Leiden Zitate (Seite 9)
Der Charakter des Mannes entwickelt sich mehr durch Tun, der des Weibes mehr durch Leiden, und wirklich tritt die eigentümliche Kraft und Schönheit des weiblichen Charakters gewöhnlich mit einer besonderen Macht da hervor, wo die Tiefe des Gemütslebens durch vielfältige Leiden geprüft worden ist.
Carl Gustav Carus
Die Überraschte.
Amor schlich in stiller Nacht
In mein Haus verwogen,
Wie ich morgens aufgewacht,
War er eingezogen;
Als ich zürnte, bat er sehr,
Möcht' ihn nicht verjagen,
Sprach, er käm' von weitem her,
Würden uns vertragen;
Hätt' ihm nur ganz kurze Zeit
Herberg geben sollen,
Sey zu Gegendienst bereit,
Hat Zins zahlen wollen!
Und nun ist er noch im Haus,
Will noch länger bleiben,
Sagt, er gehe nicht hinaus,
Könn' ihn nicht vertreiben.
Spricht, es sey nur Scherz von mir,
Und...
Joseph Christian Freiherr von Zedlitz
Ewige Liebe
Was soll ich andres sagen,
Dir, mein geliebtes Kind,
Als immer nur das eine:
Ich bin dir treu gesinnt.
Dein Name steht geschrieben
Mir tief ins tiefste Herz.
Mit goldnen Flammenzügen,
Die fester stehn als Erz.
Wir wollen uns gehören
Von nun in Ewigkeit,
Dich freue, was mich freuet,
Dein Leiden sei mein Leid.
Der Leib wird welken, sterben,
Die Seele nicht verdorrt,
Lieb' ist der Seele Blume
Und blüht im Himmel fort.
Ernst von Wildenbruch
Den einen faßt das Leben lind
Den einen faßt das Leben lind,
Mag hoch die Flut auch schwellen,
Es tragen, wie ein Liebeskind,
Geduldig ihn die Wellen.
Den andern will der Wogen Spiel
Entrücken seinen Wegen,
Und bis zum Tod, nach seinem Ziel
Schwimmt er dem Strom entgegen.
Ein dritter bleibt am Ufer steh'n, –
Des Lebens Glück und Leiden,
Er darf sie nur von ferne seh'n
Und sehnt sich wohl nach beiden!
O Tag um Tag vorbei ihm schwebt,
Heut klarer, morgen trüber,
Er hat das Leben nicht...
Wilhelmine Gräfin von Wickenburg-Almasy
Was dich immer drückt, verzage nicht.
Auch das Leiden adelt – klage nicht.
Nur was wieder in den Staub dich zieht,
das Gemeine nur vertrage nicht.
Freude kann veredeln wie der Schmerz,
drum des Lebens Lust entsage nicht.
Vorwärts, unaufhaltsam rollt die Zeit,
und ins Rad zu greifen wage nicht.
Was du bist, das strebe ganz zu sein.
und nach anderm Lohne frage nicht.
Albrecht Graf Wickenburg
Credo der Dummheit:
Tugendsam will ich das Denken verpönen,
mit Esoterik und Göttern mein Ego versöhnen,
Mängel und Not durch Bescheidenheit krönen,
dem Jenseits vertrauend alles Leiden verschönen,
den Unglauben eifernd und fromm verhöhnen,
Aufklärung mit Glocken zudröhnen.
Und sollte der liebste Mensch sich nicht fügen,
bringe ich ihn zu Fall mit dummen Lügen!
Meine wahre Welt sind Karriere,
Uniformen, Talare und Hüte,
endlos krumme Räume in denen –
der Himmel sei Zeuge – ich weiter wüte.
Raymond Walden
Ach, erlebt' ich's einmal noch!
Daß wir die Rosen miteinander brächen!
Ach, erlebt' ich's noch zum Heil uns beiden!
Daß wir freundlich wie zwei Liebste sprächen!
Nichts vermöchte uns dann mehr zu scheiden.
Küßte sie mich dann zu guter Stunde
Mit dem roten Munde,
Braucht' an Glück ich nie mehr Not zu leiden.
Walther von der Vogelweide
Minnelied
Wohl alle Gedanken
Des Herzens vereine
Ich ohne Wanken
Besorglich auf das eine,
Wie ich bescheine,
Daß ich schon lange
Sie meine, mit Sange
Mit treuem Muthe
Die Reine,
Die Gute.
Euch dank' ich, ihr Sinne,
Die freundliche Lehre,
Daß ich sie minne,
Die Gluth geschäftig nähre
Und Liebchens Ehre
Durch neue Weisen
Zu preisen
Begehre.
Ja ich ersehne
Die Hehre,
Die Schöne.
O sagt, wer die Stunden
Des Heiles beschriebe,
Wenn überwunden
Sie mein aus zartem Triebe,
Mein würde und...
Heinrich von Veldink oder Veldig
Herbstabend
Herbstabende voll weicher Helligkeit
Mit ihrem rührend rätselhaften Zauber…
Ein böser Glanz, der Bäume buntes Kleid,
Purpurner Blätter matt und leicht Geplauder;
Die Bläue ist so neblig, still und kühl,
Worunter die verwaiste Erde trauert,
Und – wie der nahen Stürme Vorgefühl
Bisweil ein Windstoß jäh, der uns durchschauert;
Erschöpfung, Niedergang, doch überall
Das Lächeln sanft des Welkens und des Scheidens,
Das wir in des Verstandes Widerhall
Erkannt als die erhabne...
Fjodor Iwanowitsch Tjuttschew