Nichte Zitate (Seite 267)
Der Jungfernkranz
Und daß ich eine Jungfer bin
und habe keinen Mann
und noch nicht weiß, was Liebe ist,
das steht mir wenig an.
Was hilft mir denn mein Jungfernkranz,
hab ich ihn ganz allein,
ich trag ihn zwanzig Jahre lang,
bald wird verwelkt er sein.
Verwelken aber soll er nicht
vor Sonne und vor Wind,
ich häng ihn abends in den Tau,
bis daß ihn einer findt.
Und wer ihn findt, das sag ich frei,
ihn auch behalten kann;
ich trug ihn zwanzig Jahre lang,
mir liegt nichts mehr daran.
Hermann Löns
Der Wundermann
In Völksen wohnt ein Wundermann,
Der jede Krankheit heilen kann:
Zahnweh und Friesel und den Mumps,
Die Schwindsucht und den Fuß des Klumps.
Er hat nicht Medizin studiert,
Hat nicht zum Doktor promoviert,
Mit einer Flasche Fliedertee
Kuriert er jedes Ach und Weh.
Kolik und Infaulentia,
Die Wassersucht, das Podagra,
Für Gallenstein, für Hüfteweh,
Für alles hilft der Fliedertee.
Das heißt, dem Wundermann hilft er,
bisher war seine Börse leer,
Jetzt ist stets voll sein...
Hermann Löns
Die Großmutter spricht:
Ein Manneskuß sticht
Und beißt, gleich der Schlange,
Drum wahr' deine Wange.
Recht hat sie hierin;
Denn als mich letzthin
Der Jäger tat küssen,
Hat er mich gebissen.
Noch sind mir zur Stund'
Die Lippen ganz wund;
Doch sprech' ich von Herzen:
Mir macht er nicht Schmerzen!
Und biss' er mich sehr,
Ich wehrt's ihm nicht mehr;
Zwar ist es nicht üblich,
Doch beißt er zu lieblich!
Friedrich Freiherr von Logau
Außer Tresen nichts gewesen
Nach manch erhofftem Abenteuer
war letztlich nur der Abend teuer.
Weil einer richtig investiert
und ansonsten nix passiert.
"Außer Tresen nichts gewesen"
ist anderntags im Aug' zu lesen,
das müde aus der Wäsche guckt
und beim eigenen Anblick zuckt,
die Wimpern schamhaft niederschlägt,
Gewissen sich samt Magen regt,
dem ein Grollen laut entfährt,
irgendwas lief da verkehrt.
Irgendwie gings voll daneben
mit dem Nehmen oder Geben
und dem Wunsch nach so viel mehr,
nur...
Ruth W. Lingenfelser
Was kostbar ist
Sind es nicht
Momente allein,
die kleinen Dinge,
die sich einbrennen
in uns für immer?
Es genügt nicht,
zu messen,
was einer hat,
was einer dir ist,
zählt viel mehr
und was
er dir schenkt an Zeit.
Schau nicht auf Äußeres,
schau in die Herzen
der Menschen allein,
nur das ist Wert,
nur das macht dich reich.
Ruth W. Lingenfelser
Schrei
Ich soll verzichten und entsagen
Und einsam sein,
Ich soll den Jammer in mir tragen
Und soll nicht schrein!
Soll gegen ein Gesetz nicht rasen,
Das uns jetzt trennt,
Beschwichtigen mit leeren Phrasen,
Was in mir brennt!
Und hören, wie sie's Sünde nennen
Und Unmoral,
Weil sie nicht unsern Himmel kennen –
Die Narren all!
Thekla Lingen
Die Wehmut
Ich hab' einen Haß, einen grimmigen Haß
Und weiß doch selbst nicht recht auf was.
Ich bin so elend, so träge und faul
Wie 'n abgeschundner Ackergaul.
Ich hab' einen bösen Zug im Gesicht.
Mir ist niemand Freund, ich will es auch nicht.
Ich hab' eine Wut auf die ganze Welt.
In der mir nicht mal mehr das Laster gefällt.
Und schimpfe und fluche, ich oller Tor
Und komme mir sehr dämonisch vor.
Alfred Lichtenstein
An einen jungen Freund
Nimm dieses Leben nicht so ernst!
recht spaßhaft ist's im allgemeinen…
Je besser du es kennenlernst,
je muntrer wird es dir erscheinen.
Kein Drama ist's im großen Stil –
wie du dir denkst – mit Schuld und Sühne;
es ist ein derbes Possenspiel
auf einer Dilettantenbühne.
Zwar wär's nicht halb so jämmerlich,
wenn nur die Leute besser spielten,
und wenn die Lustigmacher sich
nicht immer für die Helden hielten.
Heinrich Leuthold
Die Küsse
Ein Küßchen, das ein Kind mir schenket,
Das mit dem Küssen nur noch spielt,
Und bei dem Küssen noch nichts denket,
Das ist ein Kuß, den man nicht fühlt.
Ein Kuß, den mir ein Freund verehret,
Das ist ein Gruß, der eigentlich
Zum wahren Küssen nicht gehöret:
Aus kalter Mode küßt er mich.
Ein Kuß, den mir mein Vater giebet,
Ein wohlgemeinter Segenskuss,
Wenn er sein Söhnchen lobt und liebet,
Ist etwas, das ich ehren muß.
Ein Kuß von meiner Schwester Liebe
Steht mir als Kuß nur so weit...
Gotthold Ephraim Lessing
Ich leb' mein Leben schneller, Mensch, als du.
Mich kann der Dinge Schein nicht länger halten.
Mein Blick hat jedes Ding entzweigespalten.
Ich schmeck' den Kern und eile Neuem zu.
Im Weitersausen bin ich tiefste Ruh'.
Denn ich bin eine von den Kraftgewalten,
Die Welt in sich und sich zu Welt gestalten.
So ist mir alles Ich, und ich bin allem Du.
Mich hält nicht Schönheit, Glanz, nicht Glück noch Macht.
Was gestern ich war, hab' ich heute vergessen –
Wo euch noch Chaos stürzt, blüht mir schon...
Heinrich Lersch
Feierlich, in wunderbarem Frieden
Feierlich, in wunderbarem Frieden,
ziehen die Gestirne ihre Bahn.
Warum ist mir Ruhe nicht beschieden?
Quält mich Reue? Plagt mich eitler Wahn?
Nein, nichts such ich, was ich einst besessen,
und was war, das hab ich nie bereut.
Ruhen will ich und mich selbst vergessen –
wunschlos ruhn in alle Ewigkeit.
Doch nicht jenen Schlaf in Grabestiefe
suche ich in kalter, dunkler Gruft.
Atmen soll die Brust, als wenn ich schliefe,
atmen will ich warme Sommerluft.
Einer...
Michael Jurjewitsch Lermontow
Nach Liebe dürstet mein Herz,
nach Liebe sehnt sich mein Mut,
nach Liebe seufzet mein Mund:
O Liebe, komm!
Die Sonne freuet mich nicht,
der Mond erquicket mich nicht,
die Sterne locken mich nicht:
Weil Liebe fehlt!
In Trauern lebe ich hin,
in Tränen schmachte ich hin,
in Trübsal sterbe ich hin:
Bis Liebe naht!
Julius Langbehn
Ich grüße dich, o Tod! Du Freiheitsengel,
Erscheinst nicht mir in jener Grau'ngestalt,
Die lang dir Irrtum oder Schrecken lieh;
Mit keinem Mordschwert ist dein Arm bewaffnet,
Nicht deine Stirne grimm, dein Auge falsch:
Ein güt'ger Gott schickt dich dem Schmerz zu Hilfe,
Du rettest; – du vernichtest nicht.
Alphonse de Lamartine
Merke jeder fein die Lehre:
Nicht verzweifeln, das ist Ehre –
Ist ja kein Wald so dunkel und dicht,
Es kommt am Ende doch Luft und Licht –
Ist keine Heide so groß und breit,
Steht doch am Ende ein Haus bereit,
Nur wenn man zögert und mutlos spricht:
»Es wird nicht gehen«, dann geht' auch nicht.
Auguste Kurs
Des Herzens Jugend stirbst nicht ab
Auf längster Lebensreise,
Sie birgt sich nicht im dunkeln Grab,
Sie schlummert höchstens leise.
Und wenn nur in der Jahre Lauf
Das rechte Wort erklungen,
Dann hat sie fröhlich wieder auf
Zu Tage sich geschwungen.
Und strahlet aus den Augen hell
wie Sternenleuchten wieder,
Und weckt der Lieb' und Freude Quell
Und weckt die alten Lieder.
sie läßt die Wangen wieder glüh'n,
Die Herzen höher schlagen,
Und läßt die Rosen wieder blüh'n,
Wie in des Lenzes...
Auguste Kurs