dann hör ich recht die leisen Atemzüge
des Engels, welcher sich in dir verhüllt.
Und ein erstaunt, ein fragend Lächeln quillt
auf meinem Mund, ob mich kein Traum betrüge,
daß nun in dir, zu ewiger Genüge,
mein kühnster Wunsch, mein einz'ger sich erfüllt?
Von Tiefe dann zu Tiefen stürzt mein Sinn,
ich höre aus der Gottheit mächt'ger Ferne
die Quellen des Geschicks melodisch rauschen.
...
Eduard Mörike
Erblinden mag ich, sprach ich kühn, –
mir bleibt nichts Neues mehr zu schauen! ...
Da wandelt sich der Erde Grün
zum odemraubend kühlen Grauen.
Ein Schleier fällt auf die so recht
geliebten Wesen und Gelände,
und zu der – Geister Lichtgeschlecht
erhebt – ein Blinder seine Hände…
Christian Morgenstern
Der Purzelbaum
Ein Purzelbaum trat vor mich hin
und sagte: "Du nur siehst mich
und weißt, was für ein Baum ich bin:
Ich schieße nicht, man schießt mich.
Und trag' ich Frucht? Ich glaube kaum;
auch bin ich nicht verwurzelt.
Ich bin nur noch ein Purzeltraum,
sobald ich hingepurzelt."
Jenun, so sprach ich, bester Schatz,
du bist doch klug und siehst uns;-
nun, auch für uns besteht der Satz:
wir schießen nicht, es schießt uns.
Auch Wurzeln treibt man nicht so bald,
und Früchte nun erst recht...
Christian Morgenstern
Die drei Spatzen
In einem leeren Haselstrauch
da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.
Der Erich rechts und links der Franz
und mitten drin der freche Hans.
Sie haben die Augen zu, ganz zu,
und oben drüber da schneit es , hu!
Sie rücken zusammen, dicht an dicht.
So warm wie der Hans hat's niemand nicht.
Sie hör'n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.
Christian Morgenstern
Willst selber dir dein Grab wohl graben?
Nun, wer es will, der kann's ja haben!
Klag immer früh und klage spät,
Bis dir des Himmels Heil entgeht.
Mach dir mit deinen tausend Schmerzen
So rechtes Leid im tiefsten Herzen.
Leg deine Sorgen nimmer ab –
So gräbst du dir gewiß dein Grab.
Angelika von Michalowska
O dies einsame Gehn
Nun schon Stunden so hin ...
Wer sagt, wo ich bin? –
Und was mir geschehn? –
Wie der Weg sich verläuft! –
Geh ich recht, geh ich irr?
In der Zweige Gewirr
Die Sonne verträuft.
– Wie ihr Licht so entwich
In fliehendem Schein,
Waren beide allein
Wir: der Wald und ich ...
John Henry Mackay
Seifenblase
Seifenblase – Hoffnungsträger
Fliegt recht hoch hinauf
Wird vom Schicksal fortgetrieben
Nimmt des Windes Lauf
Seifenblase – so zerbrechlich
Stößt an einen Stein
Stirbt ganz leis' und unvermittelt
Und wird nicht mehr sein
Seifenblase ist gewesen
Hat sich wohl verloren
Und im Letzten nur vollendet
Wozu sie geboren
Seifenblase – Wunschgemälde
Darf man nicht zerkratzen
Ist zerbrechlich wie die Liebe...
… Seifenblasen platzen
Thomas S. Lutter
Es bringt euch alle Seligkeit
die Gott der Vater hat bereit’
daß ihr mit uns im Himmelreich
sollt leben nun und ewiglich.
So merket nun das Zeichen recht:
die Krippen, Windelein so schlecht.
Da findet ihr das Kind gelegt,
das alle Welt erhält und trägt.
Des laßt uns alle fröhlich sein
und mit den Hirten gehn hinein,
zu sehen, was Gott uns hat beschert,
mit seinem lieben Sohn verehrt.
Martin Luther
Die Großmutter spricht:
Ein Manneskuß sticht
Und beißt, gleich der Schlange,
Drum wahr' deine Wange.
Recht hat sie hierin;
Denn als mich letzthin
Der Jäger tat küssen,
Hat er mich gebissen.
Noch sind mir zur Stund'
Die Lippen ganz wund;
Doch sprech' ich von Herzen:
Mir macht er nicht Schmerzen!
Und biss' er mich sehr,
Ich wehrt's ihm nicht mehr;
Zwar ist es nicht üblich,
Doch beißt er zu lieblich!
Friedrich Freiherr von Logau