Nur Zitate (Seite 250)
Konsequenz
Wer da zu früh die Gunst der Welt erfahren
Und ihres Beifalls Übermaß errungen,
Der wird sofort, von Hochmut rasch durchdrungen,
Die menschliche Gemeinheit offenbaren.
Schon auf dem Gipfel wird er sich gewahren,
Gewappnet, wie dem Haupt des Zeus entsprungen;
Verachten wird er dreist der Wahrheit Zungen,
Ungnädig sein – auch gegen Schmeichlerscharen.
Er fühlt sich, und die höchste selbst der Kronen
Vermag ihm keine Demut einzuflößen:
Daß er sie trägt, soll euch, nicht ihn...
Ferdinand von Saar
Herbstlese
Schon blicken rote Wipfel
Aus fahlem Laub hervor,
Leis' um der Berge Gipfel
Wallt lichter Nebelflor.
Schon folgt dem Schnitterreigen
Des Jägers rascher Schuß –
Doch reift's noch an den Zweigen
Im letzten Sonnenkuß.
Bald nahen frohe Hände,
Sie schütteln Ast um Ast,
Sie brechen vom Gelände
Der Trauben süße Last.
Denn so ist's allerwegen:
Daß für des Sommers Fleiß
Mit köstlich reichem Segen
Der Herbst zu lohnen weiß.
Doch was ist dir beschieden,
Der du die Zeit verträumt,
Der du, zu...
Ferdinand von Saar
Unmut
Freilich, freilich, alles eitel,
Alles Trug und Schein –
Ach, wie bald ergraut der Scheitel,
Und du stehst allein!
Deine Hoffnungen und Taten
Hat die Zeit gefällt,
Und du siehest neue Saaten
Ohne dich bestellt.
Und du fragst zuletzt mit Grollen:
Hab' ich nur gelebt,
Um der rauhen Hand zu zollen,
Die die Gräber gräbt?
Ferdinand von Saar
Reinheit
Schelte man doch nicht den Dichter,
Wenn auch er zuweilen sinkt,
Und wie anderes Gelichter
Aus des Lebens Pfütze trinkt.
Reiner nur in Gegensätzen,
Heller tönt empor sein Lied;
Nimmer weiß das Licht zu schätzen,
Wer das Dunkel stets vermied.
Wie ihn auch sein Wipfel kröne,
Wurzelt doch in Nacht und Stamm –
Und der Lilie keusche Schöne
Blühet aus des Teiches Schlamm!
Ferdinand von Saar
Wenn dich Familienbande fest umstricken,
So darf dein Geist nach Freiheit nicht mehr blicken.
Die Sorg' um Kinder, Kleidung, Nahrung, Geld,
Zieht dich zurück vom Weg zur Geisteswelt.
Den ganzen Tag hab ich mir vorbedacht,
Mit Gott nur umzugehn die ganze Nacht,
Allein beim Beten konnt ich nicht vergessen:
Was werden meine Kinder morgen essen?
Saadî
Achte gut auf diesen Tag,
denn er ist das Leben –
das Leben allen Lebens.
In seinem kurzen Ablauf liegt alle seine
Wirklichkeit und Wahrheit des Daseins,
die Wonne des Wachsens,
die Größe der Tat,
die Herrlichkeit der Kraft.
Denn das Gestern ist nichts als ein Traum
und das Morgen nur eine Vision.
Das Heute jedoch, recht gelebt,
macht jedes Gestern
zu einem Traum voller Glück
und jedes Morgen
zu einer Vision voller Hoffnung.
Darum achte gut auf diesen Tag.
Rumi
Toleranz
Ich bin ein toleranter Mann,
das ist auch zu erstreben,
denn nur wer tolerant sein kann,
hat auch Erfolg im Leben.
Ich bin ein toleranter Mann
in allen Lebenslagen
und wer was auf dem Herzen hat,
der kann mir alles sagen.
Ich bin ein toleranter Mann
und das in jeder Phase,
doch wer nicht meiner Meinung ist,
der kriegt was auf die Nase.
Edmund Ruhenstroth
Das Leben magst du wohl vergleichen einem Feste,
Doch nicht zur Freude sind geladen alle Gäste.
Gar manchen, scheint es, lud man nur, um die Beschwerde
Zu übertragen, daß die Lust den andern werde.
Den Esel lud man einst zu diesem Hochzeitsschmause,
Weil es zu tragen Holz und Wasser gab im Hause.
Der Esel dachte stolz, geladen bin ich auch,
Jawohl, beladen mit dem Tragreff und dem Schlauch.
Friedrich Rückert
Wenn es dir übel geht, nimm es für gut nur immer;
Wenn du es übel nimmst, so geht es dir noch schlimmer;
Und wenn der Freund dich kränkt, verzeih's ihm und versteh:
Es ist ihm selbst nicht wohl, sonst thät er dir nicht weh;
Und kränkt die Liebe dich, sei dir's zur Lieb ein Sporn;
Daß du die Rose hast, das merkst du erst am Dorn.
Friedrich Rückert
Unsterblichkeit ist nicht der Zukunft aufgespart,
Unsterblichkeit ist im Gefühl der Gegenwart.
Du wärst nicht, der du bist, in diesem Nu der Zeit,
Wenn du derselbige nicht wärst in Ewigkeit.
So bald du denken willst, du wärest nicht mehr einst:
So fühlst du, daß du dich insoweit selbst verneinst.
Verneine nur dies Nein! dazu hast du empfahn
Des Geistes Kraft allein, dich ewig zu bejahn.
Friedrich Rückert
Das Lachen
O nehmt es mir nicht übel,
Wenn über euch ich lache,
Weil ich einmal muß lachen!
Ich lach', um nur zu lachen,
Selbst über mich nicht minder
Als über euch ich lache;
Und nehm' es auch nicht übel,
Daß über mich ihr lachet,
Wenn ihr nicht seid im Stande,
Selbst über euch zu lachen.
Friedrich Rückert
Was in der Schule du gelernt, ist's wohl vergebens,
Weil du gebrauchen es nicht kannst im Lauf des Lebens?
O nein, den Acker hat zum Anbau es entwildert,
Zum Wesentlichen hat's dich förmlich vorgebildet.
So, was im Leben selbst der großen Schule, du
Gelernt hast, bringst du nicht umsonst dem Himmel zu.
Du mußt die irdischen Aufgaben recht nur treiben,
Und ewig wird davon die Segenswirkung bleiben.
Friedrich Rückert
Die ganze Welt ist viel zu groß,
Sie an Ein Herz zu fassen;
Dazu genügt nur Gottes Schoß,
Dem bleibt es überlassen;
Ein Menschenherz ist viel zu klein,
Um liebend sich der Welt zu weih'n.
Du mußt an eine treue Brust
Insonders hin dich neigen,
Ihr alle deine Liebeslust
Ausschließlich geben eigen;
Wer so ein Herz am Herzen hält,
Der liebt in ihm die ganze Welt.
Friedrich Rückert
In Lüften hängt ein Lerchenton
Mein Ohr hat staunend ihn vernommen
ist's eine die noch nicht entflohn?
Ist's eine die zurückgekommen,
Gelockt von Frühling schon
Da rings die Schöpfung noch von Winter ist?
Durch meine Seele zieht ein Schwung,
denn jeder Ton hat angeschlagen.
Ist's Ahnung, ist's Erinnerung
Von künftigen, von vor'gen Tagen?
Ich fühle nur mich jung
Ob wie ich's war, ob wie ich sein werd'? Ist zu fragen.
Verklungen ist die Melodie
Verklungen von Schneewolkenherden
Und Winter ist's...
Friedrich Rückert