Nur Zitate (Seite 236)
Auf dem Faulbett
Auf mein Faulbett hingestreckt
Überdenk' ich so meine Tage,
Forschend, was wohl dahintersteckt.
Daß ich nur immer klage.
Ich habe zu essen, ich habe Tabak,
Ich lebe in jeder Sphäre,
Ich liebe je nach meinem Geschmack
Blaustrumpf oder Hetäre.
Die sexuelle Psychopathie,
Ich habe sie längst überwunden -
Und dennoch, ich vergess' es nie,
Es waren doch schöne Stunden.
Frank Wedekind
Die Realistin
Rosetta behauptet, die Liebe
Sei lediglich Schweinerei,
Die man nur deshalb betriebe,
Weil einem so wohl dabei.
Daß Menschen an Liebe gestorben,
Das sei nicht schwer zu verstehn.
Sie hätten sich eben verdorben,
Wie's öfter pflegt zu geschehn.
Sie selber nähme das peinlich,
Denn ein verliebtes Schwein,
Das müsse auswendig so reinlich
Wie ein Engel inwendig sein.
Frank Wedekind
Morgenstimmung
Leise schleich' ich wie auf Eiern
Mich aus Liebchens Paradies,
Wo ich hinter dichten Schleiern
Meine besten Kräfte ließ.
Traurig spiegelt sich der bleiche
Mond in meinem alten Frack;
Ach die Wirkung bleibt die gleiche,
Wie das Kind auch heißen mag.
Wilhelmine, Karoline,
's ist gesprungen wie gehupft,
Nur daß hier die Unschuldsmiene,
Dort dich die Routine rupft.
Frank Wedekind
Dornen
Hat dich im Winter ein Dorn gestochen
in deinen Finger, in dein Gemüte,
sei still! Im Lenze nach wenigen Wochen
versöhnt er dich mit lieblicher Blüte.
Und hast du Wunden und Weh zu klagen
von rauhen Dornen im Menschengarten:
du mußt nicht reuten, du mußt nur warten,
sie werden vielleicht dir noch Rosen tragen.
Friedrich Wilhelm Weber
Wie wird doch Alles enden noch?
Wie wird sich Alles wenden doch?
O frage nicht, es gibt die Zeit,
Wer weiß, dir nur zu bald Bescheid!
Schon manchen Sehnens bist du bar,
Das deiner Jungend theuer war,
Und jedes Jahr, das dir verstrich,
Betrog um eine Hoffnung dich.
Wie trügest du noch mit festem Mut
Du dieses Lebens mißlich Gut,
Blieb nicht für jeden nächsten Tag
Der Ungewißheit Reiz dir wach?
O frage nicht, was werden wird;
Geh' deine Straße unbeirrt,
Und spende Dank dem Weltengeist,
Daß du,...
Robert Waldmüller
Der verstockte Advokat
Zehn Jahre hat er advokiert,
Da war die Rechte lahmgeschmiert.
Drauf schrieb er links, der alte Sünder,
Und advokiert seither nicht minder.
Bald ist nun zwar, wie sich's gebührt,
Die linke Hand auch lahmgeschmiert.
Doch hofft nur nicht auf seine Buße:
Dann advokiert er mit dem Fuße.
Johann Heinrich Voß
Großer Bahnhof
Nicht warten
auf den Zug, der einfährt
in den Bahnhof Deiner Träume
denn nie erkennst Du wirklich
seine Abfahrtszeit
Zurücktreten bitte!
Verspätung auf Gleis neun!
Und wichtig ist auch nicht,
wohin er fährt, der Zug
denn oft gibt es kein Ziel
das wirklich weit genug
Es ist die Reise
die Dich lockt
Weil hinter jeder Bahnstation
die nächste auf Dich wartet
Und Dein Gepäck?
Du brauchst nur Dein Gefühl
die kleine Tasche mit der großen Ungeduld
und etwas Liebe zum...
Götz vor dem Gentschenfelde
Fast ein Nebel
Es ist die langsame Erinnerung
Nicht die, die manchmal überfällt
Die schwebend ist, fast unsichtbar
wie Wolken sich verdichtet
an Tagen, die nur manchmal sind.
Die ist es, die Dir Fragen stellt.
Nach Kindheit so,
daß Du den Sand noch in den Haaren spürst
und jedes aufgeschlag’ne Knie
die Tränen und den Trost.
Nach Jugend so,
daß Du noch weißt
wie’s war beim ersten Mal
nach jener neuen, frischen Zeit
in der der Lauf der Welt
allein in Deinen Händen lag.
Einstweilen...
Götz vor dem Gentschenfelde
Zu Gott, den er im Staub verehrte, sprach
Einst ein Kalif in seiner letzten Stunde
Als einziges Gebet die frommen Worte:
"Ich bringe Dir, allein'ger höchster Herrscher,
Dir, einzig unbeschränktes Wesen, Alles,
Was du entbehrst in Deiner Herrlichkeit
Und nur uns Erdenwürmern wolltest gönnen:
Schuld, Reue, Elend und Unwissenheit."
– Doch hätt' er noch die Hoffnung nennen können.
Voltaire
Ich werde sein! – Wie ich sei, gleichviel,
Mag wirklich mich die Unterwelt umfangen,
Mag ich im reinen Äther wandeln, oder
Von Welt zu Welt, von Stern zu Sterne schweben:
Dies Herz, der Geist –
Sie bleiben unverändert. Liebend jenes,
Und dieser nur der Tugend Stimme hörend,
Wer ihr gehorchte, ist des Lohn's gewiß,
Es spende ihn ein Minos richtend aus,
Es reiche ihn ein unsichtbarer Gott.
Heinrich Carl Wilhelm Reichsgraf Vitzthum von Eckstädt