Nacht Zitate (Seite 17)
Schwere Träume
Das war mir eine schwere Nacht,
Das war ein Traum von langer Dauer;
welch weiten Weg hab ich gemacht
Durch alle Schrecken, alle Schauer!
Der Traum, er führt' mich an der Hand,
Wie den Aeneas die Sibylle,
Durch ein avernisch dunkles Land,
Durch aller Schreckgestalten Fülle.
Was hilft es, daß die Glocke rief
Und mich geweckt zum goldnen Tage,
Wenn ich im Innern heimlich tief
Solch eine Hölle in mir trage.
Ludwig Uhland
Frühlingsglaube
Die linden Lüfte sind erwacht,
sie säuseln und wehen Tag und Nacht,
sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muß sich alles, alles wenden.
Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
man weiß nicht, was noch werden mag,
das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
nun, armes Herz, vergiß der Qual!
Nun muß sich alles, alles wenden!
Ludwig Uhland
Eine Handvoll Heimaterde nahm ich von der Heimat mit,
als ich schied,
habe in ein Linnensäckchen eingenäht sie mitgebracht,
unter meinem Kissen liegt sie in der Nacht.
Wenn ich schlafe, führt mein Träumen
mich in flaches Steppenland,
wo der glitzernd gelbe Sand
in der Sonne Gluten flimmert
und auf den Akazienbäumen
goldig schimmert,
wo den Horizont begrenzt ein endlos scheinend Halmenmeer,
hin und her
wogt es wie der Wellen Schaum,
rauscht es wie ein leises Singen,
Heimatlieder mir...
Ella Triebnigg-Pirkhert
Immer wieder kehrst du Melancholie,
O Sanftmut der einsamen Seele.
Zu Ende glüht ein goldener Tag.
Demutsvoll beugt sich dem Schmerz der Geduldige,
Tönend von Wohllaut und weichem Wahnsinn.
Siehe! es dämmert schon.
Wieder kehrt die Nacht und klagt ein Sterbliches
Und es leidet ein anderes mit.
Schaudernd unter herbstlichen Sternen
Neigt sich jährlich tiefer das Haupt.
Georg Trakl
Klage
Schlaf und Tod, die düstern Adler
Umrauschen nachtlang dieses Haupt:
Des Menschen goldnes Bildnis
Verschlänge die eisige Woge
Der Ewigkeit. An schaurigen Riffen
Zerschellt der purpurne Leib
Und es klagt die dunkle Stimme
Über dem Meer.
Schwester stürmischer Schwermut
Sieh ein ängstlicher Kahn versinkt
Unter Sternen,
Dem schweigenden Antlitz der Nacht.
Georg Trakl
An die Verstummten
O, der Wahnsinn der großen Stadt, da am Abend
An schwarzer Mauer verkrüppelte Bäume starren,
Aus silberner Maske der Geist des Bösen schaut;
Licht mit magnetischer Geißel die steinerne Nacht verdrängt.
O, das versunkene Läuten der Abendglocken.
Hure, die in eisigen Schauern ein totes Kindlein gebärt.
Rasend peitscht Gottes Zorn die Stirne der Besessenen,
Purpurne Seuche, Hunger, der grünen Augen zerbricht.
O, das gräßliche Lachen des Golds.
Aber stille blutet in dunkler...
Georg Trakl
Im Frühling
Leise sank von allen Schritten der Schnee
Im Schatten des Baums
Heben die rosigen Lider Liebende.
Immer folgt den dunklen Rufen der Schiffer
Stern und Nacht
Und die Ruder schlagen leise im Takt.
Balde an verfallener Mauer blühen
Die Veilchen,
Ergrünt so stille die Schläfe der Einsamen.
Georg Trakl
Ob nachts auch thränenfeucht dein Pfühl,
Und heiß die ruhelosen Lider,
Einst wirst du schlummern sanft und kühl,
Und keine Sorge weckt dich wieder.
Vergehe nicht in Angst und Qual,
Es eilt die Stunde, dich zu retten;
Vier Bretter nur braucht's dünn und schmal,
Ein müdes Menschenherz zu betten.
Und du auch findest eine Hand,
Die Augen sanft dir zuzudrücken,
Mit einer Blume, einem Band
Dir Deinen Sarg noch auszuschmücken.
Der Tod bring Ruhe deinem Harm,
Die dir das Leben nie vergönnte;
Halt...
Albert Träger
Letzte Liebe
Wie an der Neige unserer Zeit
Wir zarter, abergläubischer lieben!
Als Abglanz der Vergänglichkeit
Ist, letzte Liebe, dein Strahl geblieben.
Den halben Himmel deckt die Nacht,
Und nur im Westen schweifen Lichter.
Verweile, verweile, du Abendpracht,
Verstrick mich, Zauber, dicht und dichter.
Mag spärlich das Blut sich regen,
Doch voller Zartheit ist das Herz.
O letzte Liebe, Fluch und Segen
Und Glück und hoffnungsloser Schmerz.
Fjodor Iwanowitsch Tjuttschew
Silentium!
Schweige, verbirg dich und halte
deine Gefühle und Träume geheim,
laß sie in der Tiefe deiner Seele
lautlos auf- und untergehen
wie Sterne in der Nacht;
erfreue dich an ihnen – und schweige.
Wie soll das Herz sich offenbaren?
Wie soll ein anderer dich verstehen?
Begreift er, wodurch du lebst?
Ein ausgesprochener Gedanke ist eine Lüge.
Wenn du die Quellen aufwühlst, trübst du sie;
zehre von ihnen – und schweige.
Verstehe, nur in dir selbst zu leben:
es gibt in deiner Seele eine...
Fjodor Iwanowitsch Tjuttschew
Schmerz
Ja, es gibt ein schönes Sehnen,
Das wie aus der tiefsten Nacht
In dem Herzen aufgewacht,
Greift nach Waffen, findet Tränen.
Viele lieben, viele wähnen,
Daß Liebe nur Lust dem Herzen
Schenken soll und keine Schmerzen:
Alle Farben müssen fließen,
Wenn ein Licht sich soll ergießen
Aus dem goldenen Brand der Kerzen.
Ludwig Tieck
Zeit
So wandelt sie, im ewig gleichen Kreise,
Die Zeit nach ihrer alten Weise,
Auf ihrem Wege taub und blind,
Das unbefangne Menschenkind.
Erwartet stets vom nächsten Augenblick
Ein unverhofftes seltsam neues Glück.
Die Sonne geht und kehret wieder,
Kommt Mond und sinkt die Nacht hernieder,
Die Stunden, die Wochen abwärts leiten,
Die Wochen bringen die Jahreszeiten.
Von außen nichts sich je erneut,
In dir trägst du die wechselnde Zeit,
In dir nur Glück und Begebenheit.
Ludwig Tieck