Neue Zitate (Seite 27)
Wiedergeburt
Wer nicht will, wird nie zunichte,
kehrt beständig wieder heim.
Frisch herauf zum alten Lichte
dringt der neue Lebenskeim.
Keiner fürchte zu versinken,
der ins tiefe Dunkel fährt.
Tausend Möglichkeiten winken
ihm, der gerne wiederkehrt.
Dennoch seh ich dich erbeben,
eh du in die Urne langst.
Weil dir bange vor dem Leben,
hast du vor dem Tode Angst.
Wilhelm Busch
Höchstes Leid
Hart ist's an dem Grab zu steh'n
Derer, die du heiß geliebet,
Hart auch, wie am Fels der Zeit
Traum um Traum in Nichts zerstiebet.
Bittrer als des Todes Raub,
Und was kalt die Zeit entwendet,
Ist's, wenn du dein best Gefühl
An Unwürdige verschwendet.
Wie ein Bettler stehst du da,
Der sein Alles hingegeben,
Dem nichts blieb von seinem Schatz,
Als das nackte, arme Leben.
Wie, von roher Hand gestürzt,
Liegt ein Götterbild im Staube,
Also ist ein Trümmerhauf'
Deines Herzens...
Luise Büchner
Wenn der holde Frühling lenzt
Und man sich mit Veilchen kränzt
Wenn man sich mit frischem Mut
Schnittlauch in das Rührei tut
Wallen durch des Menschen Säfte
Neue, ungeahnte Kräfte –
Jegliche Verstopfung weicht
Alle Herzen werden leicht
Und das meine fragt sich still
Ob mich dies Jahr einer will?
Friederike Elisabeth Brion
Ich wünsche dir für das neue Jahr....
365 Blumen, für jeden Tag eine.
Ich wünsche dir die Augen eines Kindes,
den Traum eines Kindes, das Herz eines Kindes.
Dann kannst du im neuen Jahr alles neu sehen.
Ich wünsche dir,
daß du wenigstens einen Menschen hast,
bei dem du Geborgenheit findest.
Ich wünsche dir, daß du wenigstens
einmal am Tag voller Freude bist.
Ich wünsche dir, daß du wenigstens
ein paar Menschen
mit deiner Freundschaft
glücklich machst.
Phil Bosmans
Tangens
Zwei Bahnen gefügt zum flüchtigen Kuß,
Die eine in sich verschlungen,
Die andre, ein jäher, verwegener Schuß,
Ins Unendliche abgesprungen.
Sie trafen zusammen ein einziges Mal.
Der Kreis kehrt in ewiger Neue
Zurück und schaut nach dem flüchtigen Strahl,
Dem Pfeil ohne Umkehr und Reue.
Jakob Boßhart
An das Meer
Urfrisches Bild der Jugendzeit
Im goldnen Saum der Ewigkeit,
Das du seit Schöpfungsanfang warst,
Wie du dich heut mir offenbarst!
Du sahst das Erdrund werden alt
Und sich verwandeln mannigfalt –
Auch du oft wechselst dein Gesicht,
Doch deine Seele wechselt nicht!
Du zeigst die ew'ge Schöpferkraft,
Die rastlos aus sich selber schafft,
Stets neue Lebenswellen treibt
Und immer doch die alte bleibt.
Wer deines Herzens Wogenschlag
Und Melodie ergründen mag,
Dem raunst du das Geheimnis...
Friedrich Martin von Bodenstedt
Neu Jahr
Die Jahre, die Jahre, sie eilen dahin,
als machte die Eile schon einen Sinn.
Die Jahre, die Jahre,die so schnell vergehn,
ich kann's weder fassen, noch gar verstehn.
Vor allem die schönen vergehn wie im Flug,
ich empfind dieses immer, als steten Betrug.
Zwar vergehn auch die Jahre in denen du leidest,
doch sind's zu viele, bevor du scheidest.
Und nun kommt schon wieder ein Neues Jahr, ...
Erhard Blanck
verteilt im Traum
verteilt im Traum,
den Kopf endlos befreit,
ein Sturm der Sinne zieht auf,
tobender Regen fällt,
Träne für Träne,
zu einem Meer trauriger Augen,
allmählich,
unaufhörlich,
diese Spiegel,
diese Tore,
das Sonnenbild,
der Schrei der Liebe,
dies alles soll uns wecken,
ein tiefenloser Fluß,
euer Leben,
nie verschmolzen zum Wahn,
doch frei ist dieses Treiben,
unbestimmt vorgegeben
ein kreisender Weg,
eine Einladung
in neue Welt,
eine Einweihung
ins Reich...
Michael Beisteiner
Stand wieder am Fenster
erinnerte meine Träume, deine Worte
du wolltest Zeit:
bleibst bei ihm
die Sonne sank unter Tränen
an jenem Tag
schloß das Fenster
die Nacht wurde kalt
weiß, bald gibt es
ein neues Morgenrot
und auch einen
klaren Himmel:
Träume bewahren
Sehnsucht erfüllen
Liebe fühlen
Worte leben
Volker Baumunk
Angeführt
Daß sie mich betrogen
Und mir vorgezogen
Einen Andern, ist nichts neues mehr.
Hätt's vergeben können,
Sie dem Andern gönnen,
Wenn's nur nicht ein solcher Trottel wär'.
Meinen Wanderstecken
Hol' ich aus der Ecken,
Und mein Riemenschuh ist bald geschnürt.
Leichtes Bündel trag' ich,
Aus dem Sinn mir schlag' ich,
Die mich an der Nase hat geführt.
Klageweib vorm Spittel
Saß im grauen Kittel.
Einen Heller ich der Alten gab.
»Treulos ward die Meine:
Klage du und weine,
Weil ich selbst...
Rudolf Baumbach
Dein Labyrinth
In Serpentinen winden sich die Worte
Und jede Kurve birgt ein neues Ziel.
Ganz sachte schließt sich hinter mir die Pforte
Und lockend rufst du mich zu deinem Spiel.
In jedem Gang erblick' ich tausend Türen.
Ein jeder Schritt ertrinkt in Illusion.
Ich laß' mich willig von dem Trug verführen
Und folge dir in deine Dimension.
Ich seh' das Tor, doch lasse ich mich treiben,
An ihm vorbei – und hör' die Melodie.
Ich bin gefangen, möcht' für immer bleiben,
Im Zaubergarten deiner Poesie.
Margot S. Baumann
Junker und Bauer
Was rennst du auf dem eignen Fell?
Den Blick verletzt du mir, Gesell!
Sind deine Strümpfe durchgelaufen,
Wohlan, ich will dir neue kaufen!
"Schön Dank, die reißen nicht so schnell.
Ihr tragt von diesem Stoff fürwahr
Schon ein Paar Unterhosen manches Jahr,
Da Ihr von Eurem Herrn Papa
Dasselbe Zeug dereinst geerbt.
An Güte kommt's dem Ochsenleder nah,
Nur leider blieb es ungegerbt."
Otto Alexander Banck
Die Erfindung
Als ich zum ersten Male diesen Narren
Mein neues Totenwäglein vorgeführt,
War alle Welt im Leichenhaus gerührt
Von ihren Selbstportraits und anderen Schmarren.
Sie sagten mir: nun wohl, das sei ein Karren,
Jedoch die Räder seien nicht geschmiert,
Auch sei es innen nicht genug verziert
Und schließlich wollten sie mich selbst verscharren.
Sie haben von der Sache nichts begriffen,
Als daß es wurmig zugeht im Geliege
Und wenn ich mich vor Lachen jetzt noch biege,
So ist es, weil sie...
Hugo Ball