Nichte Zitate (Seite 257)
Weine nicht
»Leg den Kopf an meine Schuler,
gib dein Herz in meine Hand,
lass dein Denken einfach treiben,
verwisch die Spur im losen Sand.
Deine Seele liebt das Morgen,
schau mich nicht so traurig an.
Risse spiegeln tausend Tode,
was im Gestern rein begann.«
Traurigkeit erzeugt mein Fühlen,
seh' die Qual in dem Gesicht.
Still zu mir spricht ihre Stimme:
»Bitte Kleines, weine nicht.«
Damaris Wieser
Tote Liebe
Was mir erwarb
Ihr süßes Licht
Was ihr verdarb
Mein Angesicht
Warum sie starb
Ich weiß es nicht.
Die Märchenbraut
Lag so im Tod
Dem Blick vertraut;
Der Wange Rot
Wer es geschaut
Fiel neu in Not.
Als hübe sie
Die er gewann
Die wie der Früh-
Tau ihm zerrann
Als hübe sie
Zu sprechen an:
Was dich mir warb
Damals im Licht
Was mich verdarb
Für dein Gesicht
Warum ich starb
Ich weiß es nicht.
Wir wissen beid
Nicht wie's geschah
Wir sind im Leid
Uns nun ganz nah
An deine Seit
Sehnt ich mich...
Maria Luise Weissmann
Der Anarchist
Reicht mir in der Todesstunde
Nicht in Gnaden den Pokal!
Von des Weibes heißem Munde
Laßt mich trinken noch einmal!
Mögt ihr sinnlos euch berauschen,
Wenn mein Blut zerrinnt im Sand.
Meinen Kuß mag sie nicht tauschen.
Nicht für Brot aus Henkershand.
Einen Sohn wird sie gebären,
Dem mein Kreuz im Herzen steht,
Der für seiner Mutter Zähren
Eurer Kinder Häupter mäht.
Frank Wedekind
Aufschrei
Was ich getan, das läßt sich nicht bessern,
Es läßt das Gewissen sich nicht verwässern.
Ich stehe schuldlos vor meinem Verstand
Und fühle des Schicksals zermalmende Hand.
Der Mut versiegt, es wachsen die Schmerzen,
Und öd' und trostlos wird es im Herzen.
Ich bin verstoßen, ich bin verdammt,
Ringsher von Rachegluten umflammt.
Wenn jetzt mich Irrsinn lindernd umfinge,
Wenn ich verkappt in den Himmel ginge!
Verschlossen ward mir die Seligkeit,
Ich schlich mich ein im Schellenkleid.
Was...
Frank Wedekind
Abgewendet
Du stehst vor mir, ein stolzes Weib,
In hoher, unnahbarer Pracht,
Als wüßte nichts dein holder Leib
Vom Zauber süßer Liebesmacht.
Die Lippen weigern Wort und Gruß,
Die Lippen, deren weiche Glut
Zu mancher Stund' im Flammenkuß
Auf meinen freudig jüngst geruht.
Nicht sekmnkst du scheu der Augen Licht,
Wenn ich im Zufall dir genaht,
Dein marmorbleiches Angesicht,
Nicht bebt es, führt uns gleicher Pfad,
So ferne heut', da gestern noch
Der Tag uns sah voll Seligkeit –
Doch ob du fremd...
Gottfried Wandner
Grabschrift unsres Haushahns
An diesem Baume ruht
der Haushahn, treu und gut.
Er führt' ins achte Jahr
der lieben Hennen Schar.
Als wackrer Ehemann
rührt' er kein Krümchen an,
was wir ihm vorgebrockt,
bis er die Fraun gelockt.
Nun strotzt er nicht mehr
im Hofe stolz umher
und jagt aus seinem Ort
des Nachbarn Hühner fort.
Nun schützt er nicht vor Graun
im Sturm und Nacht die Fraun.
Nun wecket uns nicht früh
sein helles Kikeriki.
Vor Alter blind und taub,
sank er zuletzt in Staub.
Sein Kamm, so...
Johann Heinrich Voß
Lerne hoffen, ohne zu hoffen!
Leider ein allzu schweres Stück;
Wer's könnte, der hätte das Ziel getroffen:
Glücklich zu sein auch ohne Glück.
Dennoch ist's wahr und guter Rat,
Wird er auch niemals ganz zur Tat.
Leben ist Schuld,
Da will's Geduld;
Im Genuß entsagen,
Leidend nicht klagen,
Verzichtend wagen,
Dem Schein nicht trauen,
Doch freudig schauen,
Schaffen und bauen!
Versuch es, und kann es nicht ganz gelingen:
Soviel du vermagst, es doch zu zwingen,
Soviel ragst du aus Zeit und...
Friedrich Theodor von Vischer
Vom Tode
In der Jugend heiterem Morgenrot
Denkt kein Mensch an Alter und Tod,
Und dies mit allem Grund und Fug;
Denn an den Tod soll man nicht denken.
Im Alter kostet es Müh' genug,
Die Gedanken von ihm abzulenken.
Memento Mori: hohler Popanz!
Motto für den Totentanz!
Taugt nichts für Junge und nichts für Greise;
Memento vivere sagt der Weise:
Fülle dein Leben tüchtig aus –
Mit dem</em> Rat hält man richtig Haus.
Friedrich Theodor von Vischer
Breite und Tiefe
Sag', alter Narr, was rennst du wieder
So kreuz und quer, bergauf und nieder?
Was suchst du denn? Laß sein, laß sein!
Die Weite bringt es dir nicht ein,
Im Breiten wirst du's nicht erringen!
Da mußt du in die Tiefe dringen.
Der Weg ist kurz, die Arbeit schlicht:
Fünf Schuh tief, weiter braucht es nicht.
Friedrich Theodor von Vischer
Gefangen
Als einst in jenes Laubdachs Dunkelhelle
Voll Inbrunst meine Arme dich umschlangen,
Als Haupt an Haupt und Wang' an Wange drangen,
Du schlankes Reh, schwarzäugige Gazelle,
Da traf ein Mücklein auf die holde Stelle,
Und zwischen unsern angeschmiegten Wangen
Hat es in irrem Taumel sich gefangen,
Es surrt und zappelt, will entfliehen schnelle.
Nicht wahr, du Schelm, das hat dir nicht geträumet,
Es warte dein so wunderlich Verhängniß?
So bleibe nur und werde nicht so bange!
Ein...
Friedrich Theodor von Vischer
Tand
O, es ist nichts. Dieß Alles ist ja Tand!
Was hält noch den an holder Täuschung Band,
Der weiß, daß Nichts ist, und nach Art der Narren
In seiner Seele schuldigem Erblinden
Hinlief zu euch, zu suchen und zu scharren,
Ob nicht ein Etwas da noch sei zu finden!
Doch einmal, ja! zum ächten Edelstein
Drang da der Bergmann glücklich grabend ein,
Zum Diamant der Einfalt und der Treue.
Das war ein Etwas, war das Salz der Erden! –
Was blieb ihm, als das Thränensalz der Reue?
Treulos an solchem...
Friedrich Theodor von Vischer
Frühlingsglaube
Die linden Lüfte sind erwacht,
sie säuseln und wehen Tag und Nacht,
sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muß sich alles, alles wenden.
Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
man weiß nicht, was noch werden mag,
das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
nun, armes Herz, vergiß der Qual!
Nun muß sich alles, alles wenden!
Ludwig Uhland
Ihr
Namen nennen dich nicht.
Dich bilden Griffel und Pinsel sterblicher Künstler nicht nach.
Lieder singen dich nicht.
Sie alle reden wie Nachhall fernester Zeiten von dir.
Wie du lebest und bist, so trag ich einzig im Herzen,
teuerstes Mädchen, dein Bild.
Wäre Herzens Empfindung hörbar,
jeder Gedanke würde dann Hymnus sein von dir.
Lieben kann ich dich nur. Die Lieder,
wie ich dich liebe, spar ich der Ewigkeit auf.
Hermann Wilhelm Franz Ueltzen