Liebe Zitate (Seite 221)
Das Vöglein
Vöglein, Vöglein mit den Schwingen,
Mit den Äuglein schwarz und klein,
Laß uns mit einander singen,
Laß uns liebe Freunde sein!
Vöglein hüpfte auf den Bäumen,
Endlich es mit Sang begann:
Du kannst nur von Freiheit träumen,
Dich seh' ich als Fremdling an!
Mensch, auch Du hast Deine Schwingen,
Äuglein klar und hell und rein,
Könntest Freiheit dir...
Stefan George
Niemals werd' ich das vergessen,
Wie dein Arm mich noch umfing,
Jedes Wort beim bangen Pressen
Dir in Tränen unterging.
Ach, wir lernten erst im Scheiden
Unsre Liebe ganz verstehn,
Und doch war's uns beiden, beiden:
's ist auf Nimmerwiedersehn!
Seit der Stunde jener Schmerzen
Noch den Druck von deiner Hand
Fühl' ich kühl auf meinem Herzen,
Wie ich damals ihn empfand.
Und wenn alles schweigt um mich,
Mir aufs Bett die Sterne scheinen,
Ist mir oft, ich höre dich
In der Ferne weinen.
Emanuel Geibel
Vorüber
O darum ist der Lenz so schön
Mit Duft und Strahl und Lied,
Weil singend über Tal und Höh'n
So bald er weiter zieht;
Und darum ist so süß der Traum,
Den erste Liebe webt,
Weil schneller als die Blüt' am Baum
Er hinwelkt und verschwebt.
Und doch! Er läßt so still erwärmt,
So reich das Herz zurück;
Ich hab' geliebt, ich hab' geschwärmt,
Ich preis' auch das als Glück.
Gesogen hab' ich Strahl auf Strahl
Ins Herz den kurzen Tag;
Die schöne Sonne sinkt zu Tal.
Nun komm', was kommen...
Emanuel Geibel
Herbstlich sonnige Tage,
Mir beschieden zur Lust,
Euch mit leiserem Schlage
Grüßt die atmende Brust.
O wie waltet die Stunde
Nun in seliger Ruh!
Jede schmerzende Wunde
Schließet leise sich zu.
Nur zu rasten, zu lieben,
Still an sich selber zu baun,
Fühlt sich die Seele getrieben
Und mit Liebe zu schaun.
Jedem leisen Verfärben
Lausch ich mit stillem Bemühn,
Jedem Wachsen und Sterben,
Jedem Welken und Blühn.
Was da webet im Ringe,
Was da blüht auf der Flur,
Sinnbild ewiger Dinge
Ists dem...
Emanuel Geibel
Im Frühling
Ach wer hat es nicht erfahren,
Daß ein Ton, ein Blick, ein Duft,
Was vergessen war seit Jahren
Plötzlich vor die Seele ruft.
Also kommt in dieser süßen
Frühlingszeit von Wald und Fluß
solch Erinnern oft und Grüßen,
Daß ich tief erschrecken muß.
Weisen, die gelockt den Knaben,
Dämmern auf in meinem Ohr;
Dunkle Sehnsucht längst begraben,
Zuckt wie Blitz in mir empor.
Und wenn hoch die Sterne scheinen,
Geht im Traum durch meinen Sinn
Wirkend, mit verhaltnem Weinen,
Die verlorne Liebe...
Emanuel Geibel
Daß holde Jugend nur zur Liebe tauge,
Ich weiß es wohl, und daß mein Lenz entschwand;
Doch sehn' ich mich nach einem treuen Auge,
Doch sehn' ich mich nach einer weißen Hand.
Nach einem Auge, das mit hellem Scheine
Aufleuchte, wenn mein Tiefstes ich enthüllt,
Und das in jenen bängsten Stunden weine,
Wo meines sich nicht mehr mit Thränen füllt;
Nach einer Hand, die hier und dort am Wege
Mir einen Zweig noch pflücke, herbstesfarb,
Die mir zum Rasten weich die Kissen lege,
Und mir die Wimpern...
Emanuel Geibel
Herr, in dieser Zeit Gewog,
Da die Stürme rastlos schnauben,
Wahr, o wahre mir den Glauben,
Der noch nimmer mich betrog;
Der noch sieht in Nacht und Fluch
Eine Spur von Deinem Lichte,
Ohne den die Weltgeschichte
Wüster Greuel nur ein Buch:
Daß, wo trostlos unbeschränkt
Dunkle Willkür scheint zu spielen,
Liebe doch nach ew'gen Zielen
Die verborgnen Fäden lenkt.
Emanuel Geibel
Es ist in leere Nüchternheit
Die ganze Welt versunken,
Und keine Zunge redet mehr
Vom heil'gen Geiste trunken.
Die groß geschaut und groß gebaut,
Die schlummern in den Särgen,
Auf ihren Gräbern kriechen wir
Als ein Geschlecht von Zwergen.
Ich aber sage euch: führwahr,
Es wird nicht anders werden,
Bis ihr den Blick nicht himmelwärts
Erhebt vom Staub der Erden,
Bis ihr dem Geist der Liebe nicht,
Dem großen Überwinder,
Demütig euer Herz erschließt
Und werdet wie die Kinder.
Emanuel Geibel
Auch du bist mein Bruder,
schneidender Wind im November,
nicht minder du, beißender Frost,
und du, eisiger, treibender Schneesturm,
alter, tänzelnder Verschwender.
Wie es auch sei,
ich geh' euch froh und frei entgegen,
seid doch meine Brüder im Schmerz,
hab' um euch Liebe gelitten,
so schloß ich die Blüte ins Herz
und so die Frucht im September.
Carl Peter Fröhling