Neue Zitate (Seite 24)
Der Kuß im Traume
Es hat ein Kuß mir Leben eingehaucht,
Gestillet meines Busens tiefstes Schmachten,
Komm, Dunkelheit! mich traulich zu umnachten,
Daß neue Wonnen meine Lippe saugt.
In Träume war solch Leben eingetaucht,
Drum leb‘ ich, ewig Träume zu betrachten,
Kann aller andern Freuden Glanz verachten,
Weil nur die Nacht so süßen Balsam haucht.
Der Tag ist karg an liebesüßen Wonnen,
Es schmerzt mich seines Lichtes eitles Prangen
Und mich verzehren seiner Sonne Gluten.
Drum birg...
Karoline von Günderode
Gebrochenes Herz
Die Rosen und die Nelken,
Und Flieder und Jasmin,
Die müssen wohl verwelken,
Und müssen wohl verblüh'n.
Die Lieb' ist Gab' und Güte,
Die Lieb' ist keine Pflicht,
Die Lieb' ist eine Blüte –
Verblüht und bleibet nicht!
Die Rosen und der Flieder,
Und Nelken und Jasmin,
Die kommen alle wieder
Und werden alle blühn.
Nur nicht die Lieb' und Treue,
Wenn sie verloren ist!
Und keimt kein Herz aufs neue,
Das schon gebrochen ist.
Otto Friedrich Gruppe
Das Sein
Neue Sterne geboren im Wandel der Zeit,
dem Kosmos entrissen, Geröll, Staub und Gestein
aus toter Materie zum Licht zur Ewigkeit
erstrahlt im Glanze das immer währende Sein.
Atome verdichten im Zug der Gravitation
die Spaltung der Kerne, Reaktion der Fusion,
unsterbliches Feuer entfacht den Strahlenglanz
interpolierend entstanden aus Reaktanz.
Gerd Groß
Die wahre Glückseligkeit
Das ist wohl nicht das größte Gut,
Ein neues Kleid, ein neuer Hut,
Der hohe Rang, die goldne Dose!
Der Hirt ist glücklicher auf Moose,
Als du bei vollbesetztem Tisch,
Bei Torten und dergleichen Wisch.
Er kann bei seinem leichten Essen
Den Kummer und den Gram vergessen,
Und wie der Städter nicht sein Kind,
Liebt er in Einfalt dort sein Rind.
Dies Glück macht froh die, die es haben,
Ihm raubens Motten nicht, nicht Schaben.
Franz Grillparzer
Grau und trüb und immer trüber
Kommt das Wetter angezogen,
Blitz und Donner sind vorüber,
Euch erquickt ein Regenbogen.
Frohe Zeichen zu gewahren
Wird der Erdkreis nimmer müde;
Schon seit vielen tausend Jahren
Spricht der Himmelsbogen: Friede!
Aus des Regens düstrer Trübe
Glänzt das Bild, das immer neue;
In den Tränen zarter Liebe
Spiegelt sich der Engel – Treue
Wilde Stürme, Kriegeswogen
Rasten über Hain und Dach;
Ewig doch und allgemach
Stellt sich her der bunte Bogen.
Johann Wolfgang von Goethe
Laßt fahren hin das allzu Flüchtige!
Laßt fahren hin das allzu Flüchtige!
Ihr sucht bei ihm vergebens Rat;
In dem Vergangnen lebt das Tüchtige,
Verewigt sich in schöner Tat.
Und so gewinnt sich das Lebendige
Durch Folg' aus Folge neue Kraft;
Denn die Gesinnung, die beständige,
Sie macht allein den Menschen dauerhaft.
So löst sich jene große Frage
Nach unserm zweiten Vaterland;
Denn das Beständige der ird'schen Tage
Verbürgt uns ewigen Bestand.
Johann Wolfgang von Goethe
Ja es umgibt uns eine neue Welt!
Der Schatten dieser immer grünen Bäume
Wird schon erfreulich. Schon erquickt uns wieder
Das Rauschen dieser Brunnen, schwankend wiegen
Im Morgenwinde sich die jungen Zweige.
Die Blumen von den Beeten schauen uns
Mit ihren Kinderaugen freundlich an.
Der Gärtner deckt getrost das Winterhaus
Schon der Citronen und Orangen ab,
Der blaue Himmel ruhet über uns
Und an dem Horizonte lös't der Schnee
Der fernen Berge sich in leisen Duft.
Johann Wolfgang von Goethe
Reue
So nahte sich des Scheidens düstre Nacht!
Du weintest still – ich hatte keine Träne,
Stumm seufzend hab' ich schmerzvoll sie durchwacht;
Dann kam der Tag. Wir schieden leis' und sacht.
So ziehn auf dunkler Flut die stillen Schwäne.
O, daß sie nahte, jene düstre Nacht!
Mir kann Entfernung Ruhe nimmer bringen,
Nur neue Schmerzen hat sie mir gebracht.
Wie oft hab' seufzend ich seitdem gedacht:
Ach! daß wir damals voneinander gingen!
Adolf Glaser
Vorüber
O darum ist der Lenz so schön
Mit Duft und Strahl und Lied,
Weil singend über Tal und Höh'n
So bald er weiter zieht;
Und darum ist so süß der Traum,
Den erste Liebe webt,
Weil schneller als die Blüt' am Baum
Er hinwelkt und verschwebt.
Und doch! Er läßt so still erwärmt,
So reich das Herz zurück;
Ich hab' geliebt, ich hab' geschwärmt,
Ich preis' auch das als Glück.
Gesogen hab' ich Strahl auf Strahl
Ins Herz den kurzen Tag;
Die schöne Sonne sinkt zu Tal.
Nun komm', was kommen...
Emanuel Geibel