Nichte Zitate (Seite 270)
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten
daß ich so traurig bin
Ein Märchen aus uralten Zeiten
das kommt mir nicht aus dem Sinn
Die Luft ist kühl und es dunkelt
und ruhig fließt der Rhein
Der Gipfel des Berges funkelt
im Abendsonnenschein
Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar,
Ihr gold'nes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar,
Sie kämmt es mit goldenem Kamme,
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame,
Gewalt'ge Melodei.
Den Schiffer im kleinen Schiffe,
Ergreift es...
Heinrich Heine
Ich halte ihr die Augen zu...
Ich halte ihr die Augen zu
Und küß sie auf den Mund;
Nun läßt sie mich nicht mehr in Ruh,
Sie fragt mich um den Grund.
Von Abend spät bis Morgens früh,
Sie fragt zu jeder Stund:
Was hältst du mir die Augen zu,
Wenn du mir küßt den Mund?
Ich sag ihr nicht, weshalb ich's tu,
Weiß selber nicht den Grund –
Ich halte ihr die Augen zu
Und küß ihr auf den Mund.
Heinrich Heine
Vorfrühling
Wie die Knospe hütend,
Daß sie nicht Blume werde,
Liegt's so dumpf und brütend
Über der drängenden Erde.
Wolkenmassen ballten
Sich der Sonne entgegen,
Doch durch tausend Spalten
Dringt der befruchtende Segen.
Glühnde Düfte ringeln
In die Höhe sich munter.
Flüchtig grüßend, züngeln
Streifende Lichter herunter.
Daß nun, still erfrischend,
Eins zum andern sich finde,
Rühren, alles mischend,
Sich lebendige Winde.
Und so kann, so kann auch ich
Nicht begreifen und nicht...
Christian Friedrich Hebbel
Scheidelied
Kein Lebewohl, kein banges Scheiden!
Viel lieber ein Geschiedensein!
Ertragen kann ich jedes Leiden,
doch trinken kann ich nichts wie Wein.
Wir saßen gestern noch beisammen,
von Trennung wußt ich selbst noch kaum!
Das Herz trieb seine alten Flammen,
die Seele spann den alten Traum.
Dann rasch ein Kuß vom lieben Munde,
nicht schmerzgetränkt, nicht angstverkürzt!
Das nenn' ich eine Abschiedsstunde,
die leere Ewigkeiten würzt.
Christian Friedrich Hebbel
So nimm denn meine Hände
Und führe mich
Bis an mein selig Ende
Und ewiglich!
Ich mag allein nicht gehen,
Nicht einen Schritt;
Wo du wirst geh'n und stehen,
Da nimm mich mit.
In dein Erbarmen Hülle
Mein schwaches Herz
Und mach es gänzlich stille
In Freud und Schmerz.
Laß ruhn zu deinen Füßen
Dein armes Kind;
Es will die Augen schließen
Und glauben blind.
Wenn ich auch gleich nicht fühle
Von deiner Macht,
Du bringst mich doch zum Ziele,
Auch durch die Nacht.
So nimm denn meine Hände
Und führe...
Julie von Hausmann
Und kommst du nicht am Tage
Und kommst du nicht am Tage,
So komm im Traum zu mir;
Gewiß, gewiß ich sage
Dir tausend Dank dafür.
Komm immer so wie heute,
Da ich entschlummert kaum,
Wie holdes Brautgeläute
Erklang mein ganzer Traum.
Wohl sind noch meine Lider,
Wenn ich erwache, feucht –
Doch komme immer wieder,
Vor Glück weint' ich vielleicht.
Ich fleh' es, wie mit Kosen
Der Nachtigall Gebet
Vom jungen Frühling Rosen
In kalter Nacht erfleht.
O komm mit aller Plage,
Die du mir schon...
Moritz Hartmann
Wenn du dein Auge schließest,
wo ist das Licht dann, wo?
Erloschen ist der Sonne Glanz,
der Sterne Schimmer floh.
Die Welt ist Nacht und Öde,
der Mond nicht scheinen mag;
dein Aug' erst spricht dein Schöpfungswort,
gibt deiner Welt den Tag.
Wenn nicht in deinem Herzen,
wo ist das Glück dann, wo?
Was dir die Welt als Glück gewährt,
macht nie dich völlig froh.
Du führst das Glück selbst in die Welt
aus dir, aus dir allein.
Die Welt ist Nacht und Öde,
kannst du nicht glücklich sein.
Richard Hamel
O rede nicht, wenn heiß das Blut dir wallt,
ein böses Wort ist wie ein gift'ger Pfeil,
die Wunde, die es schlug, sie wird nicht heil,
wenn auch das Wort im Augenblick verhallt.
O schweige nicht, wenn heiß das Herz sich regt,
ein gutes Wort ist wie ein Himmelstrost,
in süße Tränen löst es starren Frost,
mit guten Worten wird das Glück gepflegt.
Nina Güthner
Der Caucasus
Mir zu Häupten Wolken wandeln,
Mir zur Seite Luft verwehet,
Wellen mir den Fuß umspielen,
Thürmen sich und brausen, sinken. –
Meine Schläfe, Jahr' umgauklen,
Sommer, Frühling, Winter kamen,
Frühling mich nicht grün bekleidet,
Sommer hat mich nicht entzündet,
Winter nicht mein Haupt gewandelt.
Hoch mein Gipfel über Wolken
Eingetaucht im ew'gen Äther
Freuet sich des steten
Lebens.
Karoline von Günderode
Vollbracht ist's – ach, wie alles Menschenstreben!
Kein Stein, drum nicht schon kämpfte Menschenwut!
Kein Strauch an dem nicht Menschentränen kleben!
Kein Stäubchen Land, an dem nicht Menschenblut!
Mich dünkt's, im Buch des Himmels wären
Die schönsten Stellen, heiligsten Legenden,
Des Friedens und der Liebe Gotteslehren
Mit schwarzem Strich durchkreuzt von Menschenhänden.
Anastasius Grün
O wüßt' ich doch den Weg zurück,
den lieben Weg zum Kinderland!
O warum sucht ich nach dem Glück
und ließ der Mutter Hand?
O wie mich sehnet auszuruhn,
von keinem Streben aufgeweckt,
die müden Augen zuzutun,
von Liebe sanft bedeckt!
Und nichts zu forschen, nichts zu spähn
und nur noch träumen leicht und lind;
der Zeiten Wandel nicht zu sehn,
zum zweitenmal ein Kind!
O zeigt mir doch den Weg zurück,
den lieben Weg zum Kinderland!
Vergebens such' ich nach dem Glück,
ringsum ist öder Strand.
Klaus Groth
Erinnerung
Hab' ich mich nicht losgerissen,
Nicht mein Herz von ihr gewandt,
Weil ich sie verachten müssen,
Weil ich wertlos sie erkannt?
Warum steht mit holdem Bangen
Sie denn immer noch vor mir?
Woher dieses Glutverlangen,
Das mich jetzt noch zieht zu ihr?
Tausend alte Bilder kommen,
Ach! und jedes, jedes spricht:
Ist der Pfeil auch weggenommen,
Ist es doch die Wunde nicht.
Franz Grillparzer