Liebe Zitate (Seite 219)
Nicht Gelegenheit macht Diebe
Nicht Gelegenheit macht Diebe,
Sie ist selbst der größte Dieb;
Denn sie stahl den Rest der Liebe,
Die mir noch im Herzen blieb.
Dir hat sie ihn übergeben,
Meines Lebens Vollgewinn,
Daß ich nun, verarmt, mein Leben
Nur von dir gewärtig bin.
Doch ich fühle schon Erbarmen
Im Karfunkel deines Blicks,
Und erfreu in deinen Armen
Mich erneuerten Geschicks.
Johann Wolfgang von Goethe
Künstlers Abendlied
Ach, daß die innre Schöpfungskraft
Durch meinen Sinn erschölle!
Daß eine Bildung voller Saft
Aus meinen Fingern quölle!
Ich zittre nur, ich stottre nur,
Und kann es doch nicht lassen;
Ich fühl, ich kenne dich, Natur,
Und so muß ich dich fassen.
Bedenk ich dann, wie manches Jahr
Sich schon mein Sinn erschließet,
Wie er, wo dürre Heide war,
Nun Freudenquell genießet;
Wie sehn ich mich, Natur, nach dir,
Dich treu und lieb zu fühlen!
Ein lustger Springbrunn wirst du mir
Aus...
Johann Wolfgang von Goethe
Unvermeidlich
Wer kann gebieten den Vögeln.
Still zu sein auf der Flur?
Und wer verbieten zu zappeln
Den Schafen unter der Schur?
Stell ich mich wohl ungebärdig,
Wenn mir die Wolle kraust?
Nein! Die Ungebärden entzwingt mir
Der Scherer, der mich zerzaust.
Wer will mir wehren zu singen
Nach Lust zum Himmel hinan,
Den Wolken zu vertrauen,
Wie lieb sie...
Johann Wolfgang von Goethe
Geheimnis
Über meines Liebchens Äugeln
Stehn verwundert alle Leute;
Ich, der Wissende, dagegen
Weiß recht gut, was das bedeute.
Denn es heißt: ich liebe diesen
Und nicht etwa den und jenen.
Lasset nur, ihr guten Leute,
Euer Wundern, euer Sehnen!
Ja, mit ungeheuren Mächten
Blicket sie wohl in die Runde;
Doch sie sucht nur zu verkünden
Ihm die nächste süße Stunde.
Johann Wolfgang von Goethe
Grau und trüb und immer trüber
Kommt das Wetter angezogen,
Blitz und Donner sind vorüber,
Euch erquickt ein Regenbogen.
Frohe Zeichen zu gewahren
Wird der Erdkreis nimmer müde;
Schon seit vielen tausend Jahren
Spricht der Himmelsbogen: Friede!
Aus des Regens düstrer Trübe
Glänzt das Bild, das immer neue;
In den Tränen zarter Liebe
Spiegelt sich der Engel – Treue
Wilde Stürme, Kriegeswogen
Rasten über Hain und Dach;
Ewig doch und allgemach
Stellt sich her der bunte Bogen.
Johann Wolfgang von Goethe
Vor Gericht
Von wem ich es habe, das sag ich euch nicht,
Das Kind in meinem Leib. _
Pfui! speit ihr aus: die Hure da! _
Bin doch ein ehrlich Weib.
Mit wem ich mich traute, das sag ich euch nicht.
Mein Schatz ist lieb und gut,
Trägt er eine goldene Kett am Hals,
Trägt er einen strohernen Hut.
Soll Spott und Hohn getragen sein,
Trag ich allein den Hohn.
Ich kenn ihn wohl, er kennt mich wohl,
Und Gott weiß auch davon.
Herr Pfarrer und Herr Amtmann ihr,
ich bitt, lasst mich in Ruh!
Es ist mein...
Johann Wolfgang von Goethe
Herbstgefühl
Fetter grüne, du Laub, am Rebengeländer hier
mein Fenster herauf!
Gedrängter quellet, Zwillingsbeeren, und reifet
schneller und glänzend voller!
Euch brütet der Mutter Sonne Scheideblick,
euch umsäuselt des holden Himmels fruchtende Fülle
euch kühlet des Mondes freundlicher Zauberhauch,
und euch betauen, ach!
aus diesen Augen der ewig belebenden Liebe
vollschwellende Tränen.
Johann Wolfgang von Goethe
Diese Richtung ist gewiß,
Immer schreite, schreite!
Finsternis und Hindernis
Drängt mich nicht zur Seite.
Endlich leuchtest meinem Pfad,
Luna! klar und golden;
Immer fort und immer grad
Geht mein Weg zur Holden.
Nun der Fluß die Pfade bricht,
Ich zum Nachen schreite,
Leite, liebes Himmelslicht,
Mich zur andern Seite.
Seh ich doch das Lämpchen schon
Aus der Hütte schimmern,
Laß um deinen Wagenthron
Alle Sterne glimmern.
Johann Wolfgang von Goethe
Pilgers Morgenlied
An Lila
Morgennebel, Lila,
Hüllen deinen Turn um.
Soll ich ihn zum
Letztenmal nicht sehn!
Doch mir schweben
Tausend Bilder
Seliger Erinnerung
Heilig warm ums Herz.
Wie er so stand,
Zeuge, meiner Wonne,
Als zum erstenmal
Du dem Fremdling
Ängstlich liebevoll
Begegnetest,
Und mit einemmal
Ewge Flammen
In die Seel ihm warfst! –
Zische, Nord!
Tausend-schlangenzüngig
Mir ums Haupt!
Beugen sollst du's nicht!
Beugen magst du
Kindscher Zweige Haupt,
Von der Sonne
Muttergegenwart...
Johann Wolfgang von Goethe
Erster Verlust
Ach, wer bringt die schönen Tage,
Jene Tage der ersten Liebe,
Ach, wer bringt nur eine Stunde
Jener holden Zeit zurück!
Einsam nähr' ich meine Wunde,
und mit stets erneuter Klage
traur' ich ums verlorne Glück.
Ach, wer bringt die schönen Tage,
jene holde Zeit zurück!
Johann Wolfgang von Goethe