Raum Zitate (Seite 9)
Der Morgen
O sieh den Morgen lächelnd sich entschleiern,
O sieh den Turm, wie er von Strahlen glüht.
Horch! Wie dem Ruhm die Freude, zieht
Des jungen Tages ersten Feuern
Entgegen schon der Wälder erstes Lied.
Ja, lächle nur bei all dem Schönen.
Dieselbe Sonne leuchtet deinen Tränen,
Wenn morgen mich der dunkle Sarg verschlingt.
Ob meinem Grabe von denselben Tönen
Erschallt der Wald, davon er heute klingt?
Dann aber wird die Seele selig schweben
Im Grenzenlosen über Raum und Zeit.
Im Morgenrot...
Victor Marie Hugo
Frühlingswünsche
Im Frühling, wenn sich Baum und Strauch
Hat bräutlich angezogen,
Da kommen mir die Wünsche auch
Gleich Lerchen angeflogen.
Ich möchte sein ein stolzer Baum,
Hoch in den Himmel ragen,
Ich möcht' des Waldes grünen Raum
Als flinkes Reh durchjagen.
Ein starker Adler möcht' ich sein,
Aufwärts zur Sonne streben,
Ich möcht' der Blumen bunte Reih'n
Als Schmetterling durchschweben.
Ich möcht' als Sturm durch Meere hin
Wild tanzen meinen Reigen –
Doch – nein – ich bliebe, wer ich...
Ludwig Heinrich Christoph Hölty
Mensch!
Verlornes Licht im Raum,
Traum in einem tollen Traum,
Losgerissen und doch gekettet,
Vielleicht verdammt, vielleicht gerettet,
Vielleicht des Weltenwillens Ziel,
Vielleicht der Weltenlaune Spiel,
Vielleicht unvergänglich, vielleicht ein Spott,
Vielleicht ein Tier, vielleicht ein Gott.
Hugo von Hofmannsthal
Wir sind aus solchem Zeug wie das zu Träumen,
Und Träume schlagen so die Augen auf,
Wie kleine Kinder unter Kirschenbäumen,
Aus deren Krone den blassgoldnen Lauf
Der Vollmond anhebt durch die grosse Nacht.
Nicht anders tauchen unsre Träume auf.
Sind da und leben, wie ein Kind, das lacht,
Nicht minder gross im Auf- und Niederschweben
Als Vollmond, aus Baumkronen aufgewacht.
Das Innerste ist offen ihrem Weben,
Wie Geisterhände im versperrten Raum
Sind sie in uns und haben immer...
Hugo von Hofmannsthal
Besitz
Großer Garten liegt erschlossen,
Weite schweigende Terrassen:
Müßt mich alle Teile kennen,
Jeden Teil genießen lassen!
Schauen auf vom Blumenboden,
Auf zum Himmel durch Gezweige,
Längs dem Bach ins Fremde schreiten,
Niederwandeln sanfte Neige:
Dann, erst komme ich zum Weiher,
Der in stiller Mitte spiegelt,
Mir des Gartens ganze Freude
Träumerisch vereint entriegelt.
Aber solchen Vollbesitzes
Tiefe Blicke sind so selten!
Zwischen Finden und Verlieren
müssen sie als göttlich...
Hugo von Hofmannsthal
Die Seiltänzer
Sie gehen über den gespannten Seilen
Und schwanken manchmal fast, als wenn sie fallen.
Und ihre Hände schweben über allen,
Die flatternd in dem leeren Raum verweilen.
Das Haus ist überall von tausend Köpfen,
Die wachsen aus den Gurgeln steil, und starren
Wo oben hoch die dünnen Seile knarren.
Und Stille hört man langsam tröpfeln.
Die Tänzer aber gleiten hin geschwinde
Wie weiße Vögel, die die Wandrer narren
Und oben hoch im leeren Bäume springen.
Wesenlos, seltsam, wie sie sich...
Georg Heym
Die Sonne blickt mit hellem Schein
So freundlich in die Welt hinein.
Mach's ebenso! Sei heiter und froh!
Der Baum streckt seine Äste vor;
Zur Höhe strebt er kühl empor.
Mach's wie der Baum - Im sonnigen Raum!
Die Quelle springt und rieselt fort,
Zieht rasch und leicht von Ort zu Ort.
Mach's wie die Quell - Und rege Dich schnell!
Der Vogel singt sein Liedlein schnell,
Freut sich an Sonne, Baum und Quell.
Mach's ebenso! Sei rüstig und froh!
Johann Gottfried von Herder
Fichtenrauschen – Mondscheinleuchten
heben an ein seltsam Singen,
und im lichten Glaste flimmert's
wie von weißen Geisterschwingen ...
Wirfst du endlich ab die Hülle,
kehrst du wieder heim, Verlorner?
wachst du auf aus deinen Träumen,
nie Gestorbner – nie Geborner?!
Siehst du dich im goldnen Kahne
durch des Lebens Fluten gleiten,
nur gewichen sind die Ufer,
und erweitert sind die Weiten ...
Deine Flügel sind entfaltet
über Raum und alle Zeiten,
Tod und Leben sind nur Formen,
Träume dunkler...
Julius Hart
Erwache, schöne Schläferin,
Falls dieser Kuss nicht zu bestrafen:
Doch wenn ich dir zu zärtlich bin
Schlaf, oder scheine mir zu schlafen.
Die Unschuld, die nur halb erwacht,
Wann Lieb' und Wollust sie erregen,
Hat öfters manchen Traum vollbracht,
Den Spröde sich zu wünschen pflegen.
Was du empfindest, ist ein Traum:
Doch kann ein Traum so schön betrügen?
Gibst du der Liebe selbst nicht Raum:
So laß dich dann ihr Bild vergnügen.
Friedrich von Hagedorn
An einem Tag an dem es regnete
Tiefe Gefühle erlebt und doch so leer,
entschwundene Träume im offenen Meer
innige Wünsche in unerfüllter Liebe,
Wärme der Kälte gewichen, dem Triebe.
Gedanken verloren in ihrem Saum,
im Geiste tot das Licht der Laterne,
ein Nichts sucht sich Raum in weiter Ferne,
die Seele verfall‘n dem Trübsal im Traum.
Unmut kehrt das Innere zum Äußeren,
verloren in der Traurigkeit der Sinne
will Einsamkeit Verbindendes belehren,
das Zeit von Stund‘ an neu beginne.
.... an...
Gerd Groß
Es wirkt mit Macht der edle Mann
Jahrhunderte auf seines Gleichen:
Denn was ein guter Mensch erreichen kann,
Ist nicht im engen Raum des Lebens zu erreichen.
Drum lebt er auch nach seinem Tode fort,
Und ist so wirksam, als er lebte;
Die gute Tat, das schöne Wort:
Es strebt unsterblich, wie er sterblich strebte.
Johann Wolfgang von Goethe
Komm her...
Komm her, vergiß was Du weißt.
Setz Dich vor mich und lehn Deinen Rücken an.
Schließe Deine Augen und laß die Gedanken frei.
Fühlst Wärme und Nähe, genieße sie.
Keine Angst, es wird nichts geschehen,
denn Du wirst glauben, es war ein Traum.
Genieße, statt es zu fürchten.
Laß diesem Moment seinen Raum.
Werde auch meine Augen schließen.
Meine Hände streicheln Dich zart.
Du spürst meinen Atem im Nacken
meinen Herzschlag mit Deinem im Takt.
André Gest
Der Sturmwind singt sein Werbelied
vor meinem Kammerfenster;
die Nacht ist dunkel, die Nacht ist still,
die Schatten stehn wie Gespenster.
Die Nacht ist einsam, die Nacht ist lang,
mein Sehnen nach dir ist so wild …
Ich seh an die Scheiben des Fensters gepreßt
dein geisterhaft blasses Bild.
Die Nacht ist verschwiegen, die Nacht ist stumm;
komm zu mir zur Kammer herein,
und fülle den kleinen dunklen Raum
mit all deinem Sonnenschein.
Else Galen-Gube