Nur Zitate (Seite 279)
Sein Eigenschaft und Art
Bekam ein jedes Tier,
Und wie sie einmal war,
so bleibt sie für und für.
Der Löwe bleibt beherzt,
Es bleibt der Hase scheu,
Der Fuchs bleibt immer schlau,
Der Hund verbleibt getreu;
Der Mensch nur wandelt sich,
Verpuppt sich immerdar,
Ist diese Stunde nicht,
Der er in jener war.
Was hilft ihm dann Vernunft?
Sie hilft ihm ganz allein,
Daß mit Vernunft er kann
Recht unvernünftig sein.
Friedrich Freiherr von Logau
Grundlos Gute Laune?
Es nieselte und war unsanft kalt.
Er lächelte.
In der Straßenbahn arges Gedränge.
Er lächelte.
Sie hielt ihm seine Versäumnisse vor.
Er lächelte.
Die Menschen waren im Dauerstress.
Er lächelte.
Alle redeten ständig nur über Inflation.
Er lächelte.
Die Zeit schien ihn überrollen zu wollen.
Er lächelte.
Die Natur wehrte sich gegen die Willkür der Menschen.
Er lächelte.
Da schien plötzlich die Sonne in ihrer prächtigsten Laune.
Er lächelte
–
schmunzelnd und voller guter Laune.
Günther Linsel
Das Letzte
Erkenntnis in so reicher Weise
Erringt der Mensch, er dringt mit Muth
Hinauf an des Polarmeers Eise
Und durch der Palmenküste Gluth.
Er sieht der Erde letzte Grenzen,
Klimmt in der Berge tiefsten Schacht,
Und sein Gedanke wird ergänzen,
Was ihm Erfahrung eingebracht.
Die Schwingen seiner Forschung tragen
Ihn kühn bis zu der Sterne Lauf;
Den Tod, den Schlußstein aller Fragen,
Dies Räthsel löst der Tod nur auf.
Hermann Ritter von Lingg
Ja, einmal nimmt der Mensch von seinen Tagen
Im voraus schon des Glückes Zinsen ein,
Und spricht: Ich will den Kranz der Freude tragen,
Mag, was darauf folgt, nur noch Asche sein.
Die vollen Becher! Laß uns alles wagen!
Ja einmal will ich auf den Mittagshöh'n
Des Lebens stehn und dann am Ende sagen:
Wie war es doch so schön!
Wie war der Traum so schön! Da wir uns liebten,
Da blühten Rosen um den Trauerzug;
Im Schaum der Tage, die sonst leer zerstiebten,
War eine Perle, reich und stolz...
Hermann Ritter von Lingg
Rotkehlchen
Schwalben waren schon lang
Fort und auf der Reise,
Nur ein Rotkehlchen sang
Lieblich und leise
Unter dem Dach
Eines Hauses, das, halb zerstört,
Allmählich zusammenbrach.
Es wurde von niemand gehört,
Und dennoch sang es. Das Moos
Wuchs auf der Schwelle,
Die Steine bröckelten los,
Des Abendlichtes Helle
Schlief in den Zimmern allein,
Die Stürme gingen aus und ein
In dem großen verödeten Gang,
Aber das Rotkehlchen sang.
Lust und Freude war entflohn,
Alles war aus,
Es wußte nichts...
Hermann Ritter von Lingg
Mittagszauber
Vor Wonne zitternd hat die Mittagsschwüle
Auf Tal und Höh' in Stille sich gebreitet;
Man hört nur, wie der Specht im Tannicht scheitet,
Und wie durchs Tobel rauscht die Sägemühle.
Und schneller fließt der Bach, als such' er Kühle.
Die Blume schaut ihm durstig nach und spreitet
Die Blätter sehnend aus, und trunken gleitet
Der Schmetterling vom seidnen Blütenpfühle.
Am Ufer sucht der Fährmann sich im Nachen
Aus Weidenlaub ein Sonnendach zu zimmern
Und sieht ins Wasser, was die...
Hermann Ritter von Lingg
Äolsharfe
Geheimnisvoller Klang,
Für Geister der Luft besaitet,
Von keines Menschen Gesang,
Von Stürmen nur begleitet.
In deinen Tiefen sind
Die Melodien der Sterne, –
So ruft ein weinend Kind
Der Mutter in der Ferne.
Laute der Trösterin Einsamkeit!
So ziehen über Fluten Schwäne,
So wiegt in Träume der Seligkeit
Die schmerzenstillende Träne.
Hermann Ritter von Lingg
Immer leiser wird mein Schlummer,
Nur wie Schleier liegt mein Kummer
Zitternd über mir.
Oft im Traume hör ich dich
Rufen drauß vor meiner Tür,
Niemand wacht und öffnet dir,
Ich erwach und weine bitterlich.
Ja, ich werde sterben müssen,
Eine Andre wirst du küssen,
Wenn ich bleich und kalt.
Eh die Maienlüfte wehn,
Eh die Drossel singt im Wald:
Willst du mich noch einmal sehn,
Komm, o komme bald!
Hermann Ritter von Lingg
Lästerzungen, selbst die frommen,
Stimmen rührend überein,
Wie du herrlich dich benommen,
Alle Schuld trifft mich allein.
Eins nur wird dich still verklagen,
Wenn ans Fenster pocht der Wind,
Niemand wird dann zu dir sagen:
Traute Seele, liebes Kind!
Niemand wird mehr mit dir weinen,
Und wenn erst die Lerche singt,
Sag mir, wer dir dann die kleinen,
Dir die frühen...
Hermann Ritter von Lingg
Kleines Glück
Sie geht in aller Frühe,
noch eh die Dämmrung schwand,
den Weg zur Tagesmühe
im ärmlichen Gewand;
die dunklen Nebel feuchten
noch in der Straße dicht,
sonst sähe man beleuchten
ein Lächeln ihr Gesicht;
die Götter mögen wissen,
warum sie heimlich lacht -
es weiß es nur das Kissen,
was ihr geträumt heut nacht.
Hermann Ritter von Lingg
Zahn um Zahn
Du kommst zur Welt mit leerem Mund,
dann wächst dir ein Gebiss,
schon bald geht dieses vor den Hund,
doch zweites ist gewiss.
Du nagst dich durch so manchen Dreck,
kaust auch an harten Brocken,
da fällt Gebeiße wieder weg,
du schluckst und bist erschrocken.
Den kahlen Mund ziert bald darauf,
was nachts im Glase schwimmt,
und zähneknirschend fällt dir auf,
bist zahnlos, doch nicht Kind.
Moral:
Ein steiler Zahn warst du dereinst
Mit strahlend weißer Fülle,
egal, wie du auch bleckst...
Ruth W. Lingenfelser
Freundschaft
Ein Freund ist ein Mensch
der zuhört,
der weghört,
der schweigt,
der spricht,
nicht nur sagt,
was gefällt,
der losläßt
und hält.
Der den Ernst des Lebens
mit dir trägt,
der dich stützt und bewegt.
Ein Freund ist ein Mensch,
dem du vertraust,
mit dem du
von Spiegel zu Spiegel schaust.
Ruth W. Lingenfelser
Für Julia
Ich wünsche dir Gelassenheit,
und Hoffnung, Mut, Beständigkeit.
Ich wünsch dir Kraft
auch schwach zu sein,
sieh Fehler nach und Fehler ein.
Ich wünsch dir Freunde für dein Leben
und Größe, Feinden zu vergeben.
Ich wünsch dir Träume für den Tag,
und dass ein Stern dir leuchten mag.
Ich wünsch dir Zeit zu allein Zeiten,
lass dich nicht hetzen, lass dich leiten
von deinem Herz, der inneren Uhr,
und gehe nach Verstand nicht nur.
Ich wünsche Glück dir immerzu,
mir wünsche ich, mein Kind,...
Ruth W. Lingenfelser