Poesie Zitate (Seite 5)
Amanda, liebstes Kind,
Du Brustlatz kalter Herzen,
Der Liebe Feuerzeug,
Goldschachtel edler Zier,
Der Seufzer Blasebalg,
Des Trauerns Löschpapier,
Sandbüchse meiner Pein,
Und Baumöl meiner Schmerzen,
Die Speise meiner Lust,
Du Flamme meiner Herzen.
Nachtstülchen meiner Ruh
Der Poesie Clystier
Des mundes Alicant
Der Augen Lustrevier
Der Complimenten sitz
Du Meisterin zu schertzen
Der tugend Quodlibet
Calender meiner Zeit
Du Andachts-fackelchen
Du quell der Fröligkeit
Du tieffer abgrund du
Voll...
Christian Hofmann von Hofmannswaldau
Sorge nie, daß ich verrate
Meine Liebe vor der Welt,
Wenn mein Mund ob deiner Schönheit
Von Metaphern überquellt.
Unter einem Wald von Blumen
Liegt, in still verborgner Hut,
Jenes glühende Geheimnis,
Jene tief geheime Glut.
Sprühn einmal verdächtge Funken
aus den Rosen – sorge nie!
Diese Welt glaubt nicht an Flammen
Und sie nimmt's für Poesie.
Heinrich Heine
Solange tausendfältig Kain den Abel
Unblutig oder blutig, noch erschlägt;
Und nicht der Streit, den einst erregt zu Babel
Des Sprachenkampfs Erinnys, beigelegt –
Solang' nicht Poesie als Taub' im Schnabel
Des ewigen Völkerfriedens Ölzweig trägt –
Solang, sag ich euch, trotz der Fanfaren
Des Fortschrittsjubel, sind wir noch Barbaren!
Robert Hamerling
Gott sandte seinen rohen Kindern
Gesetz und Ordnung, Wissenschaft und Kunst,
Begabte sie mit aller Himmelsgunst,
Der Erde krasses Los zu mindern.
Sie kamen nackt vom Himmel an
Und wußten sich nicht zu benehmen;
Die Poesie zog ihnen Kleider an,
Und keine hatte sich zu schämen.
Johann Wolfgang von Goethe
Oft in tiefer Mitternacht
Faßt mich ein unendlich Bangen
Um die Tage, die vergangen
Und mich nicht ans Ziel gebracht.
Was ich jung umsonst gesucht,
Kann ich's alternd noch erringen?
An die ausgewachsnen Schwingen
Hing sich, ach, des Siechtums Wucht.
– Wirf denn hin den Zauberstab,
Eh' er dir entsinkt mit Schmerzen!
Nimm die letzte Glut im Herzen
Ungesungen mit ins Grab! –
Still, o still! Ich lern' es nie,
Stumme Tage klug zu weben.
Trostlos Darben wär ein Leben
Ohne dich, o Poesie!
Nach dem...
Emanuel Geibel
Schulpoeten
Die ganze deutsche Literatur
Ist leider für Gelehrte nur.
Gelehrte haben sie gemacht,
Und nie dabei ans Volk gedacht.
Was nützet Wissenschaft und Kunst?
Das ist ja eitel Schein und Dunst,
Wenn beides nicht zum Volke dringt,
Für all' und jeden Früchte bringt.
Was nützt dem Volke der Poet,
Wenn's Volk sein Singen nicht versteht?
Ins Herz des Volkes drang noch nie
Gelehrter Herren Poesie.
Laßt euern Wissensqualm und Dunst,
Und übet reine deutsche Kunst!
Werft allen Plunder über...
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Das Bilderbuch
Von der Poesie sucht Kunde
Mancher im gelehrten Buch,
Nur des Lebens schöne Runde
Lehret dich den Zauberspruch;
Doch in stillgeweihter Stunde
Will das Buch erschlossen sein,
Und so blick ich heut hinein,
Wie ein Kind im Frühlingswetter
Fröhlich Bilderbücher blättert,
Und es schweift der Sonnenschein
Auf den buntgemalten Lettern,
Und gelinde weht der Wind
Durch die Blumen, durch das Herz
Alte Freuden, alten Schmerz -
Weinen möcht ich, wie ein Kind!
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Dein Labyrinth
In Serpentinen winden sich die Worte
Und jede Kurve birgt ein neues Ziel.
Ganz sachte schließt sich hinter mir die Pforte
Und lockend rufst du mich zu deinem Spiel.
In jedem Gang erblick' ich tausend Türen.
Ein jeder Schritt ertrinkt in Illusion.
Ich laß' mich willig von dem Trug verführen
Und folge dir in deine Dimension.
Ich seh' das Tor, doch lasse ich mich treiben,
An ihm vorbei – und hör' die Melodie.
Ich bin gefangen, möcht' für immer bleiben,
Im Zaubergarten deiner Poesie.
Margot S. Baumann