Nur Zitate (Seite 246)
Nebeltag
Vorbei nun ist es mit den blauen Tagen,
es senkt der Herbst die graue Schlußgardine;
vom Garten, der einst Rosenpracht getragen,
dringt Grabesduft verblühter Balsamine.
Ein letztes Ideal ward mir zerschlagen,
Brief zuckt auf Brief verflammend im Kamine;
indessen Schauer überm Parke jagen,
pfeift hell der Sturm die Abschiedskavatine.
Mir ahnt es trüb: wer um das Glück der Erden
sein Herzblut gab, den trösten nur hinferne
noch Arbeitslämpchen und Kamingefunkel.
Denn alle Wonnen, die...
Prinz Emil von Schoenaich-Carolath-Schilden
Vom wilden Lärm der Städte fern,
Im kühlen Hain weht Geist vom Herrn:
Es ist der Andacht stiller Geist,
Der uns dem Weltgewühl entreißt,
In heil'ger Gluth die Herzen läutert,
Und den Gedankenkreis erweitert.
Wer Einsamkeit, die hehre, scheut,
Wen eitler Thorheit Glanz erfreut,
Wen nimmer die Natur entzückt,
Wer keinen Freund an's Herz gedrückt;
Für den ist Gottes Geist verloren,
Er ward der Erde nur geboren.
Konrad Georg Friedrich Elias von Schmidt-Phiseldeck
Ein Heller und ein Batzen,
die waren beide mein, ja, mein.
Der Heller ward zu Wasser,
der Batzen ward zu Wein, ja Wein.
Die Wirtsleut' und die Mädel,
die rufen beid':"O weh, o weh!"
Die Wirtsleut' wenn ich komme,
die Mädel, wenn ich geh', ja geh'.
Mein Strümpf', die sind zerrissen,
mein Stiefel sind entzwei
und draußen auf der Heide,
da singt der Vogel frei.
Und gäb's kein Landstraß' nirgends,
so blieb ich still zuhaus
und gäb's kein Loch im Fasse,
so tränk ich gar nicht draus.
Das war 'ne...
Albert Graf Schlippenbach
Lied der alten Spinnerin
Rollend Spinnrad spinnt die Zeit,
Jahre wehn wie Flocken,
Hinter uns, wie liegen weit
Lebenslenz und Locken.
Rollend Spinnrad spinnt die Zeit,
Wolken ziehn wie Jahre,
Stille Träne, vieles Leid
Spinnt uns Silberhaare.
Rollend Spinnrad spinnt die Zeit,
Schnee und Flocken fliegen,
Nur die Arbeit, froh bereit,
Kann dich, Leid, besiegen.
Carl Ludwig Schleich
Das Mädchen
Wie so innig, möcht ich sagen,
Sich der Meine mir ergiebt,
Um zu lindern meine Klagen,
Daß er nicht so innig liebt.
Will ich's sagen, so entschwebt es;
Wären Töne mir verliehen,
Flöß' es hin in Harmonien,
Denn in jenen Tönen lebt es.
Nur die Nachtigall kann sagen,
Wie er innig sich ergiebt,
Um zu lindern meine Klagen,
Daß er nicht so innig liebt.
Friedrich von Schlegel
Mißdeutung
(Im Herbst 1819)
Der Bundestag hat wie ein Leu gebrüllt.
Seid ihr von Grausen, Deutsche, nicht erfüllt?
Macht euch gefaßt auf unerhörte Dinge!
Er geht umher und sucht, wen er verschlinge.
Nicht doch! Es war kein Brüllen, wie ihr wähnt.
Der Bundestag hat nur sehr laut gegähnt;
Denn auf der Bärenhaut der Protokolle
Sich wälzend, spielt er schlafend seine Rolle.
August Wilhelm von Schlegel
In der Fremde
Oft hab' ich dich rauh gescholten,
Muttersprache, so vertraut!
Höher hätte mir gegolten
südlicher Sirenenlaut.
Und nun irr' ich in der Ferne
freudenlos von Ort zu Ort
und vernähm', ach, wie so gerne
nur ein einzig deutsches Wort.
Einsam schweif' ich in die Felder,
such' ein Echo der Natur;
aber Bäche, Winde, Wälder
rauschen fremd auf dieser Flur.
Unverstanden, unbeachtet,
wie mein deutsches Lied verhallt,
bleibt es, wann mein Busen schmachtet
und in bangem Sehnen wallt.
August Wilhelm von Schlegel
Welch hohes Wunder muß die Liebe sein!
Das Menschenherz ist doch so eng, so klein –
Und wenn es liebt, dann ist es groß und weit,
Dann hat es Raum für eine Ewigkeit. –
Dann ist es stark, nicht länger arm und schwach,
Denn in ihm tönt ein Gottgedanke nach,
Es loht darin ein Funken Himmelglut,
Ein Strahl von jenem Licht, das Wunder thut,
Ein Hauch der Schöpferkraft, die aus dem Nichts
Das Weltall rief zum Träger ihres Lichts –
– O, welch ein Wunder muß die Liebe sein! –
Für einen Himmel ist es...
Max von Schlägel