Lieder Zitate (Seite 6)
Frühling
Tage der Wonne,
Kommt ihr so bald?
Schenkt mir die Sonne
Hügel und Wald?
Reichlicher fließen
Bächlein zumal.
Sind es die Wiesen?
Ist es das Tal?
Blauliche Frische!
Himmel und Höh!
Goldene Fische
Wimmeln im See.
Buntes Gefieder
Rauschet im Hain;
Himmlische Lieder
Schallen darein.
Unter des Grünen
Blühender Kraft
Naschen die Bienen
Summend am Saft.
Leise Bewegung
Bebt in der Luft,
Reizende Regung,
Schläfernder Duft.
Mächtiger rühret
Bald sich ein Hauch,
Doch er verlieret
Gleich sich im...
Johann Wolfgang von Goethe
Sie haben wegen der Trunkenheit
Sie haben wegen der Trunkenheit
Vielfältig uns verklagt
Und haben von unsrer Trunkenheit
Lange nicht genug gesagt.
Gewöhnlich der Betrunkenheit
Erliegt man, bis es tagt;
Doch hat mich meine Betrunkenheit
In der Nacht umhergejagt.
Es ist die Liebestrunkenheit,
Die mich erbärmlich plagt,
Von Tag zu Nacht, von Nacht zu Tag
In meinem Herzen zagt,
Dem Herzen, das in Trunkenheit
Der Lieder schwillt und ragt,
Daß keine nüchterne Trunkenheit,
Sich...
Johann Wolfgang von Goethe
An vollen Büschelzweigen,
Geliebte, sieh nur hin!
Laß dir die Früchte zeigen,
Umschalet stachlig grün.
Sie hängen längst geballet,
Still, unbekannt mit sich;
Ein Ast, der schaukelnd wallet,
Wiegt sie geduldiglich.
Doch immer reift von innen
Und schwillt der braune Kern;
Er möchte Luft gewinnen
Und säh die Sonne gern.
Die Schale platzt, und nieder
Macht er sich freudig los;
So fallen meine Lieder
Gehäuft in deinen Schoß.
Johann Wolfgang von Goethe
Es ist das Glück ein flüchtig Ding,
Und war's zu allen Tagen;
Und jagtest du um der Erde Ring,
Du möchtest es nicht erjagen.
Leg' dich lieber ins Gras voll Duft
Und singe deine Lieder;
Plötzlich vielleicht aus blauer Luft
Fällt es auf dich hernieder.
Aber dann pack' es und halt' es fest
Und plaudre nicht viel dazwischen;
Wenn du zu lang' es warten läßt,
Möcht' es dir wieder entwischen.
Emanuel Geibel
Morgenerwachen
Noch ruht der Wald im nächtlichen Traume
Noch spürt man nicht des Tages Hast
Und in des Dickichts dunklem Raume
Hält noch der Morgennebel Rast
Doch überm Horizont erhebt sich
Ein roter Feuerschweif empor
Und in des Waldes Stille regt sich
Mit zagem Sang der Vögel Chor
Lebhaftes Treiben kommet wieder
Der Tag erwacht zu neuem Streit
Und heller tönen nun die Lieder
Zum bunten Leben weit und breit
Volkmar Frank
Lebensläufe
Drei kleine Knaben
Hüteten die Gänse,
Hatt' jeder seine Gaben,
und wurde große Hänse.
Einer ward ein Schneider,
Der hatte zehn Gesellen,
Dem König macht' er Kleider,
Dem Narren eins mit Schellen.
Der andre nahm 'ne Pfarre,
Wusch allem Volk die Köpfe,
Der Herr lohnt ihm die Quarre
Und füllt ihm Tasch und Töpfe.
Der dritte ward ein Schreiber,
Hat schöne Lieder gesungen,
Die Kinder und Weiber
Sind um ihn herumgesprungen.
Der Schneider kriegt 'nen Orden,
Der Pfarrer kriegt die...
Gustav Falke
Wenn ich sterbe
Legt rote Rosen mir um meine Stirne,
Im Festgewande will ich von euch gehn,
Und stoßt die Fenster auf, daß die Gestirne
Mit heiterm Lächeln auf mein Lager sehn.
Und dann Musik! Und während Lieder schallen,
Von Hand zu Hand der Abschiedsbecher blinkt,
Mag mählich über mich der Vorhang fallen,
Wie Sommernacht auf reife Felder sinkt.
Gustav Falke
Pfingstlied
Pfingsten ist heut, und die Sonne scheint,
Und die Kirschen blühn, und die Seele meint,
Sie könne durch allen Rausch und Duft
Aufsteigen in die goldene Luft.
Jedes Herz in Freude steht,
Von neuem Geist frisch angeweht,
Und hoffnungsvoll aus Thür und Thor
Steckt´s einen grünen Zweig hervor.
Es ist im Fernen und im Nah´n
So ein himmlisches Weltbejah´n
In all dem Lieder- und Glockenklang,
Und die Kinder singen den Weg entlang.
Wissen die Kindlein auch zumeist
Noch nicht viel...
Gustav Falke
Vergiß!
Was kleidet die Wiesen, was schmücket die Wälder,
Was sprenget die Fesseln dem keuchenden Bach?
Was führet die Thiere zurück in die Felder
Und wehet den Klang aller Lieder wach?
Es ist der Frühling, es ist die Sonne,
Drum freue sich laut ein jegliches Herz,
Und in der großen unsterblichen Wonne
Verstumme der eitle, der menschliche Schmerz!
Ludwig Eichrodt
Vorbei
Das ist der alte Baum nicht mehr,
Der damals hier gestanden,
Auf dem ich gesessen im Blütenmeer
Über den sonnigen Landen.
Das ist der Wald nicht mehr, der sacht
Vom Berge rauschte nieder,
Wenn ich vom Liebchen ritt bei Nacht,
Das Herz voll neuer Lieder.
Das ist nicht mehr das tiefe Tal
Mit den grasenden Rehen,
In das wir Nachts viel tausendmal
Zusammen hinausgesehen. –
Es ist der Baum noch, Tal und Wald,
Die Welt ist jung geblieben,
Du aber wurdest seitdem alt,
Vorbei ist das schöne...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Das Alter
Hoch mit den Wolken geht der Vögel Reise,
Die Erde schläfert, kaum noch Astern prangen,
Verstummt die Lieder, die so fröhlich klangen,
Und trüber Winter deckt die weiten Kreise.
Die Wanduhr tickt, im Zimmer singet leise
Waldvöglein noch, so du im Herbst gefangen.
Ein Bilderbuch scheint alles, was vergangen,
Du blätterst drin, geschützt vor Sturm und Eise.
So mild ist oft das Alter mir erschienen:
Wart nur, bald taut es von den Dächern wieder
Und über Nacht hat sich die Luft...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff