Lieben Zitate (Seite 39)
Bruder Augustin
Bruder Lustig, der vor langer,
Langer Zeit gelebt in Wien,
Einen Gassenhauer sang er:
"O du lieber Augustin!"
Sehr beliebt beim großen Haufen
War der Bruder Augustin,
Konnte musizieren, saufen,
Und dann sang er: "'s Geld ist hin!" –
Seitdem sind die lieben Wiener
Lauter Brüder Augustiner!
Eduard von Bauernfeld
Das Totenhemdchen
Starb das Kindlein.
Ach, die Mutter
Saß am Tag und weinte, weinte.
Saß zur Nacht und weinte.
Da erscheint das Kindlein wieder,
In dem Totenhemd, so blaß:
Sagt zur Mutter: "Leg dich nieder!
Sieh, mein Hemdchen
Wird von deinen lieben Tränen
Gar so naß,
Und ich kann nicht schlafen, Mutter!"
Und das Kind verschwindet wieder,
Und die Mutter weint nicht mehr.
Eduard von Bauernfeld
Sonett
Wie ich dich liebe? Laß mich zählen, wie.
Ich liebe dich so tief, so hoch, so weit,
Als meine Seele blindlings reicht, wenn sie
Ihr Dasein abfühlt und die Ewigkeit.
Ich liebe dich bis zu dem stillsten Stand,
Den jeder Tag erreicht im Lampenschein
Oder in Sonne. Frei, im Recht, und rein
Wie jene, die vom Ruhm sich abgewandt.
Mit aller Leidenschaft der Leidenszeit
Und mit der Kindheit Kraft, die fort war, seit
Ich meine Heiligen nicht mehr geliebt.
Mit allem Lächeln, aller Tränennot
Und...
Elizabeth Barrett Browning
Seit ich dich das erste Mal traf,
bist du König auf dem Thron meines Herzens.
Du hast dein Reich mehr und mehr ausgebreitet
und andere Anwärter in die Flucht geschlagen.
Du bist Herrscher über mein Herz, meine Gedanken und Träume.
Deine Macht ist so groß und stark,
wie könnte ich dich jemals nicht lieben?
Auch wenn der Thron deines Herzens so schwer zu besteigen ist
wie der Schicksalsberg und mir deine Tore verschlossen bleiben,
so bin ich dazu geboren, dein treuer Untertan zu sein.
Liebe...
Ivonne Artelt
Hier sitz ich
Und denke dein
Ganz allein,
Gern möcht ich
Gestöret sein!
Gott sieht mir an den Augen ab,
Was mir fehlt
Was mich quält
Und mildert es mit seiner Gab
Auszuhauchen, auszusprechen
Heißt dem Pfeil die Spitze brechen.
Ach ich kann mich nicht ergeben
Und vergeben kann ich nichts,
Ach ich sah den Mond wohl schweben
In dem lieben Auge Licht.
Als ich dir in's Aug gesehen,
Sah ich meine liebe,
ferne Feindin stehen,
Die mich nicht leiden kann,
Die ich nicht lassen kann.
Karl Joachim Friedrich Ludwig »Achim« von Arnim
Ritt im Mondschein
Herz zum Herzen ist nicht weit
Unter lichten Sternen,
Und das Aug, von Tau geweiht
Blickt zu lieben Fernen.
Unterm Hufschlag klingt die Welt,
Und die Himmel schweigen,
Zwischen beiden mir gesellt
Will der Mond sich zeigen.
Zeigt sich heut in roter Glut
An dem Erdenrande,
Gleich als ob mit heißem Blut
Er auf Erden lande.
Doch nun flieht er scheu empor,
Glänzt in reinem Lichte,
Und ich scheue mich auch vor
Seinem Angesichte.
Karl Joachim Friedrich Ludwig »Achim« von Arnim
Ein frohes Liebesgedicht
Ich hab dich lieb
und doch muß ich manchmal
von dir fortgehen.
Und du weißt ja selber,
daß auch du nicht stets
nur bei mir bleiben kannst.
Es ist immer ein Abschied,
aber niemals ein Verlassen.
Es ist immer ein Wiedersehn,
aber niemals ein Zurückkommen.
Ich hab dich lieb
und möchte mit dir
leben ... lieben
und nicht im Wechselspiel
aneinander rumkürzen,
zerstören und streiten.
Kristiane Allert-Wybranietz
Die Grille und die Ameise
Die Grille, die den Sommer lang
zirpt’ und sang,
litt, da nun der Winter droht’,
harte Zeit und bittre Not:
Nicht das kleinste Würmchen nur,
und von Fliegen keine Spur!
Und vor Hunger weinend leise,
schlich sie zur Nachbarin Ameise,
fleht' sie an, in ihrer Not
ihr zu leihn ein Stückchen Brot,
bis der Sommer wiederkehre.
"Hör",sprach sie, "auf Grillenehre,
vor der Ernte noch bezahl'
Zins ich dir und Kapital."
Die Ameise, die, wie manche lieben
Leute, das Verleihen...
Aesop
Freilich unsere Gegenwart macht es uns nicht leicht, sie zu lieben; selten ist es einer Generation auferlegt gewesen, in einer so gespannten und überspannten Zeit zu leben wie der unseren, und wir haben wohl alle manchmal das gleiche Verlangen, einen Augenblick auszuruhen von der Überfülle der Geschehnisse, Atem zu holen in der unablässigen politischen Bestürmung durch die Zeit.
Stefan Zweig