Macht Zitate (Seite 52)
Fatum
Zweimal hat mich der Tod verschont:
Er wollte mich nicht haben:
Hunderttausende lägen jetzt tot
Und tief in der Grube begraben.
Ich aber begann erst recht zu blühn
Und den Blütenkelch zu entfalten –
Und wie ich der unterirdischen Macht,
So trotz' ich den Tagesgewalten.
Zum Schicksal ward mir mein Leben, o Gott!
Fast drückt die Last mich zu Boden:
Berufen bin ich, zu rufen zum Glück
Hier all die lebendigen Toten.
Ludwig Scharf
Achte gut auf diesen Tag,
denn er ist das Leben –
das Leben allen Lebens.
In seinem kurzen Ablauf liegt alle seine
Wirklichkeit und Wahrheit des Daseins,
die Wonne des Wachsens,
die Größe der Tat,
die Herrlichkeit der Kraft.
Denn das Gestern ist nichts als ein Traum
und das Morgen nur eine Vision.
Das Heute jedoch, recht gelebt,
macht jedes Gestern
zu einem Traum voller Glück
und jedes Morgen
zu einer Vision voller Hoffnung.
Darum achte gut auf diesen Tag.
Rumi
Die Jungfrau Lore Ley
Die Jungfrau Ley macht' einst Furore,
sie war recht hübsch und sie hieß Lore
und saß schon jahrelang allein
auf einem Stein, hoch über'm Rhein.
Sie winkte allen Fahrensleuten,
die sich natürlich drüber freuten,
sie kämmte sich, das war so Brauch
und sang dazu, das Schiff sank auch.
So brachte sie durch Händewinken
schon manchmal manches Schiff zum Sinken,
das tauchte dann auch im Verlauf
der ganzen Zeit nie wieder auf.
Und die Moral von dem Gedicht:
Wenn jemand winkt,...
Edmund Ruhenstroth
Werbung im Internet
Der Mitgliederschwund
in dem Jägerverband,
war wenig erfreulich
und sehr eklatant
Da fiel jüngst dem Vorstand
das Internet ein
und man macht dort jetzt Werbung
für diesen Verein
Da ist nun zu lesen:
Komm'se in's Revier
und nach jeder Pirsch
gibt es Bratwurst und Bier
Es ist unser Wunsch,
unser Motto für heute,
lernen Sie schießen
und treffen Sie Leute!
Edmund Ruhenstroth
Dein König kommt in niedern Hüllen
sanftmütig auf der Es'lin Füllen,
empfang ihn froh, Jerusalem!
Trag ihm entgegen Friedenspalmen,
bestreu den Pfad mit grünen Halmen,
so ist's dem Herren angenehm.
O mächtiger Herrscher ohne Heere,
gewalt'ger Kämpfer ohne Speere,
o Friedensfürst von großer Macht,
es wollen dir der Erde Herren
den Weg zu deinem Throne sperren,
doch du gewinnst ihn ohne Schlacht.
Friedrich Rückert
Liebesfrühling
Du meine Seele, du mein Herz,
Du meine Wonn', o du mein Schmerz,
du meine Welt, in der ich lebe,
mein Himmel du, darein ich schwebe,
o du mein Grab, in das hinab
ich ewig meinen Kummer gab!
Du bist die Ruh', du bist der Frieden,
du bist der Himmel, mir beschieden.
Daß du mich liebst, macht mich dir wert,
dein Blick hat mich vor mir verklärt,
du hebst mich liebend über mich,
mein guter Geist, mein bess'res Ich!
Friedrich Rückert
Lebensabschnitt
Ich mache eine Amnestie
Aus herzlichem Verlangen.
Und sei auch du und sein auch Sie
Zu mir ganz unbefangen.
Das Leben ist ein Rutsch-Vorbei!
Nur das, was echt gewesen,
Nährt weiterhin. – Ein Besen,
Zu wild geschwenkt, schlägt viel entzwei..
Seid gut zu mir und macht Radau,
Verzeihend und aus Reue!
Wollt Ihr? Wer reist aufs neue
Mit mir ins Himmelsblau?
Joachim Ringelnatz
Es lebe die Mode!
Für die Mode, nicht dagegen
Sei der Mensch! – Denn sie erfreut,
Wenn sie sich auch oft verwegen
Vor dem größten Kitsch nicht scheut.
Ob sie etwas kürzer, länger,
Enger oder anders macht,
Bin ich immer gern ihr Sänger,
Weil sie keck ins Leben lacht.
Durch das Weltall sei's gejodelt
Allen Schneidern zum Gewinn:
Mode lebt und Leben modelt,
Und so haben beide Sinn.
Joachim Ringelnatz