Macht Zitate (Seite 67)
Laßt fahren hin das allzu Flüchtige!
Laßt fahren hin das allzu Flüchtige!
Ihr sucht bei ihm vergebens Rat;
In dem Vergangnen lebt das Tüchtige,
Verewigt sich in schöner Tat.
Und so gewinnt sich das Lebendige
Durch Folg' aus Folge neue Kraft;
Denn die Gesinnung, die beständige,
Sie macht allein den Menschen dauerhaft.
So löst sich jene große Frage
Nach unserm zweiten Vaterland;
Denn das Beständige der ird'schen Tage
Verbürgt uns ewigen Bestand.
Johann Wolfgang von Goethe
Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
bist also fort und immer fort gediehen
nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen,
so sagten schon Sybillen, so Propheten.
Und keine Macht und keine Zeit zerstückelt
geprägte Form, die lebend sich entwickelt.
Johann Wolfgang von Goethe
Selige Sehnsucht
Sagt es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet,
Das Lebend'ge will ich preisen
Das nach Flammentod sich sehnet.
In der Liebesnächte Kühlung,
Die dich zeugte, wo du zeugtest,
Überfällt dich fremde Fühlung
Wenn die stille Kerze leuchtet.
Nicht mehr bleibest du umfangen
In der Finsternis Beschattung,
Und dich reißet neu Verlangen
Auf zu höherer Begattung.
Keine Ferne macht dich schwierig,
Kommst geflogen und gebannt,
Und zuletzt, des Lichts begierig,
Bist du...
Johann Wolfgang von Goethe
Für ein zufriedenes Leben braucht man neun Dinge:
Genügend Gesundheit, daß die Arbeit Freude macht;
Genügend Wohlstand, um seine Bedürfnisse zu befriedigen;
Genügend Kraft, um mit seinen Schwierigkeiten zu kämpfen und sie zu besiegen;
Genügend Gnade, um seine Sünden zu bekennen und zu überwinden;
Genügend Geduld, um sich zu bemühen, bis etwas Gutes zustandegekommen ist;
Genügend Nächstenliebe, um in seinen Nachbarn etwas Gutes zu entdecken;
Genügend Liebe, um sich zu entschließen, anderen zu...
Johann Wolfgang von Goethe
An meinen Tischler
Macht meinen Sarg von Tannenbrettern,
Von euren dünnsten, Meister Dill,
Weil ich in Marmor nicht, gleich unsern Erdengöttern,
Zur Erde wieder werden will!
Man liegt in ihm zu lange still,
Ist guter Samen nicht, in Erden
Des guten Säemanns, ists in unfruchtbarem Stein:
Ich will, sobald ich kann, zur Erde wieder werden,
Um nützlich wieder bald zu sein!
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Ständchen
Gute Nacht!
Mädchen, das der Liebe lacht,
Und die kältesten der Männer,
Und die größten Herzenskenner
Alle zu Verliebten macht!
Gute Nacht!
Mädchen, das der Liebe lacht!
Gute Nacht!
Schön ist dieser Tag vollbracht!
Reime haben wir gefunden,
Kränze haben wir gewunden,
Und gescherzt und viel gelacht!
Gute Nacht!
Schön ist dieser Tag vollbracht!
Gute Nacht!
Loses Mädchen! Gib doch Acht:
Von den tausend schönen Reimen,
Die dich loben, sollst du träumen,
Gute Nacht!
Bis...
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Beresina-Lied
Unser Leben gleicht der Reise
Eines Wandrers in der Nacht;
Jeder hat auf seinem Gleise
Vieles, das ihm Kummer macht;
Aber unerwartet schwindet
Vor uns Nacht und Dunkelheit,
Und der Schwergedrückte findet
Linderung in seinem Leid.
Darum laßt uns weitergehen!
Weichet nicht verzagt zurück!
Hinter jenen fernen Höhen
Wartet unsrer noch ein Glück.
Mutig, mutig, lieben Brüder!
Gebt die bangen Sorgen auf!
Morgen geht die Sonne wieder
Freundlich an dem Himmel auf!
Ludwig Giseke
Zueignung
Ja, du weißt es, teure Seele,
Daß ich fern von dir mich quäle,
Liebe macht die Herzen krank,
Habe Dank.
Einst hielt ich, der Freiheit Zecher,
Hoch den Amethysten-Becher,
Und du segnetest den Trank,
Habe Dank.
Und beschworst darin die Bösen,
Bis ich, was ich nie gewesen,
heilig, heilig an's Herz dir sank,
Habe Dank.
Hermann von Gilm, Ritter zu Rosenegg
Osterpsalm
Christ ist erstanden!
Schallt es in den Lüften,
Christ ist erstanden!
Hallt es in den Grüften,
Lauernde Feinde,
Zittert und bebt!
Trauernde Freunde,
Glaubet und lebt!
Engel bedeutens
Weinenden Frauen,
Jünger verbreitens
Rings in den Gauen,
Weit in den Landen
Tönt es mit Macht:
Christ ist erstanden,
Völker erwacht!
Christ ist erstanden,
Tod ist bezwungen,
Weil sich den Banden
Jesus entrungen;
Himmel ist offen,
Erde versöhnt,
Glauben und Hoffen
Selig gekrönt!
Karl Gerok
Es brach schon manch ein starkes Herz,
Da man sein Leben ihm entriß,
Und manches duldend wandte sich
Und ward voll Haß und Finsternis,
Und manches, das sich blutend schloß,
Schrie laut nach Lust in seiner Not
Und warf sich in den Staub der Welt:
Der schöne Gott in ihm war tot.
Dann weint ihr wohl und klagt euch an;
Doch keiner Thräne heißer Reu'
Macht eine welke Rose blühn,
Erweckt ein totes Herz aufs neu! –
Emanuel Geibel
Am zerfall'nen Burggemäuer
Ueber'm schwarzen Fichtenhag
Glüht's noch einmal auf wie Feuer,
Und versunken ist der Tag.
Schauernd rühren sich die Wipfel,
Drunten schwillt der Rhein mit Macht,
Und vom Thal empor zum Gipfel
Steigt wie ein Gespenst die Nacht.
Da befällt ein heimlich Grausen
Mir im Dunkeln Herz und Sinn:
»Steine bröckeln, Wellen brausen,
Und wie bald bist du dahin!«
Emanuel Geibel
O du, vor dem die Stürme schweigen,
Vor dem das Meer versinkt in Ruh,
Dies wilde Herz nimm hin zu eigen
Und führ' es deinem Frieden zu;
Dies Herz, das ewig umgetrieben
Entlodert, allzurasch entfacht,
Und, ach, mit seinem irren Lieben
Sich selbst und andre elend macht.
Entreiß es, Herr, dem Sturn der Sinne,
Der Wünsche treulos schwankem Spiel;
Dem dunkeln Drange seiner Minne,
Gieb ihm ein unvergänglich Ziel;
Auf daß es, los vom Augenblicke,
Von Zweifel, Angst und Reue frei,
Sich einmal ganz...
Emanuel Geibel