Macht Zitate (Seite 60)
Die Großmutter spricht:
Ein Manneskuß sticht
Und beißt, gleich der Schlange,
Drum wahr' deine Wange.
Recht hat sie hierin;
Denn als mich letzthin
Der Jäger tat küssen,
Hat er mich gebissen.
Noch sind mir zur Stund'
Die Lippen ganz wund;
Doch sprech' ich von Herzen:
Mir macht er nicht Schmerzen!
Und biss' er mich sehr,
Ich wehrt's ihm nicht mehr;
Zwar ist es nicht üblich,
Doch beißt er zu lieblich!
Friedrich Freiherr von Logau
Zum Jahreswechsel
Ernst war das Jahr, das nun geendet,
ernst ist das Jahr, das nun beginnt.
Daß sich die Welt zum beß'ren wendet
sei, Mensch, zum Besseren gesinnt.
Bedenk: das Schicksal aller Welt
ist mit in deine Macht gestellt,
und auch das Kleinste in der Zeit
ist Bild und Keim der Ewigkeit.
Friedrich Freiherr von Logau
Spruchweisheit
Die süße Näscherei,
Ein lieblich Mündleinkuß
macht zwar niemanden fett,
Stillt aber viel Verdruß.
Hoffnung ist ein fester Stab
Und Geduld ein Reisekleid,
Da man mit durch Welt und Grab
Wandert in die Ewigkeit.
Weißt du, was in dieser Welt
Mir am besten wohlgefällt?
Daß die Zeit sich selbst verzehret
Und die Welt nicht ewig währet.
Friedrich Freiherr von Logau
Frühlingsankunft
Vom Berg herunter saust der Föhn,
Die kalten Lüfte weichen,
Er donnert durch die Alpenhöh'n
Und macht die Nächte wieder schön
Und rüttelt aus dem Schlaf die Eichen.
Es schlägt der Fink schon tagelang,
Es kann ihn nichts mehr stören.
Es läßt den süßen Klaggesang
Mit Sonnenauf- und Untergang
Die Amsel in den Wipfeln hören.
Begegnet mir ein schönes Kind,
Umweht von Veilchendüften,
So läßt es von dem Frühlingswind
Mit einem Lächeln jetzt geschwind
Ein wenig sich den Schleier lüften.
Hermann Ritter von Lingg
Mein Weg
Manchmal macht es mir Spaß,
auf meinem Weg
Purzelbäume zu schlagen,
voll Übermut
und ein bißchen unvernünftig.
Dann hüpfe ich
über die Steine der Konventionen,
springe
über den Zaun der Angepaßtheit,
gehe ein paar Schritte
auf der Straße Phantasie.
Dort kommen mir
meine Träume, Wünsche
und Hoffnungen entgegen,
Hand in Hand
gehen wir zusammen,
ein kleines Stück.
Ruth W. Lingenfelser
Was kostbar ist
Sind es nicht
Momente allein,
die kleinen Dinge,
die sich einbrennen
in uns für immer?
Es genügt nicht,
zu messen,
was einer hat,
was einer dir ist,
zählt viel mehr
und was
er dir schenkt an Zeit.
Schau nicht auf Äußeres,
schau in die Herzen
der Menschen allein,
nur das ist Wert,
nur das macht dich reich.
Ruth W. Lingenfelser
Ich lächle ihm zu…
Ich lächle ihm zu, als wollt' ich sagen,
Daß seine Liebe mir gefällt;
Das giebt ihm Mut, den Schritt zu wagen,
Den keiner Sitte Macht mehr hält.
Er nimmt mir meine beiden Hände
Und hält sie fest mit langem Kuß,
Bis ich mich bebend von ihm wende
Und sage, daß er gehen muß.
Da leuchtet tief in seinen Blicken
Der heiße Glanz, der mich erschreckt –
Es wagt sein Auge auszudrücken,
Was ich erschauernd längst entdeckt.
Es zwingt mich dieses stumme Flehen,
Ich geb' mich hin dem...
Thekla Lingen
Das Muster der Ehen
Ein rares Beispiel will ich singen,
Wobei die Welt erstaunen wird.
Daß alle Ehen Zwietracht bringen,
Glaubt jeder, aber jeder irrt.
Ich sah das Muster aller Ehen,
Still, wie die stillste Sommernacht.
Oh! daß sie keiner möge sehen,
Der mich zum frechen Lügner macht!
Und gleichwohl war die Frau kein Engel,
Und der Gemahl kein Heiliger;
Es hatte jedes seine Mängel.
Denn niemand ist von allen leer.
Doch sollte mich ein Spötter fragen,
Wie diese Wunder möglich...
Gotthold Ephraim Lessing
Ich leb' mein Leben schneller, Mensch, als du.
Mich kann der Dinge Schein nicht länger halten.
Mein Blick hat jedes Ding entzweigespalten.
Ich schmeck' den Kern und eile Neuem zu.
Im Weitersausen bin ich tiefste Ruh'.
Denn ich bin eine von den Kraftgewalten,
Die Welt in sich und sich zu Welt gestalten.
So ist mir alles Ich, und ich bin allem Du.
Mich hält nicht Schönheit, Glanz, nicht Glück noch Macht.
Was gestern ich war, hab' ich heute vergessen –
Wo euch noch Chaos stürzt, blüht mir schon...
Heinrich Lersch
Zu glücklich und zu heiter
Wär' unser Los auf Erden,
Wenn unsre Jugendzeit, wo doch noch Wonnen,
Wenn auch aus Leidensbronnen,
Erglühn, andauerte durchs ganze Leben.
Zu mild wär' der Beschluß auch
Der Götter, der zum Tod verdammt das Leben,
Wenn nicht auch noch des Lebens letzte Hälfte
Zuvor uns düstrer machte
Das Schicksal, als den Tod, vor dem wir beben.
Als würdige Erfindung
Unsterblich weiser Geister
Und letztes Übel gaben uns die Götter
Das Alter, wo die Sehnsucht
Noch währet, doch...
Giacomo Graf Leopardi
Ach du, um die die Blumen sich
Verliebt aus ihren Knospen drängen,
Und mit der frohen Luft um dich
Entzückt auch ihren Weihrauch mengen,
Um die jetzt Flur und Garten lacht,
Weil sie dein Auge blühen macht.
Ach könnt ich jetzt ein Vogel seyn
Und im verschwiegnen Busch es wagen
Dir meines Herzens hohe Pein,
Die ohne Beyspiel ist, zu klagen.
Empfändest du die Möglichkeit
Von dieser Qualen Trunkenheit.
Vielleicht daß jener Busen sich
Zu einem milden Seufzer hübe,
Der mich bezahlte, daß ich...
Jakob Michael Reinhold Lenz