Liebe Zitate (Seite 216)
Solidität
Liebe sprach zum Gott der Lieder,
Sie verlange Sicherheiten,
Ehe sie sich ganz ergebe,
Denn es wären schlechte Zeiten.
Lachend gab der Gott zur Antwort:
Ja, die Zeiten sich verändern,
Und du sprichst jetzt wie ein alter
Wuchrer, welcher leiht auf Pfändern.
Ach, ich hab nur eine Leier,
Doch sie ist von gutem Golde.
Wieviel Küsse willst du borgen
Mir darauf, o meine Holde?
Heinrich Heine
Wandere
Wenn dich ein Weib verraten hat,
so liebe flink eine andre;
noch besser wär' es, du ließest die Stadt
schnüre den Ranzen und wandre.
Du findest bald einen blauen See,
umringt von Trauerweiden;
hier weinst du aus dein kleines Weh
und deine engen Leiden.
Wenn du den steilen Berg ersteigst,
wirst du beträchtlich ächzen;
doch wenn du den felsigen Gipfel erreichst,
hörst du die Adler krächzen.
Heinrich Heine
Alt und jung
Der Alte sieht die junge Maid,
Und fällt, versucht vom alten Triebe,
Mit höchster Alters-Zierlichkeit
Aufs Knie und stottert schamhaft: Liebe!
Sie lacht ihm nicht ins Angesicht,
Sie kniet nur hin, wo er gelegen,
Drückt seine Hand aufs Haupt und spricht:
"Mein Vater, gebt mir euren Segen!"
Christian Friedrich Hebbel
Winterreise
Wie durch so manchen Ort
Bin ich nun schon gekommen,
Und hab’ aus keinem fort
Ein freundlich Bild genommen.
Man prüft am fremden Gast
Den Mantel und den Kragen,
Mit Blicken, welche fast
Die Liebe untersagen.
Der Gruß trägt so die Spur
Gleichgültig-offner Kälte,
Daß ich ihn ungern nur
Mit meinem Dank vergelte.
Und weil sie in der Brust
Mir nicht die Flamme nähren,
So muß sie ohne Lust
Sich in sich selbst verzehren.
Da ruf’ ich aus mit Schmerz,
Indem ich fürbaß wandre:
Man hat nur...
Christian Friedrich Hebbel
Neue Liebe
O Blitz, der aus dem Tiefsten springt
Und mir durch jede Faser zuckt,
Der mich mit neuer Glut durchdringt,
Die sonst mein Inn'res still verschluckt;
Ich grüße dich viel tausendmal
Und frag' nicht: bringst du mir Genuß?
Denn du befreist mich von der Qual,
Daß ich mich selber lieben muß.
Christian Friedrich Hebbel
Das Heiligste
Wenn zwei sich ineinander still versenken,
Nicht durch ein schnödes Feuer aufgewiegelt,
Nein, keusch in Liebe, die die Unschuld spiegelt,
Und schamhaft zitternd, während sie sich tränken;
Dann müssen beide Welten sich verschränken,
Dann wird die Tiefe der Natur entriegelt,
Und aus dem Schöpfungsborn, im Ich entsiegelt,
Springt eine Welle, die die Sterne lenken.
Was in dem Geist des Mannes, ungestaltet,
Und in der Brust des Weibes, kaum empfunden
Als Schönstes dämmerte, das...
Christian Friedrich Hebbel
An Alrune
Wenn du die letzten Gedanken denkst,
Sollst du darein mich schließen,
Wenn du die Seele von hinnen lenkst,
Will ich dich sterbend grüßen.
Und schliefst du ein Jahrtausend lang
Wohl unter Staub und Steine,
Mein süßes Lieb, sei mir nicht bang,
Du schlummerst nicht alleine.
Und flögst du durch die Himmel weit
Mit leicht beschwingten Füßen,
Ich komme, um in seliger Zeit
Dich immer wieder zu grüßen.
Ich vergesse dich nicht, ich lasse dich nicht,
Mein bist du im Engen und Weiten!
Dein...
Max Haushofer
Nacht der Trennung
Welche Mißgunst hat zur Plage
Armer Liebe dich erdacht?
Welcher Gott erschuf dich, sage,
Nacht der Trennung, lange Nacht?
Ohne Mondlicht, ohne Sterne,
Ohne Lied der Nachtigall
Drückt auf alle Näh' und Ferne
Deiner Nebel dunkler Schwall.
Ungeseh'n und still wie Geister,
Die von Stern zu Sterne zieh'n.
Wandelt nur die blasse Sehnsucht
Leise klagend her und hin.
Moritz Hartmann
Teilt das Brot mit anderen,
es schmeckt doch nur gebrochen gut.
Teilt das Brot mit anderen,
geteiltes Brot macht vielen Mut.
Teilt das Wort mit anderen,
es ist zu reich für euch allein,
teilt das Wort mit anderen,
es soll zum Heil für viele sein.
Teilt das Leid mit anderen,
es ist doch eurer Brüder Not,
teilt das Leid mit anderen,
die Liebe ist des Herrn Gebot.
Teilt das Licht mit anderen,
daß es die Finsternis vertreibt.
Teilt das Licht mit anderen,
daß keiner mehr im Dunkel bleibt.
Johannes Hansen
Die Primeln
Sieh, Liebchen, hier im Waldestal
das Plätzchen unvergessen,
wo kosend wir zum letzenmal
im letzen Herbst gesessen!
Und sieh, nun sind in goldner Tracht
hier an derselben Stelle
die ersten Primeln aufgewacht,
als wär's des Lenzes Schwelle!
Siehst du, wie Liebe Wunder tut,
daß wenn der Schnee zerflossen,
dort, wo ein Liebespaar geruht,
die ersten Primeln sprossen?
Nun wollen doppelt eifrig wir,
wenn Moos und Gräsen schwellen,
fürs nächste Jahr im Waldrevier
die Primelsaat...
Robert Hamerling